Klassische Barolo-Weine von Oddero

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Heute möchte ich den Fokus auf ein Weingut legen, das in den letzten Jahren grosse, qualitative Fortschritte gemacht hat und heute äusserst feine, klassische Barolo-Weine produziert. Oddero ist ein historischer, sehr renommierter Barolo-Betrieb mit Sitz in Santa Maria di La Morra. Seit jeher als Familienbetrieb geführt, wurde der Grundstein für Oddero durch Giovanni Battista Oddero (1794 -1874) gelegt. Unterstützt durch seine Söhne Lorenzo (1821-1903) und Luigi (1832-1893) verstanden er es, das riesige Potenzial der Region Barolo schon vor rund 200 Jahren voll auszuschöpfen.

Von La Morra in die grosse, weite Welt hinaus.
Die eigentliche Geburtsstunde der Poderi e Cantine Oddero war im Jahr 1878. Damals wurde die erste dokumentierte Rechnung gestellt: der Verkauf einer gewissen Menge Barbera nach Mailand. Ab diesem Moment wurde der Betrieb kontinuierlich ausgebaut. Mehrere Briefe von Lorenzo’s Sohn Giaccomo Oddero belegen, dass bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts Barolo-Weine von Oddero in kleinen Fässern nicht nur nach Turin, Mailand, Genua und Rom, sondern auch nach Vichy, Zürich, Lugano, London und sogar nach Amerika verkauft worden sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Giovanni Oddero (1894-1951), das zweitgeborene Kind von Giacomo das Weingut. Zusammen mit seinen Söhnen Giacomo (1926) und Luigi (1929) wurden die Verwüstungen, welche durch den Krieg entstanden sind, beseitigt und durch die Reblaus-Krise notwendig gewordene Neupflanzungen gemacht. In dieser Zeit wurde viel investiert und ein grosser Teil des Kapitals floss in den Zukauf von weiteren, wichtigen Nebbiolo-Lagen: so Brunate in La Morra, Rocche di Castiglione, Villero und Fiasco in Castiglione Falletto, Vigna Rionda und Collaretto in Serralunga d’Alba, Bussia-Vigna Mondoca in Monforte d’Alba, Vinchio d’Asti (Barbera), Capalot und Roggeri in Santa Maria di La Morra und schliesslich die Barbaresco-Lage Gallina in Neive.

Mariacristina Oddero, stets fokussiert und interessiert, leitet seit 2005 die Geschicke das Weingutes (c) vvWine.ch

Die neuen Generationen setzen auf Bio.
Im Jahr 2005 wurde Oddero in weibliche Hände gelegt. Giacomo übergab die Leitung des Gutes in die Hände seiner beiden Töchter Mariacristina und Mariavittoria. Die beiden Frauen führen die lange Familientradition seither weiter, legen zusätzlich aber noch mehr Wert auf den Einklang von Natur und Weinbau. Zwischen 2007 und 2015 kamen weitere Vertreter der jüngsten Generation hinzu: Isabella, Tochter von Mariavittoria übernahm die Verwaltung und Vermarktung und auch Pietro, Sohn von Mariacristina, bringt sich heute aktiv und durchaus humorvoll in den Betrieb ein.

Im Jahr 2008 begann die Poderi e Cantine Oddero damit, biologische Praktiken einzuführen. Jahr für Jahr wurden die Methoden und das Verständnis für ökologischen Weinbau verfeinert und 2011 hat Oddero die Umstellung auf Bio für den Grossteil ihre Nebbiolo-Weinberge beantragt. Seit 2017 sind achtzehn Hektar Nebbiolo-Weinberge biologisch zertifiziert und auch die anderen Lagen werden in den nächsten Jahren offiziell bio-zertifiziert sein. Mariacristina, eine Frau mit wissenschaftlichem Hintergrund, erklärte uns während dem Mittagessen, dass das Team daran arbeitet, die Hefen aus den eigenen Rebbergen zu kultivieren, damit diese im Falle eines komplizierten Jahrgangs zur Impfung der Maische eingesetzt werden können. Tradition und Natürlichkeit sowie Innovation und Technologie geben sich bei Oddero also die Hand.

