Ruhig, ruhiger, Selosse.

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Es gibt viele Weinikonen auf dieser Welt, von denen man zumindest einmal im Leben einen Wein probiert haben sollte. Wenn ein Weinliebhaber Weinikonen aus der Champagne aufzählen muss, wird dieser Name höchstwahrscheinlich fallen: Jacques Selosse. Das Weingut gehört zu den renommiertesten und exklusivsten Schaumwein-Namen dieser Welt. Was nicht heisst, dass die Tropfen von Selosse einfach zu verstehen sind oder bei allen Weinkritikern auf Gegenliebe stossen. Im Gegenteil: Selosse muss und will verstanden werden. Man liebt die Weine, oder eben nicht.

Die Domaine Jacques Selosse wurde 1949 von Jacques Selosse gegründet. Auf rund 7.5 Hektar an der Côte des Blancs, verteilt auf die Gemeinden Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil-sur-Oger sowie einigen zwischen 1994 und 2003 dazu erworbenen Parzellen in der Region Montagne de Reims, wo Pinot Noir in Aÿ, Ambonnay und Mareuil-sur-Aÿ produziert wird, werden Jahr für Jahr rund 57,000 Flaschen Champagner abgefüllt.

Seit 1980 leitet Anselme Selosse die Geschicke des Weingutes. Anselme setzt dabei auf biologische und biodynamische Methoden und produziert in einem oxidativen Stil äusserst lagerfähige, tiefgründige, hocharomatische und wunderbar elegante Champagner, welche auf der Hefe in 228 Liter Eichenholzfässern reifen. Knapp 60’000 Flaschen pro Jahr für eine ganze Welt… entsprechend schwierig ist es, die Weine von Selosse zu kaufen. Wer davon etwas ergattern kann, teilt dieses Glück am besten mit Gleichgesinnten. So geschehen am Montag, 11. Dezember im Rahmen einer X-Mas Champagne Monday Bouteille im Restaurant Gustav in Zürich, welche durch meinen Weinfreund Dominik Betschart initiiert wurde.

Die verkosteten Weine.

15 Weinbegeisterte brachten je 1-2 Flaschen von Selosse mit. Dominik alias #Champagne Greenhat stellte die Degustations-Serien zusammen und innerhalb der einzelnen Flights wurde blind verkostet, geraten und vor allem genossen. Am Start standen teils verschiedene Abfüllungen von folgenden Weinen/Lagen:

  • Substance: Ein im Solera-System erzeugter Blend von zwei Parzellen in Avize, die südlich ausgerichtete Lage Le Mont de Cramant und die östlich ausgerichtete Lage Les Chantereines. Der Wein wird zwischen fünf und sechs Jahren auf der Hefe gelagert und mit einer Dosage von 1.3 bis 2.4 Gramm in Flaschen gefüllt.
  • V.O. (Version Originale): Ein Extra Brut Blend aus drei aufeinander folgenden Jahrgängen aus Avize, Cramant und Oger. Die Parzellen liegen mehrheitlich in höheren, steileren Lagen mit weniger Lehmanteil, so dass die Rebwurzeln rascher auf Kalk stossen. Sechs bis sieben Jahre auf der Hefe, 0 bis 1.3 Gramm Dosage.
  • Les Carelles: Ein Wein aus einer steinigen Süd-Südwest-Lage in Le Mesnil-sur-Oger, welche im Jahr 2002 von Selosse erworben wurde. Die Wurzeln suchen dort sehr tief nach Nährstoffen, was den Weinen eine verführerische Textur, viel Komplexität, eine steinige Mineralität und eine wunderbare Länge verleiht.
  • Millesime 2005: Stammt in der Regel aus zwei Lagen in Avize: Les Chantereines (östliche Ausrichtung) und Les Maladries du Midi (südliche Ausrichtung). Der Wein liegt neun bis zehn Jahre auf der Hefe und wird mit 0 bis 2.4 Gramm Dosage gefüllt.
  • Rosé: Ein Blend aus Avize-Chardonnay von zwei aufeinanderfolgenden Jahrgängen ergänzt durch ca. 6% Ambonnay Pinot Noir von Francis Egly. Mindestens fünf Jahre auf der Hefe gelagert, mit einer Dosage von 2.4 bis 5.5 Gramm abgefüllt.
  • Sous le Mont: Von einer 2003 erworbenen, östlich ausgerichteten Parzelle in Mareuil-sur-Aÿ. Der Magnesium-Anteil im Kalk verleiht dem Wein die oft wahrnehmbare Bitternote.
  • La Côte Faron: Ursprünglich „Contrast“ genannt, weil Selosse bei diesem Champagner immer eine Diskrepanz zwischen Nase und Gaumen feststellen konnte. Ein Blanc de Noir aus Pinot Noir von einer steilen, südlich ausgerichteten Lage in Aÿ, welche Selosse 1994 erworben hatte.
  • Le Bout du Clos: Aus einer 2001 erworbenen Lage in Ambonnay. Der lehmhaltige Boden bringt einen kräftigen, gehaltvollen Wein aus rund 80% Pinot Noir und 20% Chardonnay hervor.

