Zu Fuss vom Piemont in die Basilikata und zurück.
Anfang Woche verkostete ich im Rahmen der „Die Winzer kommen!“-Weinausstellung einige Weine aus dem reichhaltigen Sortiment von Bindella. Wegen Zeitmangel musste ich im Eilzugtempo durch die Stände und die Verkostungs-Bedingungen waren aufgrund der vielen Besucher und der deutlich zu tiefen Anzahl Stehtische nicht ideal. An ein computergestütztes Verkosten war darum nicht zu denken und so kritzelte ich meine wenigen Degustations-Eindrücke in mein schwarzes Notizbuch.
Start im Piemont.
Mein erster Halt war im Piemont. Prunotto präsentierte rund ein Duzend Weine. Ich konzentrierte mich auf die Tropfen auf Nebbiolo-Basis, welche sich allesamt geschmeidig und gut zugänglich präsentierten. Müsste ich einem Barolo/Barbaresco-Einsteiger einen Wein auftischen, Prunotto käme definitiv auf die Shortlist.
2014, Barbaresco Bric Turot, Prunotto, Piemont (100% Nebbiolo). Feine, florale Nase, Veilchen, rote Beeren, etwas Rauch. Am Gaumen würzig und mit vielen roten Früchten, für den sonst eher kräftigen und dunkelfruchtigen Bric Turtot erstaunlich leichtfüssig und frisch, ungemein saftig mit mittlerem Körper, solider Struktur und einem angenehm langen, sehr ausgewogenen Abgang. Jetzt bis 2028 geniessen. 17.5 vvPunkte (89/100)
2013 Barolo, Prunotto, Piemont (100% Nebbiolo). Sehr duftige Nase, würzig, floral, viele getrocknete Blumen, reife Kirschfrucht, Hagebutten, auch hier rauchige Noten. Sehr weicher Gaumen, einiges an Schmelz, mittlerer Körper, feine, weiche Gerbstoffe, wirkt bereits wunderbar zugänglich, endet angenehm lang und würzig. Macht jetzt schon Spass. Jetzt bis 2030 geniessen. 18 vvPunkte (90/100)
2011 Barolo „Bussia“, Prunotto, Piemont (100% Nebbiolo). Sehr offen, wunderbarer Duft, feinwürzig, rotfruchtig, zeigt einiges an Tiefe. Der Gaumen ist strukturierter, gerbstoffbetonter als beim Basis-Barolo, da ist mehr Kraft mit im Spiel doch auch viel Eleganz. Saftige, rote Beeren, wieder viel Würze, Süssholzstängel, reife Kirschen, Tabak, Leder. Langer, harmonischer Abgang. Kann angetrunken werden, sollte aber idealerweise noch 1-2 Jahre reifen. 2019-2030 geniessen. 18.5 vvPunkte (92/100)
2011 Barolo „Colonello“, Prunotto, Piemont (100% Nebbiolo). Erstaunlich helle Farbe. Sehr expressive Nase, wunderbar floral, viele Veilchen, getrocknete Rosen, dazu ein ganzes Gewürz-Bouquet, wirkt lebhaft und zeigt tiefe. Im Auftakt rein und klar, feinste Gerbstoffe stützen die knackige, rote Frucht, wieder enorm viel Würze, gepaart mit erdigen Noten, der Wein hat eine sehr solide Struktur und ist dabei hochelegant. Sehr langer Abgang. Macht jetzt schon Spass, hat Reserven. 19 vvPunkte (94/100).
Von der Super-Toskana in die Basilikata.
Vom Piemont ging’s weiter in Richtung Toskana. Ich gönnte mir einen Schluck Ornellaia. Ich gebe zu, ich habe ein etwas gespaltenes Verhältnis zu den Super-Toskanern. Oft wurde ich durch etwas gar viel Power und wenig Finesse enttäuscht. Doch was hier im Glas steht, spricht deutlich eine andere Sprache.
