Raveneau kann Launen verändern

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Das Line-up, Bernhard Huber, Raveneau, Elio Grasso, Donatsch (c) vvWine.ch

Es sollte ein Lunch werden, doch wir trafen mit ca. dreistündiger Verspätung ein. Der Grund: ich wurde auf meiner Heimreise aus dem Piemont zuerst von Grenzbeamten gefilzt, dann platzte auf der Autobahn ein Reifen meines Autos und als ich nach Abschleppdienst und Taxifahrt nach Lugano auf den Zug umsteigen wollten, kündigte die Anzeigetafel der SBB eine Verspätung von 8, 9, 11, 13, 14… Minuten an. Ich verpasste also auch noch meinen Zug in Zug und musste aufgrund von nicht verfügbaren Uber-Fahrern mit einem teuren Taxi nach Affoltern am Albis rasen.

Mühsame Rückreise aus dem Piemont (c) vvWine.ch

Punkt 15.03 Uhr standen wir dann auf der Matte und der Nachmittag nahm einen erstaunlich erfreulichen Lauf. Nicht nur, weil Barbara Graf und Thomas Magyari uns vorzüglich bekochten, sondern auch, weil ich an diesem Nachmittag von Thomas auf die Blindprobe gestellt worden bin. Mit etwas Stolz kann ich behaupten, den Grossteil dieser Aufgabe gut gemeistert zu haben.

Zum Auftakt servierte Thomas einen ausgezeichneten Schaumwein aus Baden, welchen ich richtigerweise nicht in die Champagne setzte, sondern als Deutschen Schaumwein mit viel Finesse erkannte. Bernhard Huber kelterte diesen hervorragenden Blanc de Blancs noch selber und der Wein zeigte neben einer äusserst feinen Perlage auch einen wunderbaren Trinkfluss.

Finessenreich: Bernhard Huber Blanc de Blancs (c) vvWine.ch

Weiter ging es mit den Vorspeisen und einem Weisswein, vor dem ich am liebsten niederknien würde. Ich war blind sofort im Burgund und schafte nach einem kurzen, gedanklichen Abstecher an die Côte de Beaune den Bogen ins Chablis. Ich tippte auf einen sehr guten 1er oder Grand Cru von Raveneau mit Jahrgang 2008. Nun, es war ein 2007er Grand Cru „Clos“ der sich hier von seiner besten Seite zeigte.  

Flüssiges Gold: der 2007er Clos von Raveneau (c) vvWine.ch

Ich berichtete hier schon mal über diesen Top-Winzer der es Jahr für Jahr schafft, die gesamte Mineralität seines Chablis-Terroirs in die Flaschen zu zaubern. Der 2007er Clos entwickelte sich mit Luft und etwas Temperatur grossartig, die Mineralik ist einfach nur umwerfend; ich kenne keinen Wein, der Kraft und Finesse so schön vereint. Der Abgang ist von hervorragender Länge und zurück bleibt ein einfach nur perfektes Weissweinerlebnis. Jetzt bis 2027+, 20/20 vvPunkte (100/100). Der Wein passte natürlich hervorragend zu den Jakobsmuscheln an Safran-Sauce auf Spinat. Allerdings ist dies ein Wein, der auch ganz einfach so genossen werden kann. Danke Thomas für dieses Erlebnis!

Ein Gedicht: Jakobsmuscheln, Safran, Spinat (c) vvWine.ch

Der nächste Gang war ein Pasta-Gericht mit verschiedenen Pilzen. Der frisch importierte und sogar verzollte (!!) Piemont-Trüffel verfeinerte das bereits hervorragende Gericht zusätzlich. Thomas schenkte einen relativ hellen Rotwein ein, den ich wiederum blind erraten sollte.

PPP – Pasta, Pilze, Piemont-Trüffel (c) vvWine.ch

Ich tippte auf einen Spitzen-Barolo – nicht von Aldo oder Giacomo Conterno, nicht der Monprivato – und landete dann bei einem Toplagenwein von Sandrone; Jahrgangstipp 2004. Nun, damit lag ich zumindest nicht voll daneben. Es war ein 2007er Barolo von Elio Grasso, und zwar von der mir bisher nicht bekannten Lage „Rüncot“. Auf den Punkt gereift aber noch mit mindestens 10, eher 20 Jahren Reserven präsentierte sich dieser Nebbiolo im Glas. Man merkt dem Wein unweigerlich an, dass er im Barrique ausgebaut worden ist, doch das Holz ist dermassen gut integriert, dass man ihm diesen „Modernitätsmakel“ nicht vorwerfen möchte. Trotz Ausbau im kleinen Holzfass zeigt der Wein wunderbar florale Noten und sehr viel Finesse. Müsste ich einem Barolo-Traditionalisten ein wirklich gutes Beispiel eines Barrique-Barolo zeigen, ich würde diesen Wein wählen. 18.5 vvPunkte (93/100).

Trotz Barrique-Ausbau mit viel Finesse: 2007er Barolo Rüncot, Elio Grasso (c) vvWine.ch

Als letzer Wein – und natürlich wieder blind – floss ein Bündner Pinot ins Glas. Auch dies erkannte ich sofort als solchen, allerdings irrte ich mich beim Produzenten und um ein Jahr. Ich ordnete den Wein Thomas Studach zu und tippte auf 2007; es war aber ein 2006er Unique von Donatsch. Die Kraft des Weins hätte mich eigentlich auf die richtige Fährte bringen sollen, denn Studach’s Pinots spielen mit der Reife nie die Kraft, sondern mehr die Finesse aus. Dies will nicht heissen, dass der Unique keine Finesse hat, doch zeigt er einen männlicheren, druckvolleren Charakter mit nicht zu dezenter Holzaromatik. Der Wein ist auf den Punkt gereift und kann gut und gerne noch einige Jahre weiter reifen. 18 vvPunkte (91/100)

Kraftvoll und männlich: 2006er Unique von Donatsch (c) vvWine.ch

Der Donatsch begleitete ein perfekt gegartes Schweins-Rack, welches mit Kräuterkruste überbacken war. Die schiere Grösse meiner Portion machte mir Anfangs zwar etwas Angst, doch selbst nach reichlich Vorspeisen schaffte ich das ganze Stück Fleisch, denn dieses war vom ersten bis zum letzten Bissen wunderbar zart und saftig.

Besser kann man ein Schweinsrack nicht garen, bravo Thomas und Barbara! (c) vvWine.ch

Nach einem kleinen, süssen Abschluss war aus dem zu späten Mittag bereits Abend geworden und wir machten uns durch das kühle Nass auf den Heimweg. Unvergesslich, einmal mehr. Ein grosses Dankeschön an Barbara und Thomas für diesen perfekten Spät-Zmittag: meine wirklich misslungene Rückreise aus dem Piemont hätte nicht besser enden können.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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