Capichera: Seele des Vermentino.

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Die im Jahr 1996 gegründete DOCG Vermentino di Gallura gehört zu den DOCG-Gebieten mit den höchsten zugelassenen Hektarerträgen. Bis zu 70 Hektoliter/Hektar können hier erzeugt werden. Entsprechend uneinheitlich präsentieren sich die Weine aus dieser Region, wenn auch wir auf unserer letzten Sardinien-Reise viele sehr gute Weine probieren durften.

Der Eingangsbereich von Capichera (c) vvWine.ch

Ein Vorreiter dieser Region ist das Weingut Capichera. Es wurde in den 70erjahren gegründet und machte den seinerzeit zwar schon weit verbreiteten, jedoch nicht über die Insel- (oder Landes)-grenzen hinaus bekannten Vermentino bekannter. Ziel war es, aus der Vermentino-Traube einen «grossen Wein» zu machen, was in anbetracht der teils stolzen Preise gelungen ist. Allerdings, und das erstaunte micht, werden abgesehen vom Vign’Angena, sämtliche Weine des Gutes als IGT Isola dei Nuraghi vermarktet. Man scheint sich hier der eigenen Qualität bewusst zu sein und weniger Sinn für «das grosse Ganze» zu haben.

Freundlicher Empfang, schlichte Willkommensräume. Die Weinrange ist hübsch drapiert, das Kreditkartengerät liegt bereit. Ein Stammkunde verlässt gerade das Gut, der Kofferaum seines Autos ist gut gefüllt. Eine junge Dame namens Mariella begrüsst mich und führt mich in den Hinterhof, wo ein kleiner Tisch im Schatten des Hauses bereit steht für die Verkostung. Ob die Weine dem ihnen vorauseilenden Ruf standhalten können?

Verkostung im schattigen Hinterhof (c) vvWine.ch

2018 LINTÓRI, Vermentino di Sardegna DOC, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (Vermentino von 10-15jährigen Rebstöcken in Arazachena, Olbia und Palau. Ausbau zu 100% im Stahltank, 13.5% Alkohol. Ab Hof 16 Euro). Offene Nase, reife, exotische Frucht, dezent weisse Grapefruit, auch Apfel, mittlere Komplexität. Im Gaumen schlank, frisch, sehr fruchtbetont, die milde Säure stützt die leicht exotisch anmutende Frucht, welche sich mit Zitrusaromen paart. Im Abgang von guter Länge. Ein gelungener Basis-Wein der manch teurerem Vermentino das Wasser reichen kann. Jung und kühl geniessen. 17 vvPunkte (87/100).

2018 VIGN’ANGENA, Vermentino di Gallura DOCG, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (Vermentino von Lagen in Olbia und Palau. Granitböden, ein Grossteil aus Lagen rund um das historische Weingut. Ausbau zu 100% im Stahltank, 13.5% Alkohol. Ab Hof 26. Euro). Tiefgründige Nase, kühl, steinig, mit Noten von Limetten, mehligem Apfel, weissen Blüten, dazu etwas Muskatnuss, Garrique, und ein Touch Meerbrise. Im Gaumen straff, präzis, gradlinig und klar, sehr gut strukturiert, mit nerviger Säure, ungemein viel Zug und einer hervorragenden Frische ausgestattet, das gleitet förmlich über die Zunge, wirkt lebendig und top ausgewogen. Ein herrlicher, eleganter Vermentino der im Abgang lange nachhallt. Trinken bis 2023, 17.5 vvPunkte (89/100).

Drei Weissweine, verkostet aus dem Grassl Liberté Glas (c) vvWine.ch

2017 CAPICHERA, Vermentino di Sardegna DOC, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (DER Vermentino des Weingutes, seit 1980 produziert. Aus hügeligen Lagen in Arazachena mit Böden, die relativ viel Feuchtigkeit speichern. Gelesen wird etwas später als beim normalen Vermentino . Während 4 Wochen im Stahltank vergoren, danach Ausbau im Stahltank und je nach Jahrgang ein kleiner Teil während 4-6 Monate im Barrique. 14.5% Alkohol. Ab Hof 38 Euro). Offene, sehr komplexe Nase, exotische Früchte, Ananas, etwas Mango, dazu blumige Noten die an eine Sommerwiese erinnern, auch Lavendel und Zitronenthymian, das ist schon fast ein Spaziergang durch den wilden Kräutergarten. Im Gaumen dicht, kraftvoll, üppig jedoch nicht schwer, die 14.5% Alkohol sind perfekt verpackt, der Wein ist körperreich aber dennoch frisch, eine herrliche Säure belebt und trägt den Wein in einen langen, feinwürzigen Abgang. Grossartig. Trinken bis 2023+, 18.5 vvPunkte (92/100).

