Ciabot Mentin: Lebenswerk von Domenico Clerico.

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Domenico Clerico, im Sommer 2017 leider von uns gegangen, war ein charismatischer Mensch. Er war zudem Mitglied der sogenannten «Barolo Boys», jener quirligen Truppe von Barolo-Modernisten, die ihre Weine in Barriques anstatt traditionell in grossen Fässern ausbauen wollten. Stets auf der Suche nach Neuem, stets ein wenig Querdenker und nicht immer «in line» mit den offiziellen Gremien, hat er es dennoch geschafft, über die Jahre einen kleinen aber steten Stern am Barolo-Himmel zu platzieren: Ein Stern namens Barolo Ciabot Mentin.

Seine langjährige rechte Hand im Betrieb, Oscar Arrivabene, führt heute zusammen mit Domenicos Frau die Azzienda im Sinne von Domenico weiter. Ebenfalls im Betrieb engagiert ist der äusserst sympathische Francesco Arrivabene, der zusammen mit Hans Bättig im Rahmen des Caratello-Concerto, welches im zürcherischen Dolder stattgefunden hat, die Vertikale des Ciabot Mentin kommentierte.

Ein Lebensweg: Ciabot Mentin von Domenico Clerico (c) vvWine.ch

Eine Sub-Parzelle von Ginestra.

Ciabot Mentin ist eine rund 5.5 Hektar grosse Parzelle in der berühmten Lage Ginestra, welche zum Ort Monforte d’Alba gehört. Die ältesten Reben wurden dort zwischen 1965 und 1970 gepflanzt. Die Trauben werden im Rotortank während 20 bis 30 Tagen vergoren und danach während zwei bis zweieinhalb Jahren im Barrique ausgebaut. Der Holz-Einsatz und auch die Arten der Barriques haben sich über die Jahre verändert. So hat Domenico Clerico von 2001 bis 2004 Zigarillo-Fässer eingesetzt, welche ihn respektive seinen Weinen fast die staatlich kontrollierte Herkunftsbezeichnung DOCG gekostet hätten. Denn die Barolo-Behörden wollten nichts von diesen neuartigen Behältnissen wissen (NB: Didier Dagueneau, ein Kult-Winzer an der Loire, baut einen Teil seiner Weine ebenfalls in zigarrenförmigen Fässern aus). Zu seinem Namen ist der Ciabot Mentin übrigens gekommen, weil das kleine Werkzeughäuschen (Ciabot heisst im Dialekt «Hütte») einem Herrn Mentin gehörte.

Die Verkostung zeigte eindrücklich den Weg, den Domenico Clerico, teils zusammen mit Oscar Arrivabene, gegangen ist. Während die älteren Jahre (teils) noch etwas gar vom Holz geprägt waren, zeigen die jüngeren Weine immer mehr Finesse und Präzision. Könnte ich heute etwas davon nachkaufen, wären es 2001, 2006, 2010, 2013 (für die lange Lagerung) und 2015. Man munkelt, dass 2016 ebenfalls ein hervorragender Jahrgang geworden ist…

Perfekte Verkostungs-Bedingungen, geboten von Caratello (c) vvWine.ch

1998, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Reifes Rubin. Feinduftig, deutlich gereift, dezent florale Noten, viele süsse Gewürze, reife Pflaumen, warm anmutend, auch etwas Maggikraut, Schwarztee, feuchtes Holz, komplex. Im Gaumen verhältnismässig schlank, die Gerbstoffe markieren noch, wirken etwas klebrig, die Säure wirkt eher mild. Im Abgang von mittlerer Länge, endet feinwürzig und auf reife Früchte. Trinken bis 2025. 18 vvPunkte (90/100)

2000, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Kräftiges Rubin. Offene, feinduftige Nase, komplex, einerseits warm, dennoch nicht verbrannt wirkend, viele reife Kirschen, Weihnachts-Gewürze, auch florale Töne. Im Gaumen straff, gut strukturiert, auf den Punkt gereift, mit feinem Gerbstoff und einer schönen Säure, sehr gut strukturiert und im Abgang langanhaltend, wenn auch einen Tick hitzig. Trinken bis 2028+. 18.5 vvPunkte (93/100)