2014, Ornellaia, Bolgheri, Toskana (34% Cabernet Sauvignon, 32% Merlot, 20% Petit Verdot, 14% Cabernet franc). Leuchtendes Bordeauxrot, aufgehellter Rand. Noble Nase, erinnert sehr an Bordeaux, man wähnt sich in St-Julien, dunkelfruchtig, ausladend, feinwürzig mit Lakritz und dezenten Holznoten. Der Gaumen ist seidenweich im Auftakt, sehr viel Noblesse ist hier mit im Spiel, feinstes Tannin, wunderbare Säure, dicht aber hochelegant, die dunklen Beeren werden von rotfruchtigen Aromen ergänzt, der Wein zeigt sich sehr gut strukturiert und endet lang, frisch und feinwürzig. Bravo! Jetzt bis 2030+ 19 vvPunkte (94/100)
Den nächsten Stopp machte ich in der Basilikata wo mir die äusserst aufgestellte und sympathische Viviana Malafarina, Direktorin und Winemakerin des Weinguts Basilisco, ihre aktuell verfügbaren Weine präsentierte. Ich berichtete 2016 schon über den Vorgängerjahrgang 2009 des Basilisco, und sollte auch dieses Mal nicht enttäuscht werden.
2013, Teodosio, Aglianico del Vulture DOC, Basilisco, Basilikata (Rotwein – 100% Aglianico). Leuchtendes Rubin, schöner Glanz. Die Nase ist sehr expressiv, zeigt viele Kräuter, reife Kirschen, Tabak, Rauch, balsamische Noten, erstaunlich vielschichtig für einen Wein dieser Preisklasse. Der Gaumen ist straff, frisch und zeigt eine knackige Frucht, diese wird von feinen, bereits gut integrierten Gerbstoffen und einer frischen Säure getragen. Leichter bis mittlerer Körper, gute Struktur. Der Abgang ist mittellang und sehr ausgewogen. Ein eleganter Aglianico. Jetzt bis 2025. 17.5 vvPunkte (89/100)
2010, Basilisco, Aglianico del Vulture DOC, Basilisco, Basilikata (Rotwein – 100% Aglianico). Kräftiges Rubin, schöner Glanz. Vielschichtige Nase, ätherische Öle, Gewürze, Rauch, Leder, schwarze Pflaumen, Kirschen, auch Mandeln und etwas Schokolade, eine wahre Schnüffeldroge. Weicher, warm anmutender Gaumen, sehr viel Schmelz, wieder dunkelfruchtig, beeindruckende Mineralik, äusserst spannungsvoll, dicht und strukturiert, mit kräftigem Körper, sehr guter Struktur und einer tänzerischen Eleganz. Im Abgang langanhaltend und würzig. Jetzt bis 2030, 18.5 vvPunkte (92/100)
Zurück in Richtung Neapel.
Nur rund 2 Meter lang war der Weg zurück in Richtung Neapel, genauer gesagt an den Stand von Mastroberardino, wo ich die beiden Radici-Weine (Radici bedeutet Wurzeln) probierte.
2013, Radici, Taurasi DOCG, Mastrobernardino, Kampagnen (100% Aglianico). Leuchtendes Rubin, jugendlicher Glanz. Anfangs leicht reduktive Nase, braucht etwas Zeit sich zu öffnen, wird dann fruchtbetont, viele Kirschen, etwas Pflaumen, auch nussige Aromen, das Ganze unterlegt von getrockneten Kräutern, sehr komplex. Der Gaumen ist straff und zeigt eine knackige Frucht, rote und dunkle Beeren geben sich die Hand, süsser Fruchtextrakt, die Gerbstoffe sind fein verwoben, die Säure verleiht viel frische, sehr gute Struktur, im Abgang konzentriert. Der Wein wirkt aktuell noch etwas jugendlich und sollte noch 1-2 Jahre reifen. Hat Luft nach Oben. 2020-2030, 17.5+ vvPunkte (89+/100)
2011, Radici Riserva, Taurasi DOCG, Mastrobernardino, Kampagnen (100% Aglianico). Leuchtendes Rubin. Die Nase noch etwas vom Holz geprägt, zeigt aber viel Tiefe, deutlich schwarze Kirschen, Waldbeeren, dazu Gewürzbrot, Kräuter, Tabak, mit mehr Luft immer floraler werdend, verspielt, komplex, ein Schnüffelwein. Der Gaumen ist kraftvoll, dicht und dennoch elegant, sehr würzig, markante doch äusserst feine Tannine, gut integrierte Säure, lebhaft, vibrierend und mit spannender Mineralik, das Holz ist im Gaumen perfekt eingebunden, die Struktur beeindruckt. Sehr langer Abgang. Ein Kraftprotz auf dem Hochseil, ideal als Essbegleiter. 2018-2030+, 18.5 vvPunkte (93/100).
Es ruft der grosse Vogel.
