Bordeaux 2004 – rechte Weine von der linken Seite

Gestern Abend verkosteten wir in einem kleinen Kreis von Weinfreunden einige Vertreter aus dem umstrittenen Jahr 2004. Wir wählten eine Serie von Grand Cru Classé Weinen von der linken Seite wobei wir quer über die Appellationen verteilt jeweils zwei Vertreter pro Appellation gegeneinander antreten liessen.

Die Weine wurden rund zwei bis drei Stunden vor der Verkostung geöffnet und teilweise dekantiert. Serviert wurden die Weine blind, jedoch wussten die Teilnehmer, welche Appellationen und Weine grundsätzlich am Start waren, nicht aber, in welcher Reihenfolge diese serviert werden.

Somit mussten die Teilnehmer einerseits die Appellation erraten, andererseits innerhalb der Appellation die Weine richtig zuordnen.

Nach einem wunderbaren De Sousa Grand Reserve Blanc de Blanc und ein paar Apéro-Häppchen ging es los mit Flight 1: Péssac-Léognan präsentierte sich sehr schön.

2004, Domaine de Chevalier, Péssac-Léognan: Reifes Bordeauxrot, leicht oranger Rand, Duftige, reife, offene Nase, sehr sauber, wahrnehmbare Holznoten, auch reife Pflaumen, etwas Tee, sehr schöne Komplexität, nobel, saftiger Auftakt, rotbeerig, weich, breitet sich im Mund sehr schnell aus, reife Gerbstoffe, hat noch Reserven, mittelkräftige Struktur, sehr balanciert, eher tief in der Säure, ein Schmeichler, gefällt mir sehr gut, ein sehr schöner Wein, Jetzt bis 2024, 18.5 vvPunkte, (92/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 90 Punkten.

2004, Ch. Haut-Bailly, Péssac-Léognan: Dunkles Bordeauxrot, gegen den Rand orangefarben, die Nase offen, rauchig, sehr nobel, einiges an dunklen Beeren,, sehr gute Komplexität, der Gaumen gradlinig, sehr frisch und noch jugendlich, wieder dunkle Beeren, auch mineralische Komponenten, sehr gute Ausgewogenheit, Massen an feinen Gerbstoffen, sehr gute Komplexität, gefällt mir ausserorentlich gut, hat Reserven für mindestens 15 Jahre, Jetzt mit Luft servieren, ab 2018-2030, 18.5 vvPunkte, (93/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 91.2 Punkten.

Flight 2, Margaux, war heterogen. Mit Wein Nummer 1 schmuggelte ich den einzigen „Piraten“ in die Runde ein. Keiner der Teilnehmer wusste, dass auch Ch. Margaux mit am Start war und ich war entsprechend gespannt, ob die zu erwartende Grösse des Weines auch blind erkannt wird.

2004, Ch. Margaux, Margaux: Mittlers Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand, sehr duftige Nase, blumig, rotbeerig, auch Rauch, grossartiger Duft, nach der ganzen Blume auch Zedernhölzer, sehr gute Komplexität, sehr feiner Auftakt, fast leicht, dann packen die Tannine zu, auch Säure ist da, grossartige Frische, sehr schöne Balance der Komponenten, vom Druck her dürfte noch etwas mehr da sein, doch die Balance ist bestechend, ein ausgezeichneter, hocheleganter Wein mit sehr guter Länge im Abgang, jetzt bis 2025+, 19 vvPunkte, (95/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 93.3 Punkten was Platz 1 des Abends bedeutete. Margaux hat also auch blind seine Qualität bewiesen.

2004, Ch. d’Issan, Margaux: Dunkles Bordeauxrot, sehr schöner Glanz, die Nase irritiert etwas, leicht animalisch, etwas rustikal anmutend, Honig, dunkle Beeren, Lakrizze, auch würzige Komponenten, einerseits reif, andererseits auch noch mit Handbremse unterwegs, straffer Auftakt, einiges an roter und dunkler Beerenfrucht, die Gerbstoffe etwas ruppig, wirkt etwas gar burschikos, doch auch sehr gute Komplexität, braucht noch etwas Reife, 2018 bis 2025+, 17.5+ vvPunkte, (89+/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 89.7 Punkten.

Flight 3 war Pauillac.

2004, Ch. Grand Puy Lacoste, Pauillac: Mittleres Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand, dunkle Beeren, Tabak, Rauch, etwas verhalten, dann auch Eukalyptus, dunkle Schokolade, sehr schöne Tiefe und sehr gute Komplexität, am Gaumen weicher, frischer Auftakt, sehr schöne Frucht, dann packen die Gerbstoffe zu, ein männlicher Wein, mit knackiger Säure, der Alkohol gut eingebunden, sehr gute Struktur und Komplexität, gefällt mir, ein Wein mit Charakter und Ecken und Kanten, Jetzt mit Dekantieren, ab 2018-2026+, 18 vvPunkte, (90/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 88.8 Punkten.