Die Lagen und Weine.
Heute besitzt die Poderi e Cantine Oddero Weinberge, die sich auf über 40 Hektar erstrecken. Mehr als die Hälfte davon ist mit Nebbiolo bepflanzt. Jährlich produziert der Familienbetrieb ca. 180 Tsd. Flaschen Wein. Das Sortiment umfasst acht verschiedene Weine: die mengenmässig wichtigste Etikette und quasi Aushängeschild des Betriebes ist der Barolo DOCG (mit ca. 40 Tsd. Flaschen pro Jahr die klar grösste Produktion), dazu werden Barbaresco DOCG, Langhe Nebbiolo DOC, Barbera d’Alba DOC, Barbera d’Asti DOCG, Dolcetto d’Alba DOC, Langhe Bianco DOC und Moscato d’Asti DOCG gekeltert. Weiter produziert Oddero 6 Einzellagen-Weine: in der Barolo-Zone die Lagen Vignarionda (mit 2660 Flaschen jährlich die kleinste Produktion), Bussia Vigna, Mondoca, Brunate, Rocche di Castiglione, Villero sowie in Barbaresco der Cru Gallina.

Klassische Barolo-Weine mit Niveau (c) vvWine.ch

Im Rahmen eines authentisch zubereiteten, piemontesischen Mittagessens im Restaurant des Zunfthaus zum Rüden hatte ich die Chance, zusammen mit einer Handvoll anderen Pressevertretern, acht Barolo-Weine sowie ein Weisswein von Oddero zu probieren. Nachfolgend meine Eindrücke, welches wie immer Momentaufnahmen sind.

2015, Langhe Bianco DOC, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (mehrheitlich Riesling, dazu Chardonnay, im Stahltank ausgebaut. Der Wein wird zukünftig Langhe Riesling heissen). Mittleres Gelb, schöner Glanz. Offene Nase, gelbe Frucht, Apfel, Pfirsich, steinige Noten, gute Komplexität. Im Auftakt saftig und frisch, da ist eine knackige Frucht die an Apfel und Zitrusfrüchte erinnert, strukturiert, dicht aber ohne jegliche Schwerfälligkeit, sehr schöne Säure. Im Abgang von mittlerer Länge, macht Lust auf den nächsten Schluck. Ein gelungener Weisswein mit angenehm viel Trinkfluss. Jetzt bis 2021 geniessen, 17.5 vvPunkte (88/100).

2013, Barolo DOCG, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo aus den beiden LaMorra Lagen Capalot und Bricco Chiesa sowie aus der Lage Fiasco in Castiglione Falletto). Mitteldichtes Rubin. In der Nase von mittlerer Intensität, sehr sortentypisch, rote und dunkle Beeren, Kirschen, etwas Süssholz, getrocknete Rosen, dezent Rauch und Kräuter, sehr gute Komplexität. Im Auftakt warm und weich anmutend, dann zeigt der Wein rasch seine Zähne, markante, ja fast etwas harsche Gerbstoffe, gut integrierte Säure, noch jugendlich, etwas wild wirkend, gut strukturiert, aromatisch mit roten Beeren, reife Frucht, würzige Aromen, etwas Süssholz, mittlere Komplexität. Im Abgang eher kurz, endet pfeffrig, kann reifen. 2019 bis 2028 geniessen, 17.5 vvPunkte (89/100). Für mich heute ein sehr klassischer, charaktervoller und noch jugendlicher Barolo-Mann, diskret aber elegant gekleidet.

