Rückblick auf fucking 2021

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Dieses Jahr ist ja generell und grob gesehen für die Tonne. Absoluter Bullshit, für nichts gut, ganz im Gegenteil: Covid-Leugner, Impfmuffel und Weinbanausen soweit das Auge reicht. Und mit all diesen hat man, als Experte, so generell, immer einen schweren Stand. Mit ersteren hat man, mit etwas gesundem Menschenverstand ein vermeintlich einfaches Spiel – denkt man. Aber leider Fehlanzeige. Auch mit den Impfmuffeln dachte man, sie seien mit genug vernünftigen Argumenten zu überzeugen. Aber auch hier sind die Fronten verhärtet und mit Logik ist dem Ganzen mittlerweile nur schlecht beizukommen. Bleiben noch die Weinbanausen übrig und diese sind mir zwischenzeitlich ans Herz gewachsen, denn ihre Ansichten sind schlussendlich einfach schnurz egal und absolut vernachlässigbar.

Doch fangen wir von vorne an. Die Pandemie kam im Januar erneut so richtig in die Gänge und wir durften alle schön brav zu Hause bleiben. Löckdown – quasi das Gegenteil von luck-up – die Vogel-Strauss Taktik des allgemeinen behavior. Den Lockdown hat wohl jeder unterschiedlich wahrgenommen. Für mich aber, war es das pure Vergnügen – erst mal.

Das war die beste Pizza 2021

Ja, ich genoss das traute Heim, die Stille und Ruhe sowie das Fernbleiben aller Weinbanausen aus meinem persönlichen Umfeld. Und war das erste Jahr der Pandemie noch von Völlerei und weiteren vielen (ok, eigentlich fast allen) Todsünden geprägt, war das 2021 eher von bescheidener Statur. Anstelle von Champagner zum späten Frühstück, Weisswein zum späten Lunch, wieder Champagner zum Apero, einen Kochwein für den Koch und ein feinen Roten zum Abendessen, wurde ganz protestantisch der Verzicht geübt, denn die Pfunde aus 2020 waren immer noch voll auf den Rippen.

So mauserte man sich mit stundenlangen Spaziergängen durch die Wochen und Monate und überlebte weintechnisch so knapp, allerdings stets vom Argusauge der Regierung beobachtet, wenn man wo eingeladen war. Die Highlights waren also rar gesät und wir möchten euch gerne daran teilhaben lassen. Die allermeisten dieser Highlights fanden mit meinem lieben Freund, weintechnischen Mentor und Chef vom Dienst, Mr. Adrian van Velsen statt, der wie vielleicht bekannt, ja wie ich auch ein äusserst lukullisch versierter Mensch ist.

Und so trafen wir uns oft mit genügend Abstand zu den gemeinsamen Erkundigungen der Tiefen von Flaschenhälsen und Studium von Rücketiketten, gepaart mit ein wenig Brot und Spiele.

Und weil das Jahr so bescheiden war, hier unsere Highlights aus fucking 2021. Natürlich ist die Liste nicht abschliessend, denn, ehrlich gesagt gehört da faktisch jede Pulle drauf, die wir getrunken haben. Schliesslich wissen wir ja wie es geht (ho ho ho).

Und so geht es eben (manchmal) #hohoho

Und man könnte hier jetzt einfach so ne Liste machen mit den Top-Noch Weinen, welche unser Planet so hergibt, und uns selbst auf die Schulter klopfen was wir uns, so grosszügig wie wir mit uns selbst gerne sind, auftischten. Aber das wäre zu einfach. Daher haben wir uns in stundenlanger Kleinstarbeit durch die tausenden Flaschenporno-Bilder gewühlt, haben tief gegraben, in unseren Hirnwindungen nach Erinnerungsfetzen gesucht und sind hinabgetaucht in die Tiefen des retronasalen Erinnerungsvermögens. Und das da ist dabei herausgekommen und zwar unter Vorbehalt, dass jeder nur vier Flaschen aufzählen soll, keine einzige mehr. Ok, das mit der Bescheidenheit hat nicht ganz hingehauen. Der van Velsen klotzt dann doch ein wenig vor sich hin. Aber lesen Sie selbst  das ganze mit der dazugehörigen musikalischen Unterstützung.