2001, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Helles Rubin. Verhaltene Nase, wirkt kühler, verschlossener als 1998 und 2000, eher distanziert, nobel, öffnet sich mit Zeit und Luft, wird floraler, verspielter, bleibt geheimnisvoll, komplex. Im Gaumen frisch, saftig, elegant, top strukturiert, knackig, eher rotfruchtig mit sehr feinem Tannin und einem langen, feinwürzigen Abgang. Stilistisch für mich ein absoluter Hit und aktuell für meinen persönlichen Geschmack im besten Trinkfenster. Hat aber noch sehr gute Reserven. Trinken bis 2030. 19 vvPunkte (95/100)

Hans Bättig (rechts mit Weingläsern und Laptop) und Francesco Arrivabene führten durch die Vertikalverkostung (c) vvWine.ch

2004, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Leuchtendes Rubin. In der Nase offen, feminin, feinduftig, fast schon parfümiert, dann aber auch mit mehr und mehr würzigen Noten, wirkt aristokratisch, zeigt mit mehr Luft auch viele Blumen, Veilchen, Rosen, ein sehr schöner Duft. Der Gaumen etwas fülliger als die Nase verspricht, dennoch ausgewogen, mit markanten jedoch reifen Gerbstoffen, eine wunderbare Säure trägt die reife Frucht in den langen, vielleicht einen Tick zu hitzigen Abgang. Insgesamt aber ein sehr stimmiges Barolo-Paket. Jetzt bis 2028+. 18.5 vvPunkte (93/100)

2005, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Dichtes Rubin. Expressive Nase, intensiv und fruchtbetont, neben einigen dunklen auch viele rote Früchte und leicht krautige Noten, mit mehr Luft Veilchen und Kräuter, Eukalyptus, Minze, sehr komplex. Im Gaumen mit weichem Auftakt, dann packt der Wein zu, zeigt leicht trocknende Gerbstoffe, eine markante Säure verleiht viel Frische. Der Wein hat Charakter, wirkt noch sehr jugendlich, noch etwas wild, ja fast ungestüm, endet lang und feinwürzig. Neben dem 2001er und dem 2010er der rotfruchtigste Wein der Verkostung. Kann noch reifen. 2021-2030+. 18.5 vvPunkte (92/100)

2006, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Leuchtendes Rubin. Etwas verhaltenere Nase, wirkt dunkelfruchtiger, braucht Zeit, wird mit Luft floraler, zeigt viel Veilchen, auch dunkle Kirschen, Teer und eine mineralisch Kühle. Im Gaumen straff, gut strukturiert, charaktervoll, energetisch, reif aber nicht schwerfällig, sehr klassisch im Stil und mit wunderbarer Länge im Abgang. Gefällt mir ausgesprochen gut. Jetzt bis 2032+ 19 vvPunkte (95/100)

9x Ciabot Mentin von Domenico Clerico (c) vvWine.ch

2010, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Mittleres Rubin. In der Nase noch verhalten, wirkt geheimnisvoll, zurückhaltend, kühl und eher rotfruchtig, viele Kirschen, Minze-Kräuter, öffnet sich mehr und mehr im Glas, man möchte Eintauchen, die Gewürze wechseln sich ab mit floralen Noten, herrlich! Im Gaumen straff, sehr gut strukturiert, druckvoll, dicht, noch wild, jugendlich mit äusserst feinen Gerbstoffen, einer top Säure, wirkt super ausgewogen, zeigt Frische, eine knackige Frucht und einem herrlich langen, leicht salzigen Abgang. Bravo! Kann angetrunken werden, hat jedoch sehr gute Reserven. Kauftipp! Jetzt bis 2035+ 19 vvPunkte (96/100)

