Grosse Nebbiolo-Weine mit Caratello.

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Im Rahmen eines Workshops, der wie jedes Jahr während dem Caratello-Concerto im Zürcher Dolder stattfand, konnte ich einige Nebbiolo-Weine höchster Güte verkosten. Die Degustation wurde von Toma Nikaj, dem äusserst kompetenten Gastronomieberater von Caratello, souverän geleitet und kommentiert. In einem Jahrgangs-Crescendo, das mit dem 2005er begann und bis zum aktuell erhältlichen Jahrgang 2015 ging, durfte ich einmal mehr die grosse Faszination der Traubensorte Nebbiolo spüren sowie die individuellen Interpretationen der vielfältigen Terroirs der Langhe und der etwas weniger bekannten Region Gattinara kennenlernen. Die Notizen sind wie immer Momentaufnahmen und geben, gerade bei den jüngeren Weinen, nur einen oberflächlichen Eindruck zum jeweiligen Wein.

Zwölf Weine standen zur Caratello-Degustation bereit (c) vvWine.ch

2005, Barolo Bricco Fiasco, Azelia, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Kräftiges, reifes Rubin, leicht orangefarbener Rand. In der Nase reife Pflaume, Veilchen, getrocknete Kräuter, Rauch, kühler Kamin, ein herrlicher Duft. Im Gaumen zugänglich, gut strukturiert, integrierte Tannine, mittlerer Körper, milde Säure, die rote, reife Frucht tanzt mit der Struktur, im Abgang sehr lang, ausgewogen, feinwürzig. Jetzt bis 2028+ 18.5 vvPunkte (92/100)

2005, Barolo Pajana, Domenico Clerico, Piemont, Italien (100% Nebbiolo): Deutlich Trubstoff, dunkle Farbe. In der Nase reif, relativ weit entwickelt, Teer, medizinale Noten, Leder, reife Pflaumen, Weihnachtsgewürze, dezent oxidative Noten, keine einfache Nase aber spannend. Im Gaumen eher karg, mit etwas sprödem Tannin, wirkt nicht top ausgewogen, die Frucht wird den Gerbstoffen nicht ganz mächtig. Endet mittellang, dunkelfruchtig. Etwas gar viel Struktur für die Frucht. Jetzt bis 2026+? 17.5 vvPunkte (88/100)

PS. Ein kleiner Riecher am Glas eines anderen Verkostungs-Teilnehmers verriet mir, dass ich von diesem Wein eine «schwache Flasche» erwischt habe. Die andere Flasche präsentierte sich deutlich schöner und vor allem auch frischer. Somit bestehen gute Chancen, dass man mit diesem Wein auch schönere Erfahrungen machen kann.

2005, Barolo Vigna Colonnello, Aldo Conterno, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Helles Rubin, am Rand mit Orangetönen. In der Nase sehr intensiv, floral, wunderbar duftig, Anflüge von Minze, Schwarztee, eine Hammernase, super-komplex, verspielt, geheimnisvoll und doch einladend offen. Im Gaumen straff, gradlinig, rotfruchtig und druckvoll, die reife Frucht wird von einer sehr guten Säure balanciert, die Gerbstoffe sind fein gewoben, der Weine zeigt Energie, Druck, Eleganz – endet sehr lang, ein Hit! Jetzt (what a treat!) und mit sicher Reserven bis 2027. 18.5 vvPunkte (93/100)

Barolo in allen Varianten: 4x 2005, 1x 2007 und 2008 (c) vvWine.ch

2005, Barolo Roggeri, Oberto – Ciabot Berton, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Reifes Rubin, deutlich Trubstoff. Die Nase wirkt warm reif, zeigt erste Noten von Liebstöckel, Leder, Unterholz. Im Gaumen kräftig, mächtig, reif und voluminös, die Gerbstoffe, sind markant, leicht trocknend, die Säure zwar da, doch irgendwie wirkt der Wein nicht ganz ausgewogen, schwankt zwischen Druck und Floralität, Rustikalität und etwas Grobschlächtigem hin und her. Endet mittellang, deutlich trocknend. Insgesamt doch sehr ausgezehrt, über den Zenith und ohne viel Charme. Trinken. 17.5 vvPunkte (88/100)

2007, Barolo Bricco Voghera Riserva, Azelia, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Reifes Rubin. In der Nase erst gemüsig, Sellerie, Karotte, Petersilie, auch Bratensauce, Weihnachtsgewürze, sehr komplex. Im Gaumen fleischig, rund voluminös aber nicht plump, ausgesprochen feines jedoch markantes Tannin, reife Pflaumenfrucht tanzt mit vielen Gewürzen. Endet langanhaltend und mit tollem Spannungsbogen. Ein sehr gelungener Wein mit viel Eleganz. Jetzt bis 2025. 18.5 vvPunkte (92/100)