Serie 1: Zwei Substance und zwei Version Original (V.O.)

Domaine Jacques Selosse, Substance, degorgiert am 15.10.2012: Dunkles Gold. In der Nase mit Mehl bestäubtes Knäckebrot, Melone, kandierte Orange, Haselnuss, braune Butter, gebratener Apfel, Zimt. Sehr feiner Gaumen, wieder Bratapfel, Caramel, salzig, sehr wenig Kohlensäure, wirkt reif, zeigt Eleganz, Weinigkeit und eine wunderbare Länge im Abgang. 18.5 vvPunkte (93/100).

Domaine Jacques Selosse, Substance, degorgiert am 23.05.2016: Dunkles Gold. Feine, florale Nase, viele weisse Blüten, Hefezopf, Mirabelle, dann auch Gurke, mit Luft Honig, reife Zitrusfrüchte. Sehr dichter Gaumen, ordentlich Körper, reife Steinfrucht, druckvoll, feine Perlage, schöne Cremigkeit. Im Abgang sehr gute Länge. 18.5 vvPunkte (92/100).

Domaine Jacques Selosse, V.O., degorgiert am 27.10.2014: Dunkles Gold. Verhaltene Nase, rauchig, kühl, steinig und weinig, Apfel, Honigblumen, Stachelbeeren, Gurke. Straffer Gaumen, sehr kühl und frisch, saftig, reife Zitrusfrucht, mit Luft immer molliger und ausladender werdend. Langer Abgang. 18 vvPunkte (91/100).

Domaine Jacques Selosse, V.O., degorgiert am 12.05.2016: Dunkles Gold. Buttrige Nase, Akazienblüten, Mirabelle, Pfirsich, Hefezopf, Kalkstein, Rauch. Vollmundiger Gaumen, viel Fleisch am Knochen, grüner Apfel, Bergamotte, mehr Schmelz aber auch etwas klarer, straffer und steiniger als der V.O. mit Degorgierdatum 27.10.2014. Schöner, druckvoller Abgang. 18.5 vvPUnkte (92/100).

Serie 2: Drei Les Carelles und ein Millesime 2005

Domaine Jacques Selosse, Les Carelles, degorgiert am 16.02.2015: Dunkles Gold. Feine Nase, anfangs verhalten, deutliche Hefearomen, dezent Vanille, mit Luft Honigblüten, Zitrusfrüchte, mehliger Apfel, Rauch und mehr und mehr weisse Blüten, viel Mineralik zeigend. Deutlich moussierend am Gaumen, vollmundig, kraftvoll, cremig, strukturiert, dabei sehr elegant, reife Zitrusfrüchte, Bratapfel, wunderbar langer, steiniger Abgang. 18.5 vvPunkte (93/100).

Domaine Jacques Selosse, Les Carelles, degorgiert am 01.02.2016: Dunkles Gold. Würzige Nase, dann viele Mirabellen, Birne, Gräser, Heu, getrocknete Blüten, Hefenoten, Caramel, Honig, herrlich komplex. Im Auftakt sehr vollmundig und dicht, viel Schmelz, etwas Brotkruste, top Säure, sehr gute Struktur, noch jugendlich und wild, kalkig-kühl, hervorragende Anlagen für die weitere Reife. Grosser Wein. 19 vvPunkte (95/100).

Domaine Jacques Selosse, Les Carelles, degorgiert am 13.02.2014: Dunkles Gold. In der Nase Caramel, Milchschokolade, „Nidletäfeli“, Datteln, Nadelholz, Blüten, Bienenhonig, feuchter Kieselstein, sehr komplex. Vollmundig, saftig, definiert, rote Beerenfrucht, ungemein frisch und sehr gut strukturiert, hochelegant. Weinig, mit wunderbarer Länge und viel Mineralik im Abgang. 19 vvPunkte (94/100).

Domaine Jacques Selosse, Millesime 2005, degorgiert am 20.11.2015: Dunkles Gold. Was für eine Nase, expressiv, hochkomplex, einerseits floral, dann aber auch ein ganzer Gemüseeintopf mit Kümmel, Sellerie, Weisskohl, dazu Brotrinde, Wild, dazu Apfel, ein mit liebe gekochter, herbstlicher Sonntagsbraten lässt grüssen, mit mehr Luft immer tiefer und gleichzeitig frischer werdend, fantastisch. Weicher, dabei aber frischer Gaumen, sehr feine Perlage, enorm viel Schmelz und Druck, saftige Frucht, sehr gute Säure, ausgewogen und im Abgang von grosser Länge, was für ein Wein! 19.5 vvPunkte (97/100).

Serie 3: Zwei Rosé und zwei Sous le Mont

Domaine Jacques Selosse, Rosé, degorgiert am 09.11.2012: Dunkles Gold. Feine, hefige Nase, Brioche, reife Aprikose, Tee, Blüten, Magenbrot, Pfirsich, Melone, Himbeeren und Nougat. Eleganter Gaumenauftakt, saftige Himbeerfrucht, Apfel, gut integrierte Säure. Sehr elegant und sehr lang im Abgang, endet auf süssliche Himbeer-Frucht. 18.5 vvPunkte (93/100).

