Ch. Ferrière, Haut-Bages Libéral und Domeyne


Am 19. Mai 2010 besuchten wir im Rahmen unserer kleinen Bordeaux-Reise das Ch. Ferrière. Das Chateaux ist ein unprätentiöses, ja für Chateaux-Verhältnisse fast schon schlichtes Gebäude welches im Zentrum von Margaux, unweit von Ch. Margaux liegt an dessen Weingärten die Lagen von Ch. Ferrière grenzen.

Ich habe mich die letzten Jahre immer gefragt, warum der liebe Herr Parker diesem Gut so schlechte Noten verteilt, obwohl uns bisher sämtliche verkosteten Jahrgänge (z.B. 96, 2000, 2004, 2008, 2009 und 2010) ausnahmslos gefallen haben. Nun – es gibt einen Grund der nicht am Wein liegt. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.

Verkostet haben wir unter perfekten Bedingungen (perfekt temperierte Weine, viel Zeit und Ruhe) in den herrlichen Räumen des Chateaux Ferrière unter anderem vier Fassproben des 2010ers:

Ch. La Gurgue 2010 (50% CS, 45% M, 5% PV):
Feinfruchtige Nase, Heidelbeeren strahlen mich förmlich an, dazu ein Hauch rose Grapefruit. Der Gaumenauftakt ist mineralisch, frisch, feingliedrig, dann gesellen sich viele Gerbstoffe dazu, die Säure stimmt, die Frucht zieht sich weiter. Mir fehlt es am mittleren Gaumen etwas an Druck, der Abgang ist sehr stimmig mit einer feinen Würze. 15.5-16.0 vvpunkte. 2016-2028.

Ch. Ferrière 2010:
Erst eine feine, fast schon zurückhaltende Nase, dann nach etwas Schwenken zeigen sich Holunder, Brombeeren und auch Himbeeren die von etwas Bittermandel und einem Hauch Rauch begleitet werden – sehr komplex. Am Gaumen gewohnt elegant, die Gerbstoffe sind reif, die Säure stimmt und unterstützt die delikate, feinwürzige Frucht. Ferrière steht vertikal im Glas, hat Kraft und Ausdauer und wird zu einem finessenreichen, bekömmlichen und doch sehr komplexen Wein heranreifen. Ja, reifen darf, soll und kann er. 18 vvpunkte. 2020-2034.

Ch. Haut-Bages Libéral 2010:
Vom Ausbau geprägte Nase, viel Holz, etwas flüchtige Säure, etwas grüner Apfel, viel schwarze Kirsche. Am Gaumen mit fleischigem Auftakt, viel Würze, tolle Frucht, reife Gerbstoffe und sehr gute Säure. Aktuell superschwierig zu verkosten, hat aber die Anlagen, zu einem schönen Pauillac heranzuwachsen. 16.5-17.5 vvpunkte, 2018-2028+.

Ch. Domeyne 2010 (St. Estephe):
Von diesem Chateaux hab ich noch nie was gehört. Der Mann von Claire Villars hat das Chateaux vor einigen Jahren erworben. Die Nase ist super delikat, da sind Massen von Brombeeren, etwas Pflaumen und eine pfeffrige Würze. Am Gaumen weich und rund, wieder Brombeeren, erstaunlich zugänglich. Dann aber zeigen sich auch die Gerbstoffe die in solider Anzahl vorhanden sind und sehr gut auf die recht präsente Säure abgestimmt sind. Solider, frischer Abgang mit viel Finesse. Eine Überraschung – die leider nur in Frankreich erhältlich ist. 17 vvpunkte, 2016-2028+.

Danach verkosteten wir das einzige 2009er-Muster – Ch. Haut-Bages Libéral 2009:
Verschlossene Nase, etwas Bouillon, feine Würze. Am Gaumen weich und mit toller Kirschfrucht, sehr rund und schmeichelhaft, die Gerbstoffe geschliffen, reif, die Säure relativ tief aber ausreichend für eine lange Reife. Hervorragender Pauillac. 17.5 vvpunkte, 2018-2030.

Schliesslich verkosteten wir noch zwei ältere Jahrgänge, die sich aktuell am Anfang eines schönen Trinkfensters befinden.

Ch. Ferrière 2004:
Reifes Bordeauxrot. Tiefe Nase, sehr Margaux äusserst duftig. Da ist ein ganzer Korb dunkle und rote Beeren, da hat es Rauch und viel Würze und ein Hauch Leder, wow! Am Gaumen erst weich und schmeichlerisch mit herrlicher Frucht und feiner Würze, dann kommen die Gerbstoffe und ein Hauch grüne Paprika, was dem Wein äusserst gut steht. Der Abgang ist mittellang und sehr frisch. Ein toller Margaux, sehr elegant und nun am Anfang der Trinkreife. Eile ist keine angesagt. 17 vvpunkte, 2012-2022.

Ch. Haut-Bages Libéral 2004:
Erst eine sehr muffige Nase, nach etwas schwenken dann weisser Trüffel, Waldboden, Bouillon und dunkle Beerenfrucht. Am Gaumen weicher Auftakt, wieder dunkle Beeren, etwas Caramel, Zimt und Zedernholz, sehr angenehm. Ein durch und durch empfehlenswerter Pauillac, der etwas Zeit braucht im Glas, sich dann aber komplex und sehr interessant präsentiert. Min. 1h dekantieren. 17.5 vvpunkte, 2011-2025.

Was in Erinnerung bleibt. Ferrière wird zu Unrecht von Mr. P. abgestraft. Dieses kleine aber feine Chateaux bietet – wie auch das Schwestergut Haut-Bages Libéral – sehr viel Bordeaux fürs Geld. Meine uneingeschränkte Kaufempfehlung für Leute, die auch dann gut schlafen, wenn sie nur 87 Parker-Punkte im Glas hatten.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
1 Antwort
  1. Ulrich Ulrich
    Ulrich Ulrich says:

    Erst heute, lieber Adrian, lese ich über deine vielen Berichte einiger Château, welche mich selbst brennend interessieren. Dazu gehören auch Ferrière und Haut-Bages Libéral. Vom letzteren habe ich über die Jahre viele Jahrgänge gesammelt, auch vom 2009, wobei ich zugeben muss, auch noch eine verschlossene 12 OHK zu besitzen. Dieser Wein hat seit deiner Musterverkostung noch einiges zugelegt und zählt für mich zu einer der besten je erzeugten H.B.L. der letzten Jahre. Da ich Wein meist trinkreif konsumiere kann ich nicht sagen, ob jetzt spätere Jahrgänge noch besser sind. Dafür müsste ich meine gesammelten 20 Jahrgänge öffnen um zu vergleichen. Doch ich bin mir sicher, dieses Weingut ist ein sehr Gutes, und Pauillac eine Region welche ich nie aus den Augen verlieren werde.

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