Siddura – Tradition und Innovation.

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Angefangen hat alles mit zwei Vermentino-Musterflaschen, die ich diesen Sommer verkostet habe. Die Qualität dieser beiden Weissweine hat mich sehr beeindruckt (die Verkostungs-Notizen sind hier nachzulesen) und so beschloss ich, während meinen Herbstferien das Weingut Siddùra zu besuchen.

Massimo Ruggero erzählt die Geschichte von Siddùra (c) vvWine.ch

Siddùra befindet sich im Nordosten von Sardinien inmitten der einzigartigen und ziemlich wilden Landschaft von Gallurien. Unweit vom Örtchen Luogosanto gelegen (übersetzt «Heiliger Ort» und genau der Ort, wo meine lieben Nachbarn seit kurzem einen alten Bauernhof erworben haben) verfügt Siddùra heute über 200 Hektar Land wovon rund 40 Hektar mit Weinreben bepflanzt sind. Mit 250 Tsd. Flaschen Jahresproduktion gehört Siddûra damit zu den grössten Weingütern Sardiniens. Der Name Siddùra leitet sich vom gallurischen Wort «Pferdesattel» ab, bedeutet aber auch «verborgener Schatz».

Siddùra ist aufgrund einer Begegnung zweier Menschen entstanden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite ist da der Deutsche Nathan Gottesdiener, ein Unternehmer, der unter anderem mit Vermögensverwaltung zu viel Geld gekommen ist. Auf der anderen Seite Massimo Ruggero, ein richtiger «Gallureser», der schon mit elf Jahren in einer Wein-Cantina gearbeitet hat, heute ebenfalls Unternehmer ist, wenn auch «mit deutlich bescheideneren finanziellen Mitteln», wie er mir bei unserem Besuch auf Siddùra mit einem Augenzwinkern erzählt. Was beide Männer verbindet ist die Passion für Wein und das Glück, ein traditionelles Landgut mit antiker Seele in dieser wunderbaren Ecke von Gallurîen entdeckt und erworben zu haben.

Aussicht vom «historischen Haus» aus auf die Weinberge (c) vvWine.ch

Massimo erzählt mir, dass «nicht die Menschen das Land, sondern das Land die Menschen ausgewählt hat». Eine richtige Berufung sei es für die beiden geworden, das riesige Weinpotential des Siddùra-Tals auszuschöpfen und künftig hochwertige Qualitätsweine zu erzeugen. Dabei legen sie viel Wert auf maximalen Respekt für die Natur, die Felsen, die Pflanzenvielfalt, die Wildtiere und die Wasserressourcen. Zum Schutz der Pflanzen werden beispielsweise Algen statt Kupfer gespritzt.

Die geografische Lage des Siddùra-Tals verleiht den Rebbergen ein aussergewöhnliches Mikroklima. Die umliegenden Berge schützen die Pflanzen vor den teils bissigen Ost- und Mistralwinden, lassen aber dennoch zu, dass die abgeschwächten Winde die salzige Luft vom Meer in die Weinberge transportieren und so die sommerliche Hitze mildern. Die Weinberge sind von Kork- und Steineichenwäldern, mediterraner Macchia und Olivenhainen umgeben. Sie wurzeln mehrheitlich auf sandigen Böden, welche durch die Granit-Verwitterung entstanden sind. Die Kargheit der Böden verleiht den Weinen stets eine mineralische Note. Die Rebflächen für den weissen Vermentino liegen auf rund 200 bis 300 Metern über Meer, die roten Sorten Cannonau, Cagnulari, Sangiovese und Cabernet Sauvignon auf Höhenlagen von rund 300 bis 400 Metern.