Sowohl der Weisswein als auch der Basis-Barolo passten hervorragend zum Carne Cruda (c) vvWine.ch

2013, Barolo DOCG Villero, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo, von kompakten, tonhaltigen Böden an einer südlich ausgerichteten, eher warmen Lage). Leuchtendes Rubin, aufgehellter Rand. Feinduftige Nase, dunkelfruchtig, floral, zeigt viele Veilchen, dazu ätherische Noten, Teer, Rauch, Nelken, wunderbar verspielt. Im Auftakt anfangs ruhig und zugänglich, ungemein feinmaschiges Tannin, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, die süsse, reife Frucht wird getragen von einer saftigen Säure, die dunkle Frucht wird ergänzt durch Orangenzesten, Kirschen, Hagebutten, charaktervoll, klassisch und gleichzeitig auch mit exotisch anmutenden Aromen, wird mit Luft immer spannender, extravertierter. Im Abgang angenehm lang und sehr harmonisch. Jetzt bis 2030+, 18 vvPunkte (91/100). Für mich heute ein bunt gekleideter, lebensfroher Künstler mit langem Haar. 

2013, Barolo DOCG Brunate, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo). Leuchtendes Rubin. Expressive, intensiv duftende, fast schon parfümierte Nase, viele Rosen, Veilchen, dazu Süssholz, ein Hauch Kaffee, dahinter Pflaumen, Kirschen, Gewürze, sehr komplex und ausladend, ein Schnüffelwein. Ungemein feiner, weicher Auftakt, mittelkräftiger Körper, reife, rote Kirschfrucht getragen von ausgesprochen feinmaschigen Tanninen. Ausgesprochen gut strukturiert, dicht, präzis und sehr elegant, wird mit Luft immer würziger, umgarnt die Zunge wie ein Seidentuch, wechselt hin und her zwischen Kraft und Feinheit. Im Abgang von wunderbarer Länge, hat sehr gute Reserven. Jetzt bis 2033+, 18.5 vvPunkte (93/100). Für mich heute eine ungemein ausdrucksstarke, energiegeladene Ballerina im rosa Kleid.

Ebenfalls sehr gelungen waren die Agnolotti (c) vvWine.ch

2011, Barolo DOCG Brunate, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo). Helles Rubin. Warm anmutende Nase, sehr duftig mit vielen reifen Kirschen, Rhabarber, Gewürzen, darüber florale Noten die an Veilchen und getrocknete Rosen erinnern, sehr komplex und ausladend. Anfangs etwas straffer Auftakt, dann weicher werdend, feines, bereits gut eingebundenes Tannin, mittlerer Körper, gute Struktur, sehr reife Frucht, dazu eine moderate Säure, der Wein zeigt einiges an Schmelz, am mittleren Gaumen auch eine dezente Bitternote, die sich bis in den angenehm langen Abgang hineinzieht. Der 2011er wirkt insgesamt etwas weniger ausgewogen als der 2013er Brunate sowie die älteren Jahrgänge. Auf den ersten Blick zwar sehr schön, doch fehlt es hier etwas an Substanz und Reserven, besser nicht zu lange liegen lassen. Jetzt bis 2027 geniessen. 18 vvPunkte (91/100). Für mich heute die etwas stark parfümierte Dame im Pelzmantel.

2009, Barolo DOCG Brunate, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo). Leuchtendes Rubin. Anfangs leicht reduktive aber ungemein tiefe Nase, zeigt Gummi, Teer, wirkt fast etwas verbrannt, das ist ein Wein der viel Luft braucht. Mit der Zeit öffnet sich der Wein, wird komplexer, zeigt ein Duftbild das an Holzkohle, dunkle und rote Kirschen, getrocknete Blumen, Tabak und Leder erinnert, äusserst spannend und komplex. Der Gaumen beginnt erstaunlich zugänglich, ein Mund voll Wein, wird am mittleren Gaumen kantiger, dichter, strukturierter, reifes, etwas staubiges Tannin, der Wein hat Ecken und Kanten, zeigt eine warme Frucht und viel Charakter, das wirkt charaktervoll, maskulin, fast etwas wild und auch ein wenig hitzig, zeigt aber sehr gute Reserven. Jetzt bis 2032+, 18.5 vvPunkte (93/100). Für mich heute der temperamentvolle Geschäftsmann mit Strohhut und Zigarre.

