Da bin ich wieder; mit Naturwein.
Da bin ich wieder. Nachdem ich mich in letzter Zeit etwas schwer mit der Themenfindung tat, hat mich heute die Muse in Form einer «Naturwinzerin» geküsst. Der Naturwein ist eigentlich ein Thema, mit dem ich grundsätzlich wenig anfangen kann, im Speziellen aber teils richtig begeistert bin. Wer’s kann der kann’s ob Natur oder nicht. So handle ich das heisse Thema entspannt, denn man kann sich daran eigentlich nur die Finger verbrennen.
Aber zurück zu den Anfängen. Meine erste Erfahrung mit Naturwein war vor ein paar Jahren. Ich sass in einem Restaurant und wollte ein Glas Weisswein zum Apero bestellen. Dann kam die Kellnerin mit einem Glas, dessen Inhalt aussah wie ein Indian Pale-Ale. So hat es dann auch geschmeckt. «Ja wissen Sie, wir servieren hier nur Natur- und Orange-Weine.» Und ich so in Gedanken: «Ja aber Schätzeli, warum sagt mir das vorher denn keiner? Woher soll ich das wissen?» Der Einstieg ist also grundsätzlich misslungen und ich liess lange Zeit die Finger davon. Denn alles was mir da immer wieder mal gefragt oder ungefragt im Glas landete, war mässig bis sehr schwierig.
Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, denn es gibt sie, diese guten Naturweine. Lustigerweise sind das häufig Weine, welche von «konventionell» arbeitenden Betrieben stammen, die Neues ausprobieren. Zumindest ist das in meiner Wahrnehmung so. Ich nehme da mal das Beispiel des «Unterirdisch» von Ziereisen, welcher (Geheimtipp!) als DIE Begleitung für Austern gilt. Oder dann ist da das Projekt XXX der Kellerei Kaltern im Süd-Tirol. Die zaubern ein staubtrockenen Gewürztraminer in die Flasche, der richtig geil und megaspannend ist (davon habe ich mir sogar nochmals nachbestellt).
Es gibt aber noch ein weiteres, wirklich cooles Ding an Naturwein – und zwar sind das die Etiketten. Die sind immer total lässig und super modern. Haben halt so gar nichts mit dem klassischen Weinetiketten zu tun und als Weintrinker kommt man sich dabei verwegen, mutig und eben e bizzeli cool vor, wenn man so ne Pulle vor sich stehen hat. Sie sehen ich bin «open-minded» und zwar Total – also Obacht!
Was ich auch meist schwierig empfinde, ist der Umstand, dass fast alle Naturweine (auch diejenigen, die Spass machen) unglaublich viel Luft brauchen. Eigentlich sind die meisten erst am nächsten Tag gut trinkbar. Das macht es im täglichen Gebrauch etwas schwierig, da ich ja meist trinken möchte, wenn ich die Flasche aufmache und nicht eben erst einen Tag später. Open-minded, aber eben mässig flexibel. So ist das eben – auch bei mir (das liegt wohl langsam am Alter).
Krass aber ist, dass man sich ja eigentlich gar nicht kritisch über Naturwein äussern darf. In Foren wird man direkt niedergeknüppelt und von irgendwelchen Fundis – sogenannten Naturweinexperten – beschimpft und der Frevelei bezichtig, wenn man sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzt. Sie werden das vermutlich etwas später weiter unten in der Kommentarspalte nachlesen können. Aber hey, «hukärs» würde Roger sagen. Kann ja jeder machen wie er will.
Aber zurück zum Thema. Ich hatte kürzlich ein sehr interessantes Gespräch mit einer «Naturwinzerin» aus dem Wallis. Ich wollte eine Musterflasche für ein Projekt anfragen. Da wurde mir mitgeteilt, dass man den Wein eben nicht mehr per Post versende, sondern dass man den nur noch über den Fachhandel beziehen kann. Soweit so gut. Ich wäre ja Fachhandel und würde den Wein auch zu diesen Konditionen beziehen wollen, denn von Luft und Liebe alleine kann ich trotz meiner zarten Körperfülle nicht lange überleben. «Ja das schon, hi hi, aber es wäre eben gut, wenn ich mal vorbeikommen könne damit man sich kennenlernen kann.» Und jetzt kommt’s: Das sei wichtig, damit sich der Wein bei mir auch wohlfühle. Aha!