Sandige Böden, verwitterter Granit (c) vvWine.ch

Auf Siddùra treffen Tradition auf Innovation aufeinander. In den Weinbergen kommt ein intelligentes Überwachungssystem zum Einsatz, das hier «sprechende Pflanzen» genannt wird. Das System wurde in Israel entwickelt, wo extreme Landwirtschaftbedingungen schon lange zur Normalität gehören. Es überwacht den physiologischen Stress und erkennt Krankheiten frühzeitig. Das ermöglicht die Pflanzenschutzmassnahmen zu minimieren und den Wassereinsatz gezielt auf das Bedürfnis jeder einzelnen Pflanze auszurichten. Flankiert wird dieses System mit einer Wetterstation, die mikroklimatische Schwankungen im Rebberg überwacht und die gewonnenen Daten in Echtzeit an den Agronomen überträgt, der so die nötigen Arbeits-Schritte optimal einschätzen kann.

Modernes Dach auf einem traditionellen Fundament (c) vvWine.ch

Die historischen Gebäude, allen voran «das ursprüngliche Haus» erlebten durch Nathans und Massimos Investitionen eine wahre Renaissance. Das liebevoll restaurierte Haus liegt an einer herrlichen Panoramalage und bietet Raum für Begegnungen – wie wir selber während einem wunderbaren Mittagessen erleben durften. Ebenso eindrücklich ist die rund 900m2 grosse Kellerei, welche auf drei Seiten in die Erde eingelassen ist, so dass die Wärme durch ein geothermisches System aus der Erde gewonnen werden kann. Die sichtbaren Fassaden sind bewusst nach Norden ausgerichtet, von wo aus die kühleren Winde kommen. Mit speziell dafür eingesetzten, schmalen Rinnen am grossen Eingang kann eiskalte Luft in den Keller dringen. Auf diese Weise bleibt die Innentemperatur das ganze Jahr über konstant bei 15 bis 17 °C und ist somit ideal für die Weinproduktion.

Das «S» soll helfen, die Weine in den Verkaufsregalen wiederzuerkennen (c) vvWine.ch

Ein junges, professionelles und hochmotiviertes Team rund um den Önologen Dino Dini und den Agronom Luca Vitaletti, beide aus der Toskana stammend, keltert aktuell Neun verschiedene Weine. Drei Variationen des Vermentino, drei des Cannonau, dazu ein Cagnulari (in Spanien nennt man die Sorte Graciano) sowie einen Passito Moscato di Sardegna und eine Cuvée im internationalen Stil. Ich genoss die Weine während unserem gemeinsamen Mittagessen im historischen Haus. Meine Notizen sind darum nur sehr oberflächlich. In diesem Fall zählt aber klar die ganze Geschichte, nicht die einzelne Verkostungsnotiz…

Stockinger-Fass als Experiment: Eine Probe des jüngsten Sangiovese-Jahrgangs verspricht einen leckeren Tìros (c) vvWine.ch

2018, Spèra, Vermentino di Gallura DOCG, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (Der Name leitet sich aus dem gallurischen Dialekt ab und bedeutet «Lichtstrahl durch die Wolken». 120 bis 150 Tsd. Flaschen werden von diesem Apéro-Wein produziert, was rund der Hälfte der gesamten Produktion entspricht). Feinduftig, mit Noten von Pfirsich, Mandelblüten und Zitrusfrüchten. Im Gaumen frisch, mit weicher, leicht cremiger Textur und einer saftigen Säure. Endet auf Limette und Mandeln. 17.5 vvPunkte (88/100).

2018, Maìa, Vermentino di Gallura DOCG, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (Der Name bedeutet in gallurisch «Magie, Zauber». Die Trauben stammen von den ersten bepflanzten Rebflächen. Nach dem Entrappen und einer sorgfältigen Selektion bleiben sie 2-3 Tage bei niedrigen Temperaturen zwischen 4 und 7° C im Edelstahltank, bevor sie gepresst werden. Dies ermöglicht die Extraktion von wertvollen Aromen, welche in den Schalen enthalten sind. Verwendet wird nur der Most der ersten Pressung, der dann auf den Hefen zehn Monate bis ein Jahr in Edelstahltanks ruht. Produktion rund 7’000 Flaschen.) Kräftiges Gelb. Reife, gelbe Früchte, sehr expressiv und aromatisch exotisch anmutend. Im Gaumen mit eindrücklicher, süsser Frucht, sehr reichhaltig, die 14.5% Alkohol aber gut verpackt. Endet langanhaltend und mit einer intensiven Aromatik, die an Ananas und reife Mango erinnert. Trotz viel Dichte und Kraft hat der Wein Trinkfluss. 18 vvPunkte (90/100).

