Alpiner Brückenschlag: Südtiroler Wine & Dine im Maison Manesse.

Während hierzulande mit der zunehmenden Abkehr vom Chasselas ein Trend hin zu Rotweinen zu erkennen ist, entwickelt sich das Südtirol im Gegensatz zur Schweiz mehr und mehr in Richtung Weisswein. Was in beiden Ländern jedoch mehr und mehr angestrebt wird, ist Qualität. So erstaunt es nicht, dass die Vertreter der Südtiroler Weine eine dreistufige Qualitätspyramide einführen möchten, die deren des Burgunds ähnlich sein soll.

Um wegzukommen vom Image des simplen St-Magdalender oder Terlaner schafft man ein Rangsystem, an dessen Basis sind die DOC Weine befinden. Aktuell fällt fast die gesamte Produktion Südtirols unter diese Kategorie.

Darüber wurden 70 grössere Lagen definiert die – ähnlich den Premier Crus im Burgund – künftig auf den Etiketten der Weine ersichtlich sein sollen und den Konsumenten, zusammen mit den in den in den jeweiligen Lagen zugelassenen Traubensorten, eine spezifische Herkunft und höhere Qualität garantieren sollen. Das Südtiroler Lagen-Gesuch liegt aktuell allerdings in Rom bei den Behörden zur Bewilligung vor und es könnte – so meine vage Vermutung – noch einige Jährchen dauern, bis sich dieses Lagen-Konzept in der Realität widerspiegeln wird.

Auf der dritten Stufe und damit an der Spitze der zukünftigen Qualitäts-Hierarchie sind die sogenannten «Vignas». Diese Einzellagen sind quasi die «Grand Crus» des Südtirols. Sie sind zwischen 0.45 und 16 Hektar klein und verfügen über ganz spezielle Untergründe, Höhen, Ausrichtungen oder andere Qualitätsmerkmale. Es gibt aktuell 56 solcher «Vignas», die total lediglich 201 Hektar ausmachen, was im Kontext der rund 5‘400 Hektar Gesamtrebfläche gerade mal 3.7% ausmacht. Kurz, zirka jede 27 Flasche Südtiroler-Wein ist ein Wein mit «Grand Cru Format».

Südtiroler Weine: Bunt gemischt und top als Essbegleiter (c) vvWine.ch

Einige dieser Weine durfte ich vor kurzem im Restaurant Maison Manesse begleitend zu einem ausgezeichneten Vegi-Menu probieren. Die Gericht-/Wein-Kombinationen, die das junge Team rund um den Chefkoch Benjamin Plsek servierten, waren faszinierende und alle, die an dieser Stelle denken, dass Vegi nur Beilage sei, möchte ich meine wärmste Empfehlung richten: Gönnt euch den Vegi-6-Gänger im Maison Manesse – ihr werdet es nicht bereuen und danach anders denken.

Nachfolgende meine kurzen Eindrücke zu den servierten Weinen aus dem Südtirol, die sich grossmehrheitlich als wunderbare Essbegleiter herausstellten, wobei mir die weissen Vertreter in der Breite besser gefielen als ihre roten Pendents.

2019, Südtirol Weissburgunder Sanct Valentin, Kellerei St. Michael Eppan. Sehr fruchtbetonte Nase, Gräser, Kräuter, Zitrusfrüchte. Im Gaumen cremig im Auftakt, reife Frucht, milde, gut verpackte Säure. Im Abgang eher kurz. Etwas barock und kuschelig, aber mit schöner Harmonie. 85 vvPunkte.

2020, Südtirol Grauburgunder Punggl, Nals Margreid (Ganztraubenvergärung, biodynamisch produziert). In der Nase intensiv, sehr würzig, fast schon spicy, kandierte Früchte, Birnenaromen. Im Gaumen weich, rund, mit Schmelz und Kraft, einer guten Säurestruktur, zeigt etwas Gerbstoff und im Abgang wiederum würzig. Schöne aromatische Länge. 90 vvPunkte.

Die sechs zum Apéro servierten Weine (c) vvWine.ch

2019, Südtirol Chardonnay Vigna Maso Reiner, Kettmeir (Barrique-Ausbau). Intensive, vom Barrique geprägte Nase, Haselnuss und Vanille, Caramel, dahinter reife Zitrusfrucht, darüber Kardamom. Im Gaumen füllig, druckvoll, cremige Textur, zeigt auch hier merklich Aromen vom Ausbau, welche die an sich schöne Primärfrucht etwas in den Hintergrund drückt, getragen von einer knackigen Säure. Endet angenehm lang und mit nussigen Aromen. 90 vvPunkte.