Adrian trank: 2016, Barolo Cerretta, Giacomo Conterno. Er fand den unglaublich expressiv, der Duft sprang ihm förmlich ins Gesicht – super floral, mit Kräutern, Veilchen, Tee, eine absolute Nasendroge, ein Wein zum Eintauchen, zum Meditieren, zum Niederknien. Im Gaumen seidenweich, eine Delikatesse sondergleichen, ungemein präzis, verspielt, rotfruchtig und top strukturiert, die Tannine sind von höchster Güte, die wohl dosierte Säure belebt. Dieser Wein hat ungemein viel Finesse und Präzision, eine Erhabenheit, die seinesgleichen sucht. Adi träumt damit von 96 Punkten

Ich trank das Jahr ein paar Mal den Terre de Vertus aus 2011 and I’m in Love with that bubble! Wenn man dem Wein etwas Zeit im Glas gibt, so dass er etwas atmen kann und warme Backen kriegt, ist das etwas, wofür sich das Sterben schon fast lohnen würde und ich meinen letzten Flaschen bereits jetzt nachtrauere und mich beim Gedanken ärgere, vom 12er nicht mehr gekauft zu haben, denn davon gibt es faktisch auch fast nichts mehr zu kaufen, denn ich habe mich eben dazu hinreissen lassen. Ich liebe den Scheiss genau so wie Falco – Voll aufdrehen!

Adrian trank: Eine 2019er Meerspinne im Mandelgarten, vom Weingut A. Christmann, ein trockener Riesling GG aus der Pfalz. Die Nase bot ihm einen sensationellen Duft, neben einer faszinierenden Frucht, die an Apfel und Pfirsich erinnert schwingen Curry, Mandelblüten, florale Noten mit, ein Gedicht ist das, man möchte stundenlang schnüffeln. Im Gaumen gradlinig, klar und rein, der Wein zeigt eine grosse Konzentration, bleibt dabei hochelegant. Ein Wow-Wein, mit Zug und Rasse, die Säure ist perfekt eingebunden, alle Elemente sind in ausgezeichneter Balance. Scusmus!

Der Weisswein, der mich am meisten berührte, war ein Chasselas aus 1985 Die Flasche war einfach perfekt und der Wein darin in vielerlei Hinsicht eine kleine Offenbarung. Klar, da staunt man, dass der Wein überhaupt noch lebt. Und dann freut man sich wie ein Kind und studiert ehrfürchtig den Inhalt, dabei bekommt man den Mund vor lauter Ahhs und Ohhs fast nicht geschlossen. Und damit auch Sie etwas davon haben, versuche ich zu erklären wie sowas schmeckt. Erst war da ein richtiger Stinker. Also so ein Muffton, der mässig angenehm riecht. Darum muss man warten bis der verschwindet. Am besten man karaffiert den Wein. Das dauert dann halt solange, wie es dauert. Nach dieser Belüftung kommt dann gaanz langsam der Wein hervor. Er duftet nach Stein, Heu, etwas Blüten und mürbem Apfel. Am Gaumen wunderbar balanciert und immer noch wahnsinnig frisch. Am Tisch waren die meisten bei ungefähr sieben bis maximal 15 Jahren. Der Wein hatte noch Struktur, eine cremige Textur und eine gute Säure. Im Mund dann etwas weisse Frucht, gedörrte Aprikose, Boskop-Apfel, Blüten und Wachs. Liest sich jetzt nicht so wie das grosse Feuerwerk, aber Sie können mir glauben, das war es. Und wenn Sie selbst noch nicht angefangen haben, Chasselas für später zu bunkern, so sollten Sie schleunigst damit anfangen. Rember it is Epic

Dann gab es noch einen Weissen aus derselben Traube, welcher mich flashte wie sonst selten ein Wein und das ist der 10hoch4 von Ziereisen aus 2014. Wer das schon mal im Glas hatte, weiss vermutlich wovon ich spreche. Denn was hier auf die Flasche gezogen wird, ist weltweit wohl einzigartig. Wenn man das blind serviert bekommt, wird man nie im Leben auf die Idee kommen, einen Chasselas im Glas zu haben. Das ist dermassen mineralisch und frisch, dass einem dabei die Synapsen knallen und man kommt von der Idee nicht weg, dass es sich hierbei um einen grossen, weissen Burgunder handelt. Das ist quasi ein Coche Dury für arme. #Windowlicking!

