Hilfe, 35 Grad! Wein richtig lagern.

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Heute ein Thema, das besonders zu dieser Jahreszeit gerne heiss diskutiert wird: Die korrekte Lagerung von Wein. Es geht dabei um eine Lagerung, welche A) dem Wein erlaubt, sich positiv zu entwickeln und B) ihm eine möglichst lange Genussphase garantiert. Kurz: Möglichst lange ein Maximum an Freude im Glas.

Besser als Geld: Raritäten Querbeet. – vvWine
Noble Tropfen, optimal gereift (c) vvWine.ch

Wer also beschliesst für – sagen wir zirka 50 Weine pro Jahr – etwas mehr Geld, als sonst auszugeben, damit sich diese hochwertigen Tropfen im Laufe der Zeit positiv entwickeln können und wir dann einen Trinkhorizont von zehn Jahren annehmen, dann sind das bereits 500 Flaschen (also etwas mehr als zwei grosse Weinklimaschränke), die ein klimatisiertes Plätzchen benötigen. Gönnt man sich dann nicht nur eine sondern zwei oder sogar drei solcher Flaschen pro Woche, dann summiert sich das Ganze bereits auf ein Lagervolumen von zirka 1’500 Flaschen. Das entspricht also ungefähr dem durchschnittlichen Lagerbedarf einer geneigten Weingeniesserin respektive eines normalen Weingeniessers. Das sie dann jährlich in ungefähr die Menge nachkaufen sollten, welche sie übers Jahr konsumieren, versteht sich von selbst. Das wäre dann eine rollende oder besser gesagt fliessende Weinkellerumwälzung…

Aber was heiss es denn eigentlich, Wein korrekt zu lagern und warum tun wir das?

Wir mögen beim Trinken eines gehobenen Weins die Aromenvielfalt in der Nase und das Trinkerlebnis am Gaumen. In der Nase unterscheidet man beim Wein grob drei Aromengruppen. Da wären die fruchtigen und blumigen Primäraromen. Sie sind nach der alkoholischen Gärung im Jungwein vorhanden und oft sortentypisch, so beispielsweise Stachelbeere beim Sauvignon Blanc oder Sauerkirsche beim Pinot Noir. Dann gibt es sogenannte Sekundäraromen, die beim Ausbau nach der Gärung entstehen. Man unterscheidet hier drei Aromenarten: Röstaromen die vom Ausbau im Barrique stammen, buttrige Noten die vom Biologischen Säureabbau (BSA) zeugen und hefige Noten von der Bâtonnage. Diese Sekundäraromen sind quasi des Winzers Handschrift. Wer Primär- und Sekundäraromen liebt, trinkt seine Weine am besten in der Jugend, also direkt nach Abfüllung respektive innerhalb von ein bis fünf Jahren. Danach «verschliessen» sich noble Weine oft für ein paar Jahre und machen dann nach und nach einer dritten Aromengruppe Platz: Den sogenannten Tertiäraromen oder Reifearomen. Diese entstehen während der Flaschenlagerung. Bei den Weissweinen sind dies zum Beispiel Aromen wie Petrol (alle, die schon mal einen gereiften Riesling getrunken haben, erinnern sich sicher an diese Petrolnote), Haselnuss, Walnuss, Mandel, Marzipan, getrocknete Aprikose, mürber Apfel oder Banane. Bei den Rotweinen findet man dagegen oft Noten von Leder, Zimt, Ingwer, Muskatnuss, Pilzen, Unterholz, Waldboden, feuchtem Laub oder Baumrinde.

Lynch-Bages 1955-2009: Vertikale mit Überraschungen. – vvWine
Besonders beliebt: Vertikalverkostungen. Hier als Beispiel Château Lynch-Bages (c) vvWine.ch

Doch nicht nur das Aroma des Weins wird durch die Lagerung beeinflusst, sondern auch Haptik und Textur, also das Empfinden am Gaumen und auf der Zunge. Auch diese Eigenschaft ändert sich im Laufe der Zeit. Überzeugen die für den jungen Konsum bestimmten Rotweine meist mit ihrer Frucht, einer erfrischenden Säure und einem feinen aber moderat ausgeprägten Tanningerüst, wirken lagerfähige Rotweine in ihrer Jugend oft zu tanninbetont und manchmal sperrig.