Nach diesem südlichen Abstecher machte ich mich auf die Rückreise in Richtung Norden. Direkt nach dem Tunnel zwischen der Maag-Halle 1 und 2 bog ich rechts ab und traf auf den Stand von Braida. Der Bricco dell’Uccellone ist fast schon Kult. Er gehört zu den ersten Barbera-Weinen, die im kleinen Holzfass – sprich Barrique – ausgebaut wurden und ich verfolge den Wein seit über 15 Jahren (mein erster Jahrgang war, wenn ich mich richtig erinnere, ein 1997er). Die redens- und lebensfrohe Raffaella Bologna schenkte mir den Wein vom „Berg des grossen Vogels“ ein.
2015, Bricco dell’Uccellone, Barbera d’Asti, Piemont (100% Barbera). Leuchtendes Rubin. Offene Nase, vom Holzausbau geprägt, deutlich Caramel, Schokolade, dahinter reife rote und dunkle Beeren, viele Kirschen und einer fast pfeffrigen Note. Der Gaumen ist saftig und fruchtbetont, konzentrierte Beerenfrucht, gespickt mit etwas Puderzucker, das Holz kaum wahrnehmbar, die 15% Alkohol perfekt eingebunden, trotz warmem Muster wirkt der Wein nicht alkoholisch (ich hatte vor einigen Jahren schon Braida-Weine mit 16% im Glas – das machte dann keinen Spass mehr). Der Wein hat Struktur, eine knackige Säure trägt das Fruchtbündel, im Abgang mit würzigen Noten. Ich bin äusserst positiv überrascht, trotz Sonnenjahr hat Braida hier einen Uccellone gekeltert, der (für einen Barbera) äusserst elegant daherkommt. Kompliment! Jetzt bis 2028 geniessen. 18.5 vvPunkte (92/100).
Charktervolle, autochthone Sorten aus dem Trentino.
Als nächstes verkostete ich einige Weine von Elisabetta Foradori aus dem Trentino. Ich habe von ihr schon einige Male gehört, doch die nach biodynamischen Grundsätzen produzierten Weine hatte ich zum ersten Mal im Glas. Der von mir verkostete Rotwein besteht aus 100% Teroldego – eine autochthone Sorte, die gemäss dem „Istituto agrario di San Michele all’Adige“ (heute Fondazione Edmund Mach in Coneglianoenge) genetische im ersten Grad mit Lagrein und Marzemino sowie indirekt über die Traubensorte Dureza mit Syrah verwandt ist.
2015, Morei, Teroldego Vigneti delle Dolomiti IGT, Foradori, Trentino (100% Teroldego). Kräftiges Rubin, sehr dunkel. In der Nase anfangs leicht reduktiv, krautig, mit dunklen Kirschen, Leder und würzigen Komponenten, sehr gute Komplexität. Im Auftakt schlank und frisch, dennoch mit Druck, sehr feine Gerbstoffe, knackige Säure, am mittleren Gaumen zeigt sich ein süsslicher Schmelz, doch der Wein ist nicht klebrig, sondern sehr elegant. Frischer, langer Abgang. Eine Kuriosität mit lediglich 12.5% Volumen Alkohol, äusserst bekömmlich. Jetzt bis 2024, 18 vvPunkte (90/100).
2016, Nosiola, Vigneti delle Dolomiti bianco IGT, Foradori, Trentino (100% Nosiola – eine autochthone Rebsorte im Trentino). Sehr blasses Gelb. Duftige Nase, feinfruchtig mit Apfel, Pfirsich, weissen Blüten, Jasmintee, sehr delikat, leise aber komplex. Der Gaumen zeigt sich klar und rein, Präzision pur, hochelegant, konzentriert, mit Körper aber ohne jegliche Schwere, sehr gute Struktur, viel Energie und Lebendigkeit, wow, das macht Spass! Eine Entdeckung. Jetzt bis 2025+, 18.5 vvPunkte (92/100)
2015, Nosiola, Vigneti delle Dolomiti bianco IGT, Foradori, Trentino (100% Nosiola). Blasses Gelb. Noch duftiger, auch etwas reifer wirkend als der 2016er, grüner Apfel, Pfirsich, Honigmelone, Blüten, Gräser, äusserst komplex und ausladend. Im Auftakt füllig und weich, der Wein fliesst wie ein Seidentuch über die Zunge, markante Struktur, einiges an Konzentration, dabei aber äusserst ausgewogen und Elegant. Wenn der 2016er reformiert ist, ist das hier der Katholike. Nicht zwingend besser, einfach anders. Bis 2024+, 18.5 vvPunkte (92/100)
2016, Manzoni bianco, Vigneti delle Dolomiti bianco IGT, Foradori, Trentino (100% Manzoni bianco, eine Kreuzung aus Riesling und Pinot Blanc). Sehr reduktive Nase, in diesem Stadium schwierig zu beurteilen, doch hier ist etwas sehr Komplexes im Glas, zeigt mit Luft mehr und mehr Tiefe, Blumen, Apfel und Honigaromen. Der Gaumen ist knackig und frisch, sehr schöne Säure, dichte Textur, viele gelbe Früchte, Apfel, Pfirsich, gut strukturiert und mit viel Charakter. Sehr gute Länge im Abgang. Spannend, das möchte ich in 2-3 Jahren nochmals probieren… 18+ vvPunkte (90+/100)
Zum Schluss noch einmal Nebbiolo aus dem Piemont.