2008, Barolo Percristina, Domenico Clerico, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Mittleres Rubin, noch jugendlich. Sehr feinduftig, komplex, verspielt, rotfruchtig, zeigt Finesse. Im Gaumen straff, klassisch, mit Druck aber auch viel Eleganz, die Gerbstoffe sind markant, noch immer nicht einfach zu verkraften, jedoch fein gewoben und von sehr guter Qualität. Hier harmoniert die Struktur mit der Frucht, eine herrliche Säure schwingt mit. Energetisch, klassisch, eigensinnig und sicher nicht für jedermann, denn sowas muss man mögen. I love it! 2020-2030. 18.5 vvPunkte (93/100)

Eindrückliches Gattinara: Nervi by Roberto Conterno (c) vvWine.ch

2015, Gattinara, Nervi di Giacomo Conterno, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Helles Rubin, aufhellender Rand. In der Nase, feinduftig, fruchtig, rote Kirschen, Johannisbeeren und auch Himbeeren, feine Floralität. Im Gaumen weich, zugänglich, fast etwas mollig jedoch nicht schwerfällig, die Gerbstoffe sind bereits gut integriert, die Frucht wirkt reif und dennoch knackig frisch. Im Abgang sehr lang, würzig und mit einem Tick Hitzigkeit. Macht Spass (mit Essen) und kann reifen. Jetzt bis 2032+ 18 vvPunkte (91/100)

2014, Gattinara Vigna Valferana, Nervi di Giacomo Conterno (Magnum), Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Helles Rubin, aufgehellter Rand. In der Nase wie der Basis-Gattinara, aber von allem nochmals mehr, zeigt neben roten Kirschen, Johnannisbberen, Himbeeren auch Walderdbeeren, exotische Gewürze, dezent laktische Noten, auch deutlich Geranien, wow… Man muss das mögen, doch hier kann ich nur schon vom Duft her Eintauchen. Im Gaumen weich, zugänglich, mit Rundungen jedoch nicht schwerfällig sondern sehr elegant, kombiniert Wärme und Frische, Druck und Eleganz. Ein Topwein, gradlinig, mineralisch, geerdet. 2021-2034+ 18.5 vvPunkte (93/100)

2014, Gattinara Vigna Molsino, Nervi di Giacomo Conterno, Piemont, Italien: (100% Nebbiolo). Helles Rubin, heller Rand. Im Gegensatz zum Valferana etwas verhaltener, wirkt strenger, zeigt Tiefe, Komplexität, aromatisch dominieren die Walderdbeeren, die Kirsche mehr im Hintergrund, dazu kommen intensive, florale Noten die auch hier an Geranien erinnern, mit Luft immer expressiver, zeigt viel Spannung. Im Gaumen, weich, anfangs fast harmlos, breitet sich aus, zeigt unglaublich viel Eleganz, seidenweiche Tannine, die Struktur ist da, die Säure hält frisch. Das ist beeindruckend, ein Wein mit Finesse, Eleganz, Rasse, Klasse und Länge… Try it! 2021-2031 19 vvPunkte (94/100)

3x Ravera von Vietti (c) vvWine.ch

2011, Barolo Ravera di Novello, Vietti, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Reifes Rubingranat, mittlere Dichte. Die Nase ist hervorragend, komplex, expressiv, intensiv duftend, rotfruchtig geprägt mit reifer Erdbeere, Johanisbeeren, Gräser. Im Gaumen zugänglich, hat diese 2011er Sexiness (sorry für diesen Ausdruck), man will gleich schlucken. Super feine Textur, die Gerbstoffe sind noch immer markant, jedoch gut auf die Säure abgestimmt, in dieser Kombination trägt die Struktur die reife Frucht in einen ausgesprochen langen, aromatisch spannenden Abgang. Jetzt bis 2030. 18.5 vvPunkte (92/100)

2014, Barolo Ravera di Novello, Vietti, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Helles Rubin, noch jugendlicher Glanz. Die Nase etwas krautiger, grüner anmutend als beim 2011er, das kühle Jahr spricht hier klar, dazu kommt etwas Rauchiges, steinig Kühles. Im Gaumen straff, auch wild, mit leicht trocknendem Tannin, wirkt aktuell strenger als 2011, deutlich weniger zugänglich und im Abgang mit weniger Länge, endet leicht trocknend. Kein grosser Barolo, jedoch ein Wein der früh Spass macht und ein toller Essensbegleiter sein dürfte. Dürfte ab 2020 bis ca. 2028 im optimalen Trinkfenster sein. 18 vvPunkte (90/100)

2015, Barolo Ravera di Novello, Vietti, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Leuchtendes Rubin, sehr feine Nase, einerseits reife, rote Kirschfrucht, mit mehr Luft viele Veilchen, Kräuter, Gräser, ungemein tief, mineralisch, spannungsvoll, eine kleine Droge. Im Gaumen dicht, kraftvoll, noch unnahbar, hier bahnt sich ein kleines Monument an, da sind markante aber reife, fein gewobene Gerbstoffe, dazu eine top integrierte Säure, natürlich noch jugendlich, wild aber mit sehr grossem Potential. Unbedingt liegen lassen. 2025-2038+. 18.5 vvPunkte (93/100)

Zum Abschluss eine kleine aber nicht minder feine Überraschung mit einem Wein, vor dem man niederknien möchte. Toma Nikaj (ich bin sicher, du bekommst deswegen keinen Ärger mit Ueli Schiess) öffnete eine Magnum 2010er Barolo Cerretta von Giacomo Conterno. Dieser Cru stammt aus einer Toplage in Serralunga d’Alba, welche sich auf der anderen Seite des Dorfes befindet und etwas höher gelegen ist, als zum Beispiel Cascina Francia.