2004, Ch. Pichon Longueville Baron, Pauillac: Mittleres Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand, die Nase offen, sehr Bordeaux, einladend duftig, wahrnehmbar Holz, sehr schönes Barrique, auch eine dezente Würze, sehr gute Komplexität, knackiger Auftakt, dunkle und rote Beeren, dann sehr saftig, mit deutlich Gerbstoff, reif, aber präsent, die Säure ist kräftig, vermählt sich aber sehr gut mit der Frucht, sehr gute Komplexität und Länge im Abgang, ein toller, straffer, klassischer Bordeaux mit Reserven für 10+ Jahre, Jetzt bis 2025+, 18.5 vvPunkte, (93/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 92 Punkten.

Weiter ging es mit einem etwas schwächeren Flight, St. Estèpe.

2004, Ch. Calon Segur, St. Estephe: dunkles Bordeauxrot, noch jugendlicher Glanz, kräftige, tiefe, noble Nase, duftig, dunkelbeerig, auch Specknoten, dazu eine zarte florale Note, sehr gute Komplexität, am Gaumen sanfter Auftakt, schöne, eher rotbeerige frucht, mittlere Statur, deutlich Gerbstoff, leicht laktische Noten, einiges an Säure, wirkt etwas unruhig, gute aber nicht sehr gute Komplexität, im Abgang eher kurz, der Gaumen hält nicht ganz, was die Nase verspricht, jetzt bis 2022+, 17 vvPunkte, (87/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 88.2 Punkten.

2004, Ch. Lafon Rochet, St. Estephe: Mittleres Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand, die Nase angenehm tief, rauchig, dunkelbeerig, sehr reif und offen, auch etwas Würze und dunkle Schokolade, mittlere Komplexität, am Gaumen reif, weich im Auftakt, einiges an Schmelz, etwas karg, aber sehr fein, mir gefällt diese leicht rusiktale Art, mittlere Komplexität, ohne grosse Länge, gefällt mir alles in allem aber etwas besser als Calon, klassisch aber nicht gross, Jetzt bis 2022, 17.5 vvPunkte, (89/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 88.5 Punkten.

Der letzte Flight war St. Julien.

2004, Ch. Branaire, St. Julien: Dichtes Bordreaurot, noch jugendlich, klare, reine Nase, etwas Rauch, eher rotbeerig, feinduftig, mittlere Komplexität, am Gaumen straff, gradlinig, klar, wieder rote beeren, auch eine feine Grafitnote, sehr balanciert, mittlere Komplexität, ein schöner Wein, jetzt ideal zu trinken bis 2022, 17.5 vvPunkte, (89/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 90.3 Punkten.

2004, Ch. Léoville Barton, St. Julien: dunkles Bordeauxrot, noch sehr jugendliche Farbe, sehr tiefe Nase, Rauch, dunkelbeerig, Brombeeren, Cassis, sehr komplex, sauberer im Auftakt, dicht, kräftig, mächtig, strukturbetont, ein Konzentrat, wieder dunkle Beeren, Massen an feinem, reifem Gerbstoff, grossartige Komplexität und Länge, ein grosser Wein mit Reserven für viele Jahre, jetzt dekantieren, ab 2018-2030…, 19 vvPunkte, (94/100). Der Gruppen-Durchschnitt für diesen Wein lag bei 92.8 Punkten.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die einzelnen Bewertungen der 10 Rotweine.

Zum Abschluss und als ideale Begleitung zum Käse servierte ich blind noch einen kleinen, süssen „Piraten“. Ch. d’Yquem 2004 präsentierte sich grossartig. Man mag sich am stolzen Preis stören doch was da ins Glas fliesst ist einfach nur ein Elixier von majestätischer Grösse und Eleganz. Wir haben den Wein einfach genossen.

Mein Fazit: 2004 präsentiert sich aktuell sehr schön und zugänglich. Das Jahr ist sicher nicht gross, doch auch in diesem Jahr finden sich sehr viele, schöne Vertreter.

PS: die Nachverkostung heute Nachmittag bestätigte die gute Performance von Haut-Bailly und Léoville Barton. Lafon Rochet konnte über Nacht etwas zulegen, Calon Ségur blieb eher enttäuschend mit einer krautigen Note, die an grüne Paprika erinnert. Ch. d’Issan schliesslich kommt nach wie vor nicht über 89 Punkte raus ber Enwicklungspotenzial ist bei Issan definitiv vorhanden.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
2 Kommentare
  1. Anthony Holinger
    Anthony Holinger says:

    Hi Adrian
    Danke für die Infos über Bordeaux 2004. Solche Infos sind super praktisch wenn man im Restaurant die Weinkarte studiert, fair kalkulierte 2004er Bordeaux entdeckt, aber nicht weiss, für welchen man sich entscheiden soll. Coole Sache!
    Gruss
    Anthony

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  2. Adrian van Velsen
    Adrian van Velsen says:

    Hi Anthony, danke für die Rückmeldung. Ja, 2004 bietet doch einiges. Wenn ich heute im Restaurant was aufziehen würde, dann wären das Domaine de Chevalier, Branaire, Baron oder Ch. Margaux… Barton ist zwar wirklich top doch noch sehr jung, ebenso Haut-Bailly. Auf bald mal wieder. Cheers!

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