Der Riesling des Jahres 2009 im verflixten siebten Jahr

Das Jugendstil-Etikett aus dem Jahre 1905 zeigt den römischen Kaiser Probus © vvWine.ch
Der Riesling auf der Mauer 2009 vom Geheimrat Bassermann-Jordan ist ein gefeierter Star. 2010 bei der wohl grössten, jahrgangsbezogenen Rieslingdegustation, durchgeführt von der Zeitschrift „Weinwelt“, wurde dieser Wein aus 1300 Kandidaten zum Riesling des Jahres gekürt. Und dies blind, wohlverstanden. Das verspricht einiges, besonders nach verflixten sieben Jahren Flaschenreife. 

Doch wie kam ich dazu? Zur Zeit bin ich im Begriff, meine gesamte Weinsammlung auf Cellartracker zu erfassen und jede einzelne Flasche mit einem Strichcode zu versehen. Dies bedeutet zwar eine Menge Arbeit, doch das Schöne daran ist, bei heissen Temperaturen wieder einmal richtig viel Zeit im kühlen Weinkeller verbringen zu dürfen. 

Durch glückliche Fügung konnte ich kürzlich zwölf Flaschen des Eingangs erwähnten Rieslings aus erstklassiger Lagerung ergattern. Bei der akribisch genauen Erfassung der 12 Flaschen, bei welcher jede einzelne Flasche mit einem kleinen Sticker versehen wird, bemerkte ich, dass ich bislang noch nicht alle Zwölf der besagten Flaschen im Bestand hatte und trotzdem schon alle Kartons und Kisten angebrochen waren. 

Somit war das Urteil gefällt: Heute gibt’s Riesling. Nach getaner Arbeit habe ich die Flasche aufgezogen und rund eine Stunde im Kühlschrank auf Temperatur gebracht. Ich notiere:

 

Helles Strohgelb im Glas, schöner Glanz. In der Nase: verschlossen. Nein, wirklich? Ich dachte, da würde nach einer Stunde Luft schon ordentlich was kommen, aber nix da. Auch im Gaumen wenig Frucht, sehr dominante Säure, mineralisch, eine äusserst karge Sache, nicht wirklich ausgewogen. Und das soll nun der Riesling des Jahres 2009 sein? Wenigstens ist da noch ordentlich Säure im Spiel, ansonsten hätte ich vermutet, dass der Zenit bereits überschritten ist.

 

Riesling auf der Mauer 2009 © vvWine.ch

 

Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt: nach weiteren Minuten Luft und unzähligen Schwenkern kommt doch etwas und dieses Etwas entwickelt sich zunehmend sehr schön… In der Nase Zitrusfrüchte, Apfel und auch ein bisschen Rauch, feuchter Stein mit leichter Petrolnote, gute Komplexität. Im Gaumen sehr saftig, wieder Apfel, Honig und eine dezente Grapefruitnote. Die kaum wahrnehmbare Extraktsüsse wird durch die immer noch sehr präsente Säure in Zaum gehalten. Gute Struktur, mittlere Dichte, frisch, saftig, präzise und mineralisch, der Holzausbau ganz dezent spürbar, sehr gute Komplexität. Langer Abgang, begleitet von rotem Apfel und reifem Steinobst. Das macht mit etwas Zeit und Luft mehr und mehr Spass, auch wenn der Anfang etwas gar holprig war. Und Reserven für ein paar Jahre sind allemal da, wenn sich die Säure mit der Zeit noch etwas harmonischer einbindet, könnte sich dieser Tropfen sogar noch etwas steigern. Aktuell 18 vvPunkte (91/100).
 
Der Jahrgang 2009 ist im Handel nicht mehr erhältlich. Den aktuellen Jahrgang findet man für moderate CHF 22.50 bei Boucherville in Zürich.
Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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