Thibauld Denizot: Sancerre ist nicht out!

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Die Loire, oder noch genauer Sancerre, gehört zu den bekanntesten Weinbauregionen Frankreichs. Doch trotz viel Ruhm und Ehre, erweckt die Loire-Region in den letzten Jahren den Eindruck, etwas zu stagnieren. Von den französischen Anbauregionen sind aktuell (wieder) Jura, Beaujolais, Champagne und einige «kühle Ecken» im Süden angesagt – die Loire dagegen verliert gemäss meinen Beobachtungen auf vielen Weinkarten an Bedeutung. Zu unrecht wie ich finde, denn die idyllische Anbauregion, welche sich über 1000 Kilometer weit von Gros-Plan du pays nantais bis hin zu Pouilly-Fumé erstreckt, hat einiges zu bieten: viele verschiedene Subzonen und Terroirs, eine grosse Vielfalt an Weinstilen, eine beachtliche Variation an Traubensorten und nicht zuletzt auch eine hohe Dichte biologisch arbeitender Produzenten. Einer davon ist der junge Thibauld Denizot, der den elterlichen Betrieb gemeinsam mit seiner Frau vor zwei Jahren übernommen hat. Das junge Paar besitzt in der Appellation Sancerre – welche ohnehin zu den renommiertesten Appellation der Region gehört – rund 19 Hektar Reben die hauptsächlich auf kalkhaltigen Böden gedeihen. Wer jetzt an fruchtige und expressive Sauvignon Blanc Weine denkt, liegt komplett falsch. Denn Thibauld möchte die Herkunft in die Flasche bringen und keltert glasklare, mineralische Weine mit Charakter. Das gilt übrigens auch für seine straffen Pinot Noirs, die im Betonei und gebrauchten Holzfässern ausgebaut werden. Herkunftstypische Klassiker in modernem Gewand also, die zu allem noch zu fairem Kurs (zwischen 24.– und 30.– CHF) zu haben sind und deutlich machen: Sancerre ist nicht out!

Trinkfreudige Klassiker im modernen Kleid – die Weine von Thibauld Denizot (c) vvWine.ch

2017, Thibauld Denizot, Sancerre blanc, Loire (100% Sauvignon Blanc, ausgebaut im Betonei): Mittleres Zitronengelb. Zeigt zu Beginn ein klassisches Sauvignon Blanc-Bouqet nach Stachelbeeren, Limette und Gräsern. Verliert mit zunehmender Belüftung allerdings an Expressivität und wirkt zunehmend kühl mit Noten von reifer Zitrone, weissem Tee, Kräutern und Feuerstein. Findet nach einiger Zeit im Glas auch am Gaumen zusammen und verbindet Frische gekonnt mit Körper und Schmelz. Wirkt dabei etwas weniger fruchtig als in der Nase, sondern zeigt sich würzig, herb und leicht salzig. Hat trotz seiner Dichte viel Trinkfluss und wirkt lebendig, endet lang, mineralisch und mit reifer Zitrusfrucht. Ein charaktervoller und zurückhaltender Sancerre ohne jegliche Schminke! Jetzt bis 2024, 17.5 vvPunkte (89/100).

2017, Thibauld Denizot, Sancerre rouge, Loire (100% Pinot Noir, ausgebaut im Betonei): Helles Rubinrot. Duftiges und fruchtbetontes Bouquet nach Sauerkirschen, Preiselbeeren und weissem Pfeffer. Am Gaumen mit tollem Wechselspiel aus Frische, leicht rustikalen Gerbstoffen, rotbeeriger Frucht und leicht herben, erdigen Nuancen. Die knackige Säure sorgt zudem für Trinkfluss und lässt den Wein erstauntlich lange nachklingen. Im Finale wieder fruchtig, saftig und mit einer animierenden Bitternote versehen. Ein authentischer Pinot Noir mit rustikalem Touch, was ihm aber durchaus Charakter verleiht. Der perfekte Wein nach einem harten Arbeitstag – als Solist sowie als Essensbegleiter. Jetzt bis 2024, 17.5 vvPunkte (88/100).