Nur liegt das Wallis bekanntlich nicht ums Eck. Ich teilte ihr also mit, dass ich sehr gerne irgendwann auf einen Besuch vorbeikommen und liebend gerne mit ihr zusammen Ihre Weine verkosten und dazu genüsslich ein Käseplättli fremseln würde, es aber bei der Abnahme von 42 Flaschen Wein doch wohl kaum als Nachhaltig zu bezeichnen ist, wenn für eine Verkostung mit dem Auto die ganze Strecke hin und wieder zurückfahre. Dann war da kurz Stille am Telefon und ich dachte schon «Jackpot». Leider weit gefehlt. «Das sei ebenso», meinte sie, und sie wolle mich auch gleich darauf aufmerksam machen, dass ich die Kosten eines Versandes per Vinolog selbst übernehmen müsse. Das sei eben auch so. Aha! Ja was denn bitte jetzt? Geht es nun oder geht es nicht? Nun war ich definitiv verstört und ich erkundigte mich, ob es denn möglich wäre, in meiner Nähe eine Flasche des Weins zu kaufen. Dann verabschiede ich mich.
So, und nun komme ich nochmals zum Anfang zurück: Ich unterhalte mich also mit einer Natur-Winzerin, genau NATUR-WINZERIN! Ein Mensch also, dem die Natur am Herzen liegt (und in dem Fall wohl noch ein paar Engel ums Haupt fliegen). Diesem Menschen ist es völlig wurscht, dass ich auf der Fahrt zur Verkostung ein paar läppische Kilo Co2 in die Atmosphäre puste. So viel zum Thema Nachhaltigkeit. Aber der Wein muss sich bei mir ja auch wohl fühlen und das gilt es ernst zu nehmen. Aber hey, «ich schone hier unten im Wallis etwas die Natur, dann kannscht du zur Kompensation die 550km mit dem Auto fahren». Die Logik könnte von der SVP stammen.
A propos Naturwein: Ich war kürzlich in einer Zürcher Bar (nein es war nicht das Gamper) und da wurde hauptsächlich Naturwein ausgeschenkt. Und da ich ein offener Mensch bin und tatsächlich auch schon gute, und in diesem Fall meine ich fehlerfreie Naturweine probieren durfte, orderte ich mich quer durch die Karte. Der Barkeeper, total motiviert, empfahl mir also einen Wein nach dem anderen. (Achtung Spoiler: Ich habe noch nie so viel Geld für Wein ausgegeben, den ich nicht getrunken habe). Auch durfte ich am Nachbarstisch probieren wo zwei Frauen bereits an der dritten (!!) Flasche sassen und dabei breit grinsten. «S’isch im Fall totaaal megafein». Aber egal wo ich meine Nase auch reinhielt, es stank mehr oder weniger nach alten Socken. Ja es müffelte richtig übel. Aber hey, da sassen sie alle und fanden das super! Ich kämpfte mich von Glas zu Glas und versuchte zu erklären, dass das eindeutig fehlerhaft sei und nichts, aber auch gar nichts mit gutem Wein zu tun habe. Und auch da wurde ich prompt von den hausgemachten «Naturweinexperten» (Entschuldigung, Expertinnen natürlich) eines Besseren belehrt: Ich hätte ja keine Ahnung! Dass sie selbst auch keine Ahnung haben, gaben sie augenzwinkernd auch offen zu, denn man ist in der Szene selbstkritisch genug, zeigt dann aber dennoch mit dem Finger auf andere und sagt «Du aber ebe au nöd!». Und das ist das Lustige an der Sache: Im Gespräch findet man rasch heraus, dass fast alle dieser Naturweintrinker*innen bis vor kurzem gar keine Weintrinker*innen waren. Nur ab und an tranken sie Wein und dann halt vom Denner. «Aber seit es Naturwein gibt, ja seitdem liebe ich das und trinke nur noch Naturwein, weil das das Beste überhaupt ist auf der ganzen weiten Welt. Denn so Industrieplörren würde ich nie mehr anrühren.» Zitat Ende. Das war dann der Zeitpunkt, an dem ich mich verabschiedet habe. Saletti zäme!
Die Moral von der Geschicht? Ich weiss jetzt, wie man sich als Minderheit fühlt. Es ist gar nicht schön und kann sogar anstrengend sein. Denn ich trinke lieber etwas Schwefel. Denn das mit dem Schwefel ist ja folgendermassen: Den haben die Franzosen erfunden. Und die Franzosen sind, oder waren ja, bekanntlich ein faules Völkchen. Wenn also ein Franzose was erfindet und sich damit Arbeit aufhalst, dann muss es von immenser Wichtigkeit sein. Das ist wie beim Raketenbauer: Wenn der sagt es braucht den roten Knopf da, dann braucht es den eben, sonst fliegt ihnen die Kiste um die Ohren. Das ist dann fast so, wie wenn Sie eine Flasche Pet-Nat öffnen. Das macht man auch besser im Badezimmer.
In diesem Sinne, bedanke ich mich bei Ihnen, dass ich das hier los werden durfte und entschuldige mich, dass ich Sie damit belästigt habe. Aber es geht mir jetzt dafür auch wirklich viel, viel besser.
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