Special Guest: Nicht gross, sondern riesig: 2010er Cerretta, ein top Barolo von Giacomo Conterno (c) vvWine.ch

2010, Barolo Cerretta, Giacomo Conterno, Serralunga d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Helles Rubin, leuchtender Glanz. Sensationelle Nase, ein Blütenduft, eine Droge: Rosen, Veilchen, Trockenkräuter, Himbeeren, rote Kirschen, auch Pflaumen, ein Hit, das zeigt Tiefe, viel Steinigkeit und eine enorme Komplexität. Im Gaumen ungemein präzis, finessenreich, ausgewogen, druckvoll und dennoch hochelegant, das tanzt auf der Zunge, zeigt Dichte, Kraft und enorm viel Eleganz. Endet ausgesprochen lang, feinwürzig, rotfruchtig, ein Hit. Was will man hier sagen, schreiben, denken, fühlen? Das ist einfach nur ganz, ganz grosse Barolo-Schule! 19.5+ vvPunkte (97+/100)

Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Firma Caratello für die Einladung bedanken. Die Rahmenbedingungen für die Degustation waren wie immer ausgezeichnet. Jüngere Jahrgänge der präsentierten Weine sind, teils in sehr limitierten Mengen, bei Caratello erhältlich.

3 Kommentare
  1. Rainer Volz
    Rainer Volz says:

    Sehr spannende Notizen, vielen Dank. Wenn ich mir ansehe, was Baroli kosten und was sie dafür bieten, bezweifle ich, ob Baroli noch mithalten können mit den Erwartungen weltoffener anspruchsvoller Weingeniesser. Ich vergleiche Nebbiolo oft mit Pinot Noir. Da zieht der Nebbiolo m.E. sehr oft den Kürzeren (in jeder Hinsicht). Zum Beispiel: Für deutlich weniger als CHF 30 erhalte ich mit dem 2015er Friedlich Becker Spätburgunder „Schweigen“ (Ortslage) einen sehr guten Wein. Welcher zahlbare Barolo kann da qualitativ mithalten? Ich weiss darauf keine Antwort.

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    • Adrian van Velsen
      Adrian van Velsen says:

      Lieber Rainer. Danke für den Kommentar. Was das Preisgefüge angeht, hast du natürlich recht – da sind gewisse Baroli mittlerweile in Sphären abgedrifet, die nicht mehr jeder zahlen will… Hier muss aber jeder selber entscheiden, wie viel ihm eine gute Flasche wert ist. Wenn einer Pinot und Nebbiolo gleichsetzt, dann fährt er mit gewissen Pinot’s sicher günstiger. Aber vergleichen kann man die Sorten natürlich nicht. Manchmal ist mir sehr nach Pinot, manchmal will ich Nebbiolo. Und: es gibt günstige und dennoch sehr schöne Barolo-Weine – wäre mal einen Bericht wert…

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  2. Katarina
    Katarina says:

    Ja, das finde ich auch sehr Schade, dass die guten Baroli leider sehr teuer geworden sind, manche gar unbezahlbar. Mittlerweile weiss man, was der Vite Tali von Sandrone kosten soll. Euro 400, für die Flasche, nicht für die 12er Kiste! Leider nicht meine Liga. Obwohl, probieren würde ich schon gerne mal.

    PSW hat manchmal einen wie ich finde attraktiven Barolo zu einem vernünftigen Preis von Attilio Ghisolfi im Angebot. Leider zurzeit nicht. Vielleicht kommt mal wieder was rein. Wäre schön, denn im Herbst muss es auch mal ein Barolo sein bei uns.

    Geht das anderen auch so, Barolo können wir nur im Herbst und Winter trinken, im Frühling und Sommer schmeckt er einfach nicht? Doch, schmeckt schon, passt aber irgendwie nicht. Spargeln mit Barolo, hä?

    Interessanter Vergleich, Pinot Noir und Nebbiolo. Beide brauchen viel Aufmerksamkeit im Rebberg und beide können sehr gut, die Besonderheiten der Lage wiederspiegeln. Aber im Glas? Na wie auch immer, Pinot Noir geht das ganze Jahr über, Nebbiolo schmeckt uns wie gesagt nur zur kalten Jahreszeit.

    Aber bitte, pssst, das mit den tollen DE Pinots zu günstigen Preisen, ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Gott sei Dank wissen noch nicht viele, wie viel Weingenuss man in DE ins Glas bekommt, wo man dafür im Burgund das Doppelte oder gar Dreifache zahlen müsste. Und das Schöne am Klimawandel ist, heute reift der Spätburgunder in Deutschland so gut wie immer vollständig aus.

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