Ebenso ist es bei den Weissweinen. Jung zu konsumierende Weissweine bestechen mit Fruchtigkeit und manchmal etwas Restsüsse, dem sogenannten «Zuckerschwänzchen». Lagerfähige Weissweine dagegen vermählen im Laufe der Lagerung Aromen, Säuren, Extrakt und Alkohol zu einem grossen Ganzen, das meist nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Jungspund zu tun hat, dennoch aber ein Trinkerlebnis bieten kann, auf das sich die geneigte Weinrunde jahrelang freut.

Last but not least macht es unglaublich Spass einen Wein über viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte bei seiner aromatischen und haptischen Entwicklung zu verfolgen. Aus Liebe zum Wein, sollten Sie also stets daran denken, dass A) viele Ihrer Weine ein wirklich langes Leben haben könnten und B) diese Weine erst nach einer gewissen Reifung unter guten Bedingungen den wahren Weingenuss bieten werden.

Hilfe, Sommerhitze! (c) vvWine.ch

Was ist ein optimaler Weinkeller?

Um Wein ein paar Monate zu lagern, genügt der kühlste Ort in der Wohnung respektive im Keller. Soll der Wein aber über Jahre oder gar Jahrzehnte gelagert werden, brauchen sie im Idealfall einen Weinlagerschrank oder noch besser einen klimatisierten Weinkeller. Denn meine Erfahrung zeigt: Weinlagerschränke sind in der Regel ziemlich schnell voll und dann kommt ein zweiter und ein dritter und…

Wein reift idealerweise bei einer Temperatur von zirka 12 bis 14 Grad und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 65-75 Prozent. Wenn das ihr Kellerklima ist, werden sie sich – eine gewisse Weinqualität natürlich vorausgesetzt – auch in vielen Jahren an ihren Flaschen freuen. Ein solches Klima findet man im heimischen Keller eines Mietshauses allerdings selten vor.

Man könnte nun pragmatisch denken, und annehmen, dass man die Weine, die im warmen Keller liegen, einfach früher geniessen kann, weil diese bei hohen Temperaturen rascher reifen. Doch weit gefehlt! Ein Test mit Weisswein ergab deutlich wahrnehmbare sensorische Unterschiede. So nimmt die Fruchtaromatik um bis zur Hälfte ab, wenn sie den Wein bei 22 Grad, anstelle der empfohlenen 12-14 Grad lagern (Schneider Weisswein-sauerstoff-und-oxidative-alterung). Zu warm gelagerter Wein kann also unerwünschte Aromen hervorbringen, besonders wenn es sich um Weisswein, Champagner oder eine delikate Rotweinsorte wie beispielsweise Pinot Noir handelt. Für solche Weine sind gute Lagerbedingungen matchentscheidend. Ein in Eigenregie langjährig angelegter Feldversuch hat zwar gezeigt, dass Bordeaux-Weine etwas weniger sensibel reagieren, als allgemein angenommen, doch die aromatische und haptische Entwicklung des selben Weins (es war ein Château Camensac 2004), der bei unterschiedlichen Lagerbedingungen gereift ist, wurde auch bei diesem Test eindrücklich bestätigt.

Weinlagertemperatur: wir machen das seit 200 Jahren so. – vvWine
In Eigenregie durchgeführt: Vier unterschiedliche Lagerbedingungen über 10 Jahre (c) vvWine.ch

Ich kann also meiner Leserschaft, für die Wein sicherlich mehr als einfach nur Alkohol bedeutet, wärmstens empfehlen, ihre Preziosen fachgerecht zu lagern. Als kleiner, kostenloser Werbespot möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass mein lieber Freund und Kolumnenschreiber von vvWine, Philipp Uehlinger, professionelle Weinlagerplätze vermietet. Mehr Informationen findet man unter www.weinkellerschweiz.ch

Natürlich darf man auch Philipps Mitbewerber googeln, aber ich kann ihnen versichern: Bei Philipp sind die Weine besonders kuschlig aufgehoben und ich habe gehört, dass er den Flaschen ab und an sogar mal etwas vorsingt… 😉

Wer keinen Glühwein mag, sorgt besser für eine kühle Weinlagermöglichkeit (c) vvWine.ch
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