2013, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Mittlers Rubin, schöner Glanz. Sehr offene, ausdrucksstarke Nase, eingekochte Früchte, Erdbeere, Kirsche, Kräuter, wirkt recht exotisch aber auch sehr komplex. Im Gaumen ein Mix aus Wärme und einer gewissen Krautigkeit, die Gerbstoffe sind markant, noch jugendlich, eine signifikante jedoch gut integrierte Säure verleiht viel Frische. Im Abgang mit sehr schöner Länge, endet ungemein würzig und charaktervoll. Der Wein braucht definitiv noch etwas Reife, dürfte dann aber ein langes Trinkfenster bieten. 2025 bis 2037+ 19+ vvPunkte (94+/100)

2015, Barolo Ciabot Mentin, Azzienda Domenico Clerico, Piemont, Italien: Leuchtendes Rubin. Intensive, noch junge Nase, sehr fruchtbetont, rote Kirschen, Johannisbeeren, Himbeeren, auch Orangenzesten, dann mit Luft viele, viele Veilchen, dazu Minze, ein wunderbarer Duft, verändert sich, zeigt Tiefe und eine ausgezeichnete Komplexität. Im Gaumen mild, reif, rund aber nicht schwerfällig, die Frucht harmoniert hervorragend mit der Struktur, die Gersbstoffe sind zu 100% reif, sehr fein gewoben, die Säure wirkt etwas weniger ausgeprägt als beim 2013er, ist jedoch im Kontext des Gesamtbildes mit den Tanninen sehr gut dosiert. Der Wein hat Rasse, Klasse, Charme und zeigt trotz einer gewissen Wärme sehr viel Eleganz. Kauftipp! 2023-2038+ 19 vvPunkte (96/100)

Die jüngsten Jahrgänge bieten deutlich mehr Finesse als die älteren, noch stärker vom Holz geprägten Jahrgänge (c) vvWine.ch

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Ueli Schiess und sein ganzes Team für die Einladung. Die Probe war hervorragend organisiert und die Verkostungs-Bedingungen waren ausgezeichnet. Und wie so oft führte Hans Bättig – in diesem Fall zusammen mit Francesco Arrivabene – souverän und mit der nötigen Prise Humor durch den Nachmittag.

Aktuell sind bei Caratello die Jahrgänge 2012, 2013 und 2014 des Ciabot Mentin erhältlich.

4 Kommentare
  1. Rainer Volz
    Rainer Volz says:

    Obwohl ich Nebbiolo mit Barrique-Ausbau nicht mag, habe ich mich neugierig für diese Probe angemeldet. Die Weine haben mich jedoch alle sehr enttäuscht (für mich zu viel Holz, alkoholisch, überreife Frucht, Mangel an Frische und Finessen). Offenbar habe ich eine Clerico-Allergie. Ich bin froh, hast du einen differenzierten, positiven Eindruck gewonnen. Danke für diese Notizen.

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    • Adrian
      Adrian says:

      Ich bin bezüglich Holz in den frühen Jahren bei dir, aber 01 zeigte mir schon, wo die Reise hingeht… 10, 15 fand ich hervorragend. Aber ja, wenn G. Conterno oder Burlotto deine Referenz sind, dann hat Ciabot Mentin definitiv mehr Holz. Für mich aber dennoch sehr stimmig. Nicht besser, aber anders…

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  2. Katarina
    Katarina says:

    Hier zu lesen, dass Domenico Clerico 2017 verstorben ist, hat mich traurig gemacht. Ich wusste das nicht. Diese Nachricht ging wohl damals an mir vorbei. Ich habe schöne Erinnerungen an seine Weine. Den Ciabot Mentin haben wir zwar nie probiert, dafür aber öfters den Pajana und den Arte. Beide fanden wir immer toll. Seit dem Beginn des riesigen Neubaus, sind das Weingut und Domenico Clerico dann allerdings aus unserem Blickfeld verschwunden. Irgendwie fanden wir, das Projekt passt nicht zum Weingut und zu den Weinen.

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