2020, Südtirol Sauvignon Praesulis, Gumphof (2/3 Stahltank, 1/3 Holz). In der Nase intensive, sehr sortentypisch, grasig, Katzenpipi, Holunderblüten. Im Gaumen saftig frisch am Gaumen, klar in der Frucht, mit toller Säurestruktur, wirkt lebhaft, frisch und zeigt würzige und zitrische Aromen im Abgang. 88 vvPunkte.

2020, Südtirol Kerner Praepositus, Stiftskellerei Neustift (von einer 750 M.ü.M. gelegenen Lage, im Stahltank ausgebaut). Parfümierte Nase, anfangs verhalten, öffnet sich schön, zeigt dann exotische Früchte, Papaya und Limette. Im Gaumen gradlinig, mit schöner Frucht und einer rassigen Säure, wirkt leichtfüssig und frisch, endet auf salzige Zitrusfrüchte. Einer der schönsten Kerner, die ich bisher verkosten durfte. 91 vvPunkte.

2020, Südtirol Gewürztraminer Aristos, Eisacktaler Kellerei (von Lagen auf 550-650 M.ü.M, Stahltank, ohne BSA). Typische Gewürztraminer-Nase mit Rosenblüten und einem steinigen Touch. Im Gaumen mit süsslichem Auftakt, bleibt dabei frisch und lebhaft, hat einen schönen Spannungsbogen und einen guten Säurenerv. Mittlere Länge. 87 vvPunkte.

1. Gang (c) vvWine.ch

Die Weine zum ersten Gang: Federkohl, Pastinaka, Citrus, Sonnenblumenkerne.

2019, Südtirol Weissburgunder Vorberg, Kellerei Terlan. Feinduftig und floral, grüner Apfel, Pfirsich. Im Gaumen mit Schmelz und einer feinen Säure, baut Druck auf, zeigt Körper und eine mittlere Länge. Nicht gross, aber sehr sauber und in der Kombination zum Essen sehr stimmig. 88 vvPunkte.

2019, Südtirol Chardonnay Doss, Castelfeder. Frische, zitrische Nase, kühl, ebenfalls sehr sauber, klar und rein wie ein Bergbach. Im Gaumen gradlinig, zeigt Cremigkeit und Druck, bleibt dabei auf der Spur und hallt im Abgang angenehm lange, nach. Ein sehr sauberer, moderner Wein, ohne dabei ins Banale abzudriften. 89 vvPunkte.

2. Gang (c) vvWine.ch

Die Weine zum zweiten Gang: Kürbis, Rettich, Erdnuss, Thai Basilikum.

2018, Südtirol Sauvignon Voglar, Peter Dipoli. Sehr Sauvignon in der Nase, deutlich steinige Noten, zitrische Frucht, dazu Würze, Feuerstein, ein Gedicht. Im Gaumen druckvoll, kräftig und dennoch elegant, geschmeidig in der Textur, rassig in der Säure, energiegeladen, saftig, mit viel Länge. Ein grandioser Sauvignon Blanc, im Loire-Stil. Mit Reserven. Für mich der bessere Match zum sehr aromatischen Gericht, doch da gingen die Meinungen an den Tischen auseinander. 92 vvPunkte.

2020, Südtirol Gewürztraminer Auratus, Ritterhof. Expressiv und schon in der Nase Barock anmutend, Rosenblätter, reifer Pfirsich, auch seifige Aromen, wirkt parfümiert, erinnert an Oma’s Duftsteine im Wäscheschrank. Im Gaumen üppig, süss, sehr opulent, aromatisch durchaus komplex, jedoch etwas gar schwerfällig im Abgang. Qualitativ sehr gut, stilistisch nicht auf meiner Linie. Das muss man mögen. 89 vvPunkte.

3. Gang (c) vvWine.ch

Die Weine zum dritten Gang: Noix Gras, Rande, Rhabarber, Radicchio, Haselnuss.

2020, Südtirol Kaltersee classico superiore Der Keil, Manicor (100% Vernatsch). Helles Rubinrot. Anfangs leicht reduktive Nase, feine Würze, öffnet sich dann, zeigt eine rote Kirschfrucht, etwas Johannisbeere. Im Gaumen schlank, saftig, leichtfüssig, mit einer reifen Frucht, die an wilde Himbeere und Sauerkirsche erinnert. Kurz und stimmig im Abgang. Ein Jausen-Wein sondergleichen, hat Charme, passt hervorragend zum mutig kombinierten Gericht. 88 vvPunkte.