Domaine Jacques Selosse, Sous le Mont, degorgiert am 30.01.2015: Dunkles Gold. Frische, florale Nase, viele Blüten, getrocknete Rosen, dann auch Himbeeren, wirkt noch jugendlich. Runder weicher Auftakt, solide Stuktur, dezente Bitternote, nussig, Zitrusfrüchte, wirkt insgesamt aber etwas harmloser als der vorhergehende Wein, dabei aber sehr ausgewogen und mit sehr guter Länge. 18 vvPunkte (92/100).

Domaine Jacques Selosse, Rosé, degorgiert am 11.10.2016: Dunkles Gold. Die Nase zeigt Kohlrabi, Knollensellerie, leichter Muffton, balsamische Noten, sehr gemüsig, dahinter Kalkstein, wird mit Luft immer schöner, zeigt Himbeeren, ist definitiv komplex und sehr verspielt. Der Gaumen ist gehaltvoll, zeigt viel Schmelz, reife, süsse Frucht, auch krautige Noten, gut strukturiert, fordernd, kein einfacher Wein, aber spannend. 18.5 vvPunkte (93/100).

Domaine Jacques Selosse, Sous le Mont, degorgiert am 17.02.2014: Dunkles Gold. Und gleich nochmals eine gemüsige Nase, dieses Mal Spinat, umwickelt von Blätterteig, dahinter Zitrusfrüchte, Rosinen, Apfel, Trockenblumen, Brotkruste und würzige Komponenten. Der Gaumen wirkt noch jung und frisch, sehr saftig, merklich Kohlensäure, lebhaft und energiegeladen, sehr schöne Cremigkeit, Kernobst, Caramel, Himbeeren. Im Abgang lang und salzig. 18 vvPunkte (92/100).

Serie 4: Zwei La Côte  Faron, ein Le Bout du Clos und nochmals ein Sous le Mont

Domaine Jacques Selosse, Sous le Mont, degorgiert am 23.03.2015: Dunkles Gold. Kräftige, sehr duftige Nase, deutlich Oxidation, Rosinen, Hagebutte, Traubenzucker, Limetten, grüner Apfel, Honig, weisse Blüten. Weicher, reifer Gaumen, einiges an Stoff, gestützt von gut integrierter Säure, nussig und mit Aprikosenaroma, sehr frisch und elegant. Im Abgang von solider Länge, endet leicht bitter. 18 vvPunkte (90/100).

Domaine Jacques Selosse, Le Bout du Clos, degorgiert am 24.02.2014: Dunkles Gold. Offene Nase, Quitte, gebratener Apfel, Blätterteig, Toast, Rauch, mit mehr Luft Birnenkuchen, mehr und mehr florale Noten, nasser Kiesel, sehr komplex. Im Auftakt weich und nobel, sehr gut strukturiert, am mittleren Gaumen lebhaft werdend, energetisch, nussig, Zitrusfrüchte, exotische Früchte, das Holz wahrnehmbar, stützt die hervorragende Frucht, noch jugendlich, mit Druck und sehr lang im Abgang. Hat sehr gute Reserven. 19 vvPunkte (95/100).

Domaine Jacques Selosse, La Côte Faron, degorgiert am 19.02.2015: Dunkles Gold. Anfangs verhaltene Nase, braucht Zeit, dann Creme Brulée und mehr und mehr Gräser, Blumen, Heu, Stroh, eine ganze Sommerwiese liegt vor mir. Strukturierter Gaumen, kraftvoll und dicht, dabei aber nicht schwer, grasige Noten, Kaffee, Nüsse, top Balance, ein Tänzer mit sehr viel Spannung. Im Abgang wunderbar lang. 19 vvPunkte (94/100).

Domaine Jacques Selosse, La Côte Faron, degorgiert am 07.04.2014: Dunkles Gold. Und gleich nochmals ein so wunderbarer Duft. Aprikosen, Gräser, Wiesenblüten, Mokka, Butter, Rauch, sehr intensiv, man möchte gleich darin baden. Am Gaumen hochelegant, präzis, saftig und klar, das hat Niveau und viel Finesse, eine grossartige Struktur, ein wahres Masterpiece in Sachen Präzision. Endet mit grossartiger Länge. Bitte mehr davon! 19 vvPunkte (96/100)

Wie anzunehmen war das Niveau der Verkostung sehr hoch. Eigentlich war bei jedem Wein irgendwann mal Hühnerhaut mit im Spiel. Alle Notizen und vor allem auch meine Punkte sind Momentaufnahmen. Sie können gerade in diesem Fall nur einen Bruchteil dessen wiedergeben, was in den Weinen steckt. Die Weine von Selosse müssen erfahren werden, brauchen Zeit und Musse. Es sind wahre Meditationsweine, die zwar ein Essen von A-Z begleiten können aber eigentlich ganz für sich und bei sich stehen; oder besser gesagt ruhen. Denn in der Ruhe liegt die Kraft. Mein Fazit: ruhig, ruhiger, Selosse.

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