Würzig und saftig: Brasato di manzo al barolo (c) vvWine.ch

2004, Barolo DOCG Brunate, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo). Dunkles Rubin, der dichteste Wein der Runde. Reife, offene Nase, zeigt eine deutliche Evolution, Tabak, Leder, Unterholz, Rauch, Jod, Apothekerschrank, angenehm tief und nobel, verändert sich positiv im Glas. Weicher Auftakt, vollmundig und dicht, strukturiert und noch immer mit markanten Gerbstoffen, diese sind etwas flockig, aromatisch mit dunklen Pflaumen und Kirschen, Lebkuchengewürzen, das Gerbstoffgerüst tendiert die Frucht etwas zu überlagern, im Abgang von sehr guter Länge, endet allerdings etwas karg. Insgesamt fehlt es hier etwas an Finesse, doch Reserven sind nach wie vor vorhanden. Jetzt bis 2025 geniessen und unbedingt etwas Luft geben. 18 vvPunkte (91/100)

2007, Barolo DOCG Vignarionda, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo). Reifes Rubin, orangefarbener Rand. Offene, sehr duftige Nase, herrlich komplex, würzig, ausladend, mit eingekochten Kirschen, Pflaumenkompott, Gewürzen, kandierten Früchten, Süssholz, ein Schnüffelwein zum Eintauchen. Weicher Gaumenauftakt, angenehm vollmundig und mit warmer Frucht, wirkt opulent, vollmundig und sehr gut strukturiert, die Gerbstoffe sind markant, reif und rund, mittlere Säure, das warme Jahr ist erkennbar, dennoch zeigt der Wein erstaunlich viel Eleganz. Aktuell auf dem Genuss-Peak, den er sicherlich noch ca. 10 Jahre halten dürfte. Müsste ich heute einen der Weine öffnen, es wäre dieser da. Jetzt bis 2028. 18.5 vvPunkte (93/100). Für mich heute die charmante und unterhaltsame Dame mit Rubensfigur.

Aktuell ein Hit und dennoch mit Reserven: Barolo Vignarionda 2007 von Oddero (c) vvWine.ch

2006, Barolo DOCG Vignarionda, Poderi e Cantine Oddero, Piemont (100% Nebbiolo). Helles Rubin, wirkt jünger als der 2007er. Rotfruchtige Nase, sehr tief. Gräser, Kirschen, Schwarztee, Veilchen, Gewürze, mineralische Noten, dahinter auch Aromen die mich an Tomatenstile erinnern, verspielt, eigenständig, charaktervoll. Im Auftakt schlank und straff, ja fast karg wirkend, der Wein wirkt reserviert, will sich erst nicht zeigen. Nach ca. 20 Minuten im Glas öffnet sich der Wein mehr und mehr, wird zugänglicher, zeigt zunehmend Frucht, wirkt präzis und klar, sehr gut strukturiert, feinstes Tannin, perfekte Säure, charaktervoll und noch jugendlich, die rotfruchtigen Aromen dominieren, eine wunderbare Würze schwingt mit. Im Abgang sehr lang und finessenreich, endet auf Zartbitterorangen. Nein, kein einfacher Kumpane, ein Langstreckenläufer, ein Wein für geübte Barolo-Trinker. Jetzt (mit viel Luft) bis 2034 geniessen, 19 vvPunkte (94/100). Für mich heute ein Athlet auf dem Hochseil, bei dem ich nur hoffe, dass er nicht runterfällt.

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Die Oddero-Weine sind in der Schweiz beim Weinhaus Küssnacht und in Deutschland bei Kierdorfwein erhältlich.

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  1. […] Jahr 2018 durfte ich zusammen mit Mariacristina Oddero einige Weine dieses traditionsreichen Weingutes probieren – damals noch entspannt bei einem […]

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