2019, Südtirol St. Magdalener Morit, Loacker (Vernatsch und Lagrein). In der Nase reife Waldfrüchte und Kräuter, dunkler in der Aromatik als der Kaltersee. Der Gaumen ist rund und fruchtig, leicht klebrige Tannine, saftige Säurestruktur. Unkompliziert, mit Trinkfluss, gute Qualität aber ohne Anspruch auf Grösse. Besser jung und etwas kühl geniessen. 86 vvPunkte.

4. Gang (c) vvWine.ch

Die Weine zum vierten Gang: Sellerie, Wurzelgemüse, Trüffel.

2018, Südtirol Lagrein Riserva, Griesbauerhof. Dunkle, leicht reduktive Nase, krautig, dazu schwarze Oliven, Wachholder, Unterholz, dunkle Frucht, darüber Veilchenaromen. Im Gaumen mit viel Druck, einer spicy Würze, wirkt wild, fast etwas unkontrolliert, zeigt merklich Gerbstoff und eine saftige Säure, die satte Frucht, erinnert an schwarze Kirschen und Brombeeren, im Abgang mit einem Hauch Pfeffer. Muss seine innere Ruhe noch finden. Hat Spannung. 89 vvPunkte.

2016, Südtirol Lagrein Riserva, Muri Gries Weingut Klosterkellerei. Komplex, dunkelfruchtig, rauchig, Gewürze, florale Töne, sehr komplex. Im Gaumen seidig, weich, rund und zugänglich, mit sehr guter Struktur, feinkörnigem Tannin und einer guten Säure, die Frucht ist auf den Punkt gereift, hallt im Abgang lange nach, endet auf Brombeeren und Kirschen. Ein qualitativ sehr hochwertiger Wein und ein Wein, der auf der internationalen Bühne mitspielen kann, entsprechen aber auch Gefahr läuft, austauschbar zu sein. 92 vvPunkte.

5. Gang (c) vvWine.ch

Die Weine zum fünften Gang: Rotkohl, Topinambur, Morcheln, Apfel.

2017 Südtirol Cabernet Sauvignon Gratus, Ritterhof. Sortentypische Nase, schwarze Johannisbeere, Kirschen, darüber ätherische Noten und florale Töne, komplex. Im Auftakt gradlinig, klar und rein, feine Frucht, saftige Säure, die Tannine sind von sehr guter Qualität, stützen die Frucht, im Abgang von sehr guter Länge und mit viel Balance. Ein gelungener Cabernet Sauvignon, 90 vvPunkte.

2018, Südtirol Cabernet Merlot Riserva Cuvée, Tiefenbrunner. Die Nase ist komplex, leicht rauchig, Tabak, getrocknete Kräuter, laktische Noten. Im Gaumen zugänglich, balanciert, zeigt merklich Alkohol, feinkörniges, reifes Tannin, eine gute Säure. Endet leider etwas brandig. Komplex, jedoch nicht gleich langanhaltend wie der Gratus. 88 vvPunkte.

Pre-Dessert (c) vvWine.ch

Die Weine zum sechsten Gang: Schupfnudeln, Mohn, Zwetschge, Kardamom.

2020, Südtirol Rosenmuskateller, Muri Gries Weingut-Klosterkellerei. Offen, feinduftig, floral, Rosenblüten, Rhabarber, verspielt und eigenständig. Im Gaumen süsser Auftakt, kräftig, mit cremiger Textur, Dörraprikosen im langanhaltenden Abgang. Komplex und sehr ausgewogen. Toller Wert. 92 vvPunkte.

2019, Südtirol Gewürztraminer Passito Comtess Sanct Valentin, Kellerei St. Michael Eppan. Tiefgründig und komplex, mit einem verführerischen Duft nach Nüsse, Mandeln, Dörraprikosen und etwas Feigen. Im Gaumen süss, aber nicht klebrig, zeigt viel Frische, baut Druck auf und hinterlässt im Abgang zitrische Noten. Ein sehr schöner Süsswein aus einer Sorte, die mir sonst nicht sonderlich zusagt. Kompliment! 93 vvPunkte.

An dieser Stelle ein grosses Kompliment an Küche und Service des Maison Manesse – euer Menu war ein echtes Highlight! Ein ebenso grosses Dankeschön geht an Alicia und Thomas von Mettler Vaterlaus für die Organisation dieses spannenden Tastings. Und ja, liebe Schweizer Gastronomen: Warum in die Ferne schweifen – bitte nehmt wieder vermehrt Südtiroler Weine auf eure Karten – denn das Gute liegt so nah und will (wieder-)entdeckt werden.

Und irgendwann dazwischen kam das Sanddorn-Eis mit Dill-Granita (c) vvWine.ch
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