2015, SANTIGAÌNI, Isola dei Nuraghi IGT, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (100% Vermentino aus einer nur 1 Hektar kleinen Lage bei den Tombi Giganti. Der Wein wird während einem Jahr in neuen resp. einmal gebrauchten Barrique-Fässern ausgebaut. 14.5% Alkohol. Ab Hof 130 Euro). Feinduftige Nase, zeigt neben sehr dezenten Holznoten viel Floralität, Kräuter, Zitrusfrüchte, Salbeiblüten, verändert sich mit Luft, erinnert mehr und mehr auch an Orangenblütenhonig, sehr komplex. Im Gaumen vollmundig, ungemein cremige Textur, druckvoll, mit einer reifen, eindrücklichen Frucht, diese scheint mit der markanten Mineralität zu tanzen, ein Duel, nein, eine Symbiose! Endet ausgesprochen langanhaltend mit floralen Retroaromen. Trotz bereits 4 Jahren auf dem Buckel ist dieser Wein taufrisch. Bravo! Trinken bis 2025+, 18.5 vvPunkte (93/100).

Reben von Capichera, im Hintergrund die Berge um Arzachena (c) vvWine.ch

2016, ASSAJÉ, Isola dei Nuraghi IGT, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (70-80% Carignano, der Rest Canonau und ganz wenig Syrah. Die Weinberge liegen in der Nähe von Palau. 14.5% Alkohol, 3 Wochen im Stahltank vergoren, danach Ausbau in Barriques und grossen Fässern. Ab Hof 38 Euro). Leuchtendes Rubin. In der Nase intensiv duftend, zum einen nach schwarzen, eingelegten Kirschen, dann auch Heidelbeeren, Feigen, Wachholder, Eukalyptus, ätherische Noten, Rauch. Im Gaumen druckvoll, fruchtbetont, imposant und irgendwie mächtig, weiche Textur, sehr feine, reife Gerbstoffe tragen die reife aber nicht kompottartige Frucht, der Wein wirkt trotz viel Körper angenehm frisch, das ist Power und Eleganz perfekt kombiniert. Eindrücklich, langanhaltend und mit einem Mix aus roten und dunklen Beeren im Abgang. Bei 15 Grad aus grossen Gläsern servieren, am besten zu einem gegrillten Stück Fleisch. Jetzt bis 2025, 18 vvPunkte (90/100).

2014, MANTÈNGHJA, Isola dei Nuraghi IGT, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (Identische Assemblage wie der Assajé, 70-80% Carignano, der Rest Canonau und ganz wenig Syrah. Ausbau zu zu 100% im Barrique. 15% Alkohol. Ab Hof 90 Euro). Mittleres Rubin, leicht aufgehellter Rand. In der Nase kräuterig, zeigt Salbei, Minze, und ein Hauch Lavendel paaren sich mit Johannisbeeren, Heidelbeeren sowie etwas Haselnuss und Kaffee, die Aromatik erinnert mich fast etwas einen einen top Kalifornier. Im Gaumen druckvoll aber dennoch elegant, sehr feine Textur, markantes, fein gewobenes Tannin, die 15% Alkohol sind spürbar aber gut verpackt, eine schöne Säure stützt das Konzentrat und zieht den Wein in einen langen Abgang wo er würzig und auf reife Walderdbeeren endet. Das ist natürlich kein leichter Tropfen. Doch mit 15 Grad aus grossen Gläsern serviert kommt hier definitiv Ferienstimmung auf. Aktuell in einem sehr schönen Trinkfenster, jedoch mit Reserven bis 2025+. 18 vvPunkte (91/100).

Durchwegs hohe Qualität: Die sieben verkosteten Weine von Capichera (c) vvWine.ch

2018, TAMBÉ, Isola dei Nuraghi IGT, Capichera, Gallurien, Sardinien, Italien (Aus verschiedenen roten Trauben, rosé gekeltert. Ab Hof 16 Euro). Zartes rosa, leichte kupferreflexe. In der Nase feinduftig mit Noten von Apfel, gelbem pfirsich, Himbeeren und Johannisbeeren. Der Gaumen ist weich, zugänglich, rund, die Säure wirkt mild, kaschiert die dezente Fruchtsüsse. Im Abgang wieder mit Johannisbeeren und einer feinen Kräuternote. Ein stimmiger Rosé für den unkomplizierten Schluck am Nachmittag auf der Terrasse. Jung und kühl geniessen. 17 vvPunkte (86/100)

Die Capichera-Weine sind bei verschiedenen Händlern erhältlich, in der Schweiz unter anderem bei Carl Studer. Weitere Berichte über Wein aus Sardinien findet man hier.

1 Antwort
  1. Katarina
    Katarina says:

    Kleiner Tipp: In der aktuellen Ausgabe 4/2019 der Zeitschrift FINE Das Weinmagazin ist ein interessanter und lesenswerter Artikel über die Tenuta Capichera enthalten.

    Antworten

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