Straff und kernig – ein Charakter-Pinot vom Kalk (c) vvWine

2016, Thibauld Denizot, Sancerre rouge Biorga, Loire (100% Pinot Noir, Cuvée aus den ältesten Rebstöcken, ausgebaut in gebrauchten Barriques): Mittleres Rubinrot. Wirkt bereits im Duft kompakter als das Basis-Pinot, zeigt nebst astreiner Sauerkirschnote auch Anflüge von Johannisbeergelee, Kräutern, Veilchen und gar etwas Feuerstein. Packt dann am Gaumen ordentlich zu, die Gerbstoffe sind noch präsent, jedoch feinkörnig und geschliffen, hier ist im Vergleich zum Basis-Pinot auch mehr Saftigkeit und Dichte im Spiel, dennoch wirkt alles frisch, bekömmlich und sehr straff. Aromatisch stehen rote Beeren, Gewürze und getrocknete Blüten in Harmonie mit dem strukturbetonten, mittelkräftigen Körper. Wird im Abgang von der knackigen Säure förmlich getragen und macht Lust auf den nächsten Schluck. Auch dieser Pinot Noir lebt von seinem kernigen Charakter und besitzt viel Eigenständigkeit. Hat Potential, somit unbedingt noch etwas weglegen. 2019 bis 2028, 18 vvPunkte (90/100).

2016, Thibauld Denizot, Sancerre blanc Damocles, Loire (100% Sauvignon Blanc von kargen Kalkböden, vergoren und ausgebaut in 600 Liter Demi-muids): Helles Zitronengelb. Eine dezente Duftwolke mit feinster Zitrusfrucht, Stachelbeeren und reifer Grapefruit steigt aus dem Glas, mit der Zeit gesellen sich Lindenblüten, Feuerstein und eine ganz zarte Vanillenote dazu, erinnert etwas an einen Chablis. Wirkt im Mund völlig unaufgeregt, hat einen subtilen Schmelz, eine knackige Säure und eine gut abgestimmte, elegante Struktur. Es dominieren wieder Zitrusnoten und salzige Anklänge, hier ist keinerlei Holzeinsatz zu spüren, alles wirkt sehr klar. Der Wein hat aber trotz nur 12,5% Vol. Alkohol ordentlich Druck und bleibt dadurch lange haften. Rundet die Kollektion wunderbar ab und meistert den Spagat zwischen Kraft, Finesse und Athletik. Jetzt aus einem grossen Glas geniessen oder noch etwas liegen lassen! 2019 bis 2026, 18 vvPunkte (91/100).

Die Weine sind in der Schweiz seit kurzem zu fairen Preisen bei Carl Studer in Luzern erhältlich.

2 Kommentare
  1. Katarina
    Katarina says:

    Die beiden Pinot Noirs sind wirklich außergewöhnlich gut und jedem Pinot Liebhaber zu empfehlen. Allerdings darf man nicht eine Burgunder Kopie erwarten. Das sind zwei bemerkenswerte Weine, abseits vom Mainstream, voll Eigenständigkeit und Charakter. Wir bestellen davon auf alle Fälle nach, die Weine machen richtig viel Spaß im Glas.

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    • Marcio Hamann
      Marcio Hamann says:

      Hallo Katarina, danke für deine Rückmeldung zu den Weinen. Es freut mich, dass sie dir ebenfalls gefallen. Und in der Tat: das sind absolut eigenständige Pinots mit kernigem Charakter sowie einer tollen Balance aus einer gewissen „Rustikalität“ und Finesse. Hast du die Weissen ebenfalls probiert? Die sind stilistisch auf der gleichen Linie! Viele Grüsse, Marcio

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