Für mich  gab es irgenwann zur EM diesen Heida von Cave Biber zum Probieren. Und dann war es auch schon um mich geschehen #Heidalove. Wenn ich das Foto nur ansehe, weckt es das Bedürfnis in Keller zu rennen und eine Flasche zu öffnen. Das Zeugs ist richtig erotisch, fast schon ein wenig geil, wenn man das schreiben darf (als täte mich das interessieren). Ja, Mann kennt das aus der Disco. Da steht eine Frau, selten die wirklich attraktivste, aber dafür mit unglaublich erotischer Ausstrahlung – und schon ist es um einen geschehen. So etwas in die Richtung geht der Wein. Denn Walliser Weisse und Heida gehört sonst nicht zu meinem Beuteschema. Zu süss, zu plump und oft zu breit sind mir die Weine. Hier aber, geile Frucht, straffe Säure top balanciert, cremig… ich gehe jetzt in Keller und öffne so eine. Basta! Dazu werde ich mir den Song da reinziehen

Adrian trank auch noch einen 2014, Asteroid, von Didier Dagueneau. Das ist ein Sauvignon Blanc von wurzelechten Reben. Die Nase bietet ein hochkomplexes Duft-Spektakel: Exotische Früchte, Guave, Zitrone, rose Grapefruit, dazu weisser Pfeffer, Brenesseln, getrocknete Kräuter, mit mehr Luft kommen blumige Noten dazu, die an Kamillenblüten erinnern, man könnte stundenlang daran riechen und es wird nicht langweilig. Im Gaumen gradlinig, dicht und konzentriert, lediglich 12% Alkohol und doch enorm druckvoll, top strukturiert, mit messerscharfer Säure ausgestattet, ungemein straff und sowas von präzis, ein Wein voller Energie und Rasse, der im Abgang durch eine erhabene Eleganz besticht und sich zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenfügt. Einziger Wermutstropfen (und das ist nun wirklich Kritik auf höchstem Niveau) ist ein Abgang, der noch etwas länger sein dürfte… In Sachen Balance ist dieser Wein aber kaum zu schlagen. 96/100 vvPunkte und en Kafi bitte. Back to Reality geht’s hier lang

Gemeinsam tranken wir, zum diesjährigen Weihnachtsessen, einen Chateau Palmer aus 2004. Palmer 04 ist ein atemberaubender Wein. Einer der grossen, wenn nicht der grösste Erfolg des Jahrgangs überhaupt. Dieser dichte, purpurfarbene Bordeaux, zeigt eine seltene Kombination aus Kraft, mit erstaunlicher Textur und Fülle. Die kräftigen Noten von Blumen, roten Kernobstsorten und schwarzen Johannisbeeren, Erde, Zedernholz und Tabak sind mühelos zu entdecken. Aber sind der elegante, raffinierte Ausdruck mit seiner Länge und seine wunderbare Reinheit am Gaumen, die den Sieg davontragen. Dieser 04er Palmer ist eindeutig ein Kandidat für den Wein des Jahrgangs. Freddy knows

Und nun ist das Jahr fast zu Ende. Pandemietechnisch stehen wir wieder genau so da wie vor 12 Monaten, wenn nicht noch etwas schlimmer. Geblieben sind uns die Erinnerungen an schöne Momente einer Freundschaft, spannenden Begegnungen und der Einsicht, dass das Leben zu kurz ist, um schlechten Wein zu trinken.

In diesem Sinne, wünschen wir euch einen guten Rutsch, auf bald

Philipp & Adrian

we are ready for 2022!

NB: Die Kolumne gibt die Meinung des Autors Philipp Uehlinger wieder und muss sich nicht mit der Meinung der vvWine Redaktion zu einem bestimmten Thema decken.

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