Als letzte Station verkostete ich die Nebbiolo-Weine von einem mir bisher nicht bekannten Weingut: Beni di Batasiolo. Warum jede der Etiketten anders daherkommt, ist mir schleierhaft, aber über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten.
2014, Barbaresco, Beni di Batasiolo, Piemont (100% Nebbiolo). Helles Rubin. Blumige Nase, getrocknete Veilchen, eingemachte Kirschen, frisch gehackte Kräuter, ätherische Noten, angenehm komplex. Der Gaumen ist zugänglich und weich, die Fruchtsüsse wird von bereits gut integrierten Gerbstoffen getragen, viele Dörrfrüchte, mittlerer Körper, solide Struktur. Im Abgang von guter Länge. Ein gut gemachter, wenn auch etwas harmloser Barbaresco, ideal für die Gastronomie. Jetzt bis 2024. 17.5 vvPunkte (88/100)
2013, Barolo, Beni di Batasiolo, Piemont (100% Nebbiolo). Helles Rubin. Würzig-florale Nase, dazu Rauch, Lakritz, Kräuter, Dörrfrüchte, Kirschen, erdige Noten, schöne Komplexität. Im Auftakt mit viel Fruchtsüsse, weich und zugänglich, eingemachte Pflaumen, Kirschen getragen von feinen Gerbstoffen und einer gut integrierten Säure. Im Abgang von guter Länge. Kein Ausbund an Komplexität aber durchaus angenehm zu trinken und mit einer gewissen Eleganz. Jetzt bis 2015, 18 vvPunkte (90/100)
2007, Barolo Riserva, Beni di Batasiolo, Piemont (100% Nebbiolo). Helles, reifes Rubin. Offene, deutlich entwickelte Nase, viele Kräuter, Tee, auch getrocknete Rosen, dahinter Dörrpflaumen, Lakritze, sehr schöne Komplexität. Der Gaumen ist weich und zugänglich, auf den Punkt gereift, die Gerbstoffe sind nach wie vor Präsent, verleihen eine gute Struktur, die Säure ist moderat, rotfruchtig mit Kirschen, Pflaumen und einem würzigen, etwas alkohollastigen Finale. Im Kontext des Preises durchaus gelungen. 18 vvPunkte (90/100)
2009, Barolo «Cerequio», Beni di Batasiolo, Piemont (100% Nebbiolo). Leuchtendes Rubin. Sehr offene Nase, florale und würzig, Veilchen, Weihnachtsgewürze, getrocknete Pflaumen, Waldboden, Rauch, Schwarztee, ätherische Noten, sehr gute Komplexität. Der Auftakt ist wuchtig, wirkt etwas hitzig, noch ungestüm, reife, rote Kirschfrucht, dazu getrocknete Pflaumen, Menthol, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, hat Charakter, feine Tannine und eine moderate Säure. Im Abgang sehr lang und mit schönem Schmelz. Ein kräftiger, noch jugendlicher Barolo mit Reserven. 18.5 vvPunkte (92/100).
Fazit: auch ohne Computer lassen sich Notizen erstellen. Es war für mich im Nachhinein zwar schwierig, meine eigenen Eindrücke zu entziffern, doch die in diesem Fall durchaus positiven Erinnerungen an die wenigen probierten Weine erleichterten mir das Schreiben massiv.
Sämtliche Weine sind bei Bindella erhältlich.
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[…] meinem kurzen Streifzug durch das Sortiment von Bindella (den Bericht dazu findet man hier) fokussierte ich mich mehrheitlich auf die Nebbiolo-Gewächse. Dabei habe ich einen Wein […]
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