Die verkosteten Weissweine (c) vvWine.ch

2018, Nudo, Cannonau di Sardegna DOC Rosé, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (Der Name bedeutet «nackt» und der Wein ist die jüngste Kreation des Teams. Der erste Jahrgang war der 2017er und er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Verkaufsschlager. Um diesen Rosé herzustellen, besuchte der Önologe Dino Dini die «Meister des Rosés» in der Provence. 100% Canonau, rund 12’000 Flaschen). Zartes Lachsrosa. Sehr feinduftige Nase, Erdbeeren, Zitrusfrüchte, ein Hauch eingelegte Zwiebel, getrocknete Lavendelkräuter. Im Gaumen saftig, frisch, dezent cremig, ungemein frisch, zeigt Konzentrtion aber auch Eleganz, dezente Gerbstoffstruktur. Endet angenehm lang und ohne jegliche Hitzigkeit. Ein sehr gelungener Rosé. 17.5 vvPunkte (89/100).

2016, Bèru, Vermentino di Gallura DOCG Limited Edition, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (Der Name Bèru steht für «edel, wahr, echt». Es werden lediglich 4’000 bis 5’000 Flaschen produziert. Die Trauben, 95% Vermentino, 5% Chardonnay stammen von einer sehr kleinen Parzelle mit einem Ertrag von nur 50 Doppelzentnern Trauben pro Hektar. Die alkoholische Gärung passiert während 10 bis 12 Tagen in kleinen französischen Eichenfässern bei einer Temperatur zwischen 15 ° und 18 °C. Anschliessend wird der Wein 12 Monate lang in französischen Eichenfässern der ersten, zweiten und dritten Belegung ausgebaut.) Intensives Gelb. In der Nase deutlich vom Holz geprägt, zeigt viel Vanille, Nüsse, kandierte Zitrusfrüchte, Gewürze. Im Gaumen strukturiert, dicht, kraftvoll und mit einer wohl gewollten Üppigkeit, das Holz ist hier deutlich besser verpackt als die Nase vermuten lässt, stützt zusammen mit einer guten Säure die Frucht. Sehr langanhaltend im Abgang. Mehr Kraft als Eleganz, einwandfreie Qualität. 18 vvPunkte (90/100).

Ein reichhaltiges Mittagessen rundete unseren Besuch ab (c) vvWine.ch

2016, Èrema, Cannonau di Sardegna DOC, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (100% Cannonau, 100% Stahltank. Der Name entstammt der Sprache der Etrusker und bedeutet «kleine Pflanze» aber auch «Einsiedler», da die Rebe zur Familie der Lianen gehört und in der Natur dazu neigt, sich vom Rest der Vegetation abzusondern.) Intensive Nase, sehr reife Kirschfrucht, dazu etwas Myrte, auch Lakritze, braucht etwas Zeit sich zu öffnen. Im Gaumen weich, wirkt duch die hohe Ausschank-Temperatur etwas behäbig, nach dem Runterkühlen dann kein Vergleich mehr: fruchtbetont mit feinen Gerbstoffen, einer weichen Textur und im angnehm langen Abgang rotfruchtig sowie mit ätherischen Noten und Kräutern. 17.5 vvPunkte (88/100).

Bàcco: etwas vom Besseren was ich in Sardinien in Rot probieren durfte (c) vvWine.ch

2016, Bàcco, Isola dei Nuraghi IGT Cagnulari, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (100% Gegnulari. Der Name leitet sich vom griechischen Weingott ab. Die Sorte Cagnulari ist gemäss Siddùra eine autochthone Rebsorte Sardiniens, gemäss meinen Analysen aber handelt es sich um die in Spanien als Graciano bekannte Sorte. Sie macht knapp 1% der Rebfläche der Insel aus. Die Beeren haben eine dünne Schale und müssen daher sehr sorgfältig behandelt werden. Die Phenol-Komponente der Tannine des Cagnulari ist besonders seidig und benötigt eine lange Mazerati. Der Bàcco wird während 18 Tagen bei einer kontrollierten Temperatur von etwa 24 °C vergoren. Anschliessend wird der Wein etwa 12 Monate in Edelstahl ausgebaut, um das besondere Aroma dieser Rebe garantiert zu bewahren. Vom 2016er wurden 6’800 Flaschen produziert). Dichtes Rubin. In der Nase viele Kräuter, rauchig, Eukalyptus, Blutorangen, Lorbeer, herrliche Komplexität. Im gaumen füllig, kraftvoll, sehr gut strukturiert, zeigt Üppigkeit und reife Frucht, dazu viel Würze, de Wein hat Energie und viel Charakter, ein super feines Tannin und eine beeindruckende Vertikalität. Fantastisch, langanhaltend, fast schon burgundisch anmutend. Quasi der Cornalin Sardiniens. 18.5 vvPunkte (92/100).

Die verkosteten Rot- und Süssweine (c) vvWine.ch

2015, Tìros, Colli del Limbara IGT (limited edition), Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (Ein Blend aus 75% Sangiovese und 25% Cabernet Sauvignon. Ein Super Sartus quasi. Die besten Trauben werden sorgfältig von Hand gelesen, entrappt und einige Wochen in Stahltanks mazeriert. Danach wird der Wein in kleine französische Barriques ausgebaut). Kräftigs Rubin. Intensive Nase, viele Brombeeren, schwaze Kirschen, Pflaumen und schwarze Johannisbeeren, dazu Kräuter, florale Noten und etwas Oliven. Im Gaumen sehr strukturiert, füllig, dicht und konzentriert, ein eindrückliches Volumen triftt hier auf eine massive Struktur, sehr feines Tannin, lebendige Säure. Ein Wein mit Power und Länge. International im Stil. 18.5 vvPunket (92/100).

Massimo Ruggero von Siddùra (c) vvWine.ch

2016, Nùali – Moscato di Sardegna Passito DOC, Siddùra, Gallurien, Sardinien, Italien (Nùali bedeutet im Dialekt der Gallura «Neues», zuletzt geborenes, ungeborenes Kind. Die jungen Knospen einer Pflanze werden ebenfalls «nùali» genannt. Der Wein wird aus am Stock eingetrockneten Moscato-Trauben gekeltert. Diese werden spät, in zwei Durchgängen gelesen, um die für einen Süsswein nötige Zuckerkonzentration zu erreichen. 8 Monate im Edelstahltank ausgebaut. Produktion 2’500 Flaschen à 37.5 cl.) Intensive Nase, viel Pfirsich, auch exotische Früchte, Nüsse, Mandeln, Aprikosen und Williamsbirne. Im Gaumen füllig, sehr intensiv, eine top Säure balanciert die reife, süsse Frucht, Stutendenfutter, gedörrte Aprikosen, Feigen, Nüsse im langen Abgang. Ein top Moscato Passito. 18.5 vvPunkte (93/100).

Massimo Ruggero vor seinem Keller (c) vvWine.ch

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Massimo und das ganze Team. Unser Besuch auf Siddùra war ein eindrückliches Erlebnis, das wir nicht so schnell vergessen. Die Weine sind in der Schweiz, Deutschland bei verschiedenen Händlern erhältlich, in Österreich bei Vicampo. Preislich liegen sie zwischen ca. 13 Franken/Euro (Spèra) und rund 35 bis 50 Franken/Euro (Tìros). Weitere Berichte über Wein aus Sardinien findet man hier.

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