Chateauneuf-du-Pape: Besuch bei Henri Bonneau.

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Ich kann mich gut erinnern ans Jahr 2008, als mir schlechtes Wetter, steigende Zuckerwerte, nicht ideal fortschreitende Traubenreife, zu hohe Säurewerte den Sinn für die Zeit und die Musse fürs Abwarten raubten. Roberto Dealessi, mein Freund im Piemont, sagte damals: Adriano, la nature est plus intelligente que nous, il faut attendre, ça va être juste à la fin. Ecoute, le vin c’est comme une jeune fille, il faut attendre toujours.

Manchmal dauern Dinge einfach länger. Das gilt nicht nur für meine zwei Texte über Henri Bonneau resp. Chateau Rayas, sondern vor allem auch für Wein. So ist es gerade richtig, dass diese Berichte erst jetzt entstehen, denn sie handeln von meinem Besuch auf zwei Weingütern, auf welchen die Zeit scheinbar stehengeblieben ist, wo die Zeit eine ganz andere Rolle zu spielen scheint, wo Zeit ein Konzentrat aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist.
Tag 1: Besuch bei Henri Bonneau.
 

Da wäre zum einen die Domaine Henri Bonneau. Henri, der dieses Jahr, genau einen Tag nach einer unvergesslichen Bonneau-Probe (http://mybestwine.ch/mit-gefuehl-henri-bonneau/), seiner Krankheit erlegen ist, repräsentierte alles, was man sich unter einem Charakterkopf vorstellen kann. Henri Bonneau war zurückhaltend, freundlich, überlegen, voller Passion aber auch Schalk. Henri Bonneau hielt sich nicht an Konventionen, er hasste Papierkrieg, tauschte beim Metzger lieber eine Flasche seines Weins gegen eine Côte de Bœuf als mit Bargeld zu bezahlen. Henri war ein Geniesser. Und er machte Weine für Geniesser. Ganz bescheiden, fern moderner Kellertechniken und trotzdem sind seine Weine gross, sehr gross sogar.

Cave Fermé, steht an einem unscheinbaren Hauseingang mitten im Ort Chateauneuf-du-Pape. Nach sechs Stunden Autofahrt und einem mittelmässigen Kaffee im La Mule du Pape in Chateauneuf-du-Pape klingeln wir an der Türe von Henri Bonneau. Ein grosser Moment im Leben eines Weinliebhabers, denn die Weine von Henri Bonneau sind nicht nur Kult, rar und relativ teuer, sie sind vor allem auch wirklich anders, brechen mit allem, was man sich landläufig unter Chateauneuf-du-Pape vorstellt, sind eine Antithese dessen, was wir aus diesem Gebiet getrunken haben. Ebenso eine Antithese zu allem, was man sich unter einem guten Weinkeller vorstellt, sind die Kellerräume bei Bonneau.

Wir steigen hinab, und nehmen einen Augenschein. Uralte Fässer, kein auf Hochglanz polierter Boden, überall Spinnweben und wo man hin sieht Schimmelpilze an den Wänden. Keine moderne Abfüllanlage, überhaupt gar keine Infrastruktur. Nur alte Holzfässer und eine feucht-moderige Gruft, fast etwas unheimlich, wäre dieser Keller nicht gleichzeitig durch die enorme Aura von Henri Bonneau gefüllt.

Henri spricht nicht viel, sein Sohn Marcel lächelt. Daniel Combin gibt in seiner ruhigen Art Rückendeckung. Es ist ein unheimlich spannender Moment, als Marcel mit der Pipette jedem einen Schluck direkt ab Fass einschenkt. Das 2014er Fassmuster fliesst hell und klar ins Glas. Man kann es kaum fassen, diese dreckigen, alten Fässer geben einen strahlend klaren Wein preis. In aromatischer Komplexität und Feinheit einmalig, unerreicht, zarte, fast Pinot-artige Frucht, weich und schon erstaunlich zugänglich, doch gleichzeitig mit viel Struktur unterlegt, präsentiert sich dieser 2014er der irgendwann als Réserve des Celestins in die Flasche gefüllt werden wird.

Und so geht es weiter, Fass um Fass, scheinbar unstrukturiert und doch mit klarem Plan zeigt uns Marcel verschiedenste Weine. Fässer aus denen voraussichtlich einmal eine „Cuvée Marie Beurrier“ wird, andere Fässer, welche die zukünftige „Réserve des Celestins“ beinhalten, viele verschiedene Fässer und viele verschiedene Jahrgänge. Ein Wein ist schöner als der andere, man möchte jeden am liebsten schlucken. Henri Bonneau bleibt dabei im Hintergrund, nimmt ab und an einen Probeschluck aus seinem Tastevin und ist sichtbar stolz, auf das, was er geschaffen hat.

Henri Bonneau, im Hintergrund, zufrieden und stolz (c) vvWine.ch

Henri ist aber überhaupt nicht scheu, er scheint es sogar ein wenig zu geniessen, als ich ihn frage, ob ich denn ein Foto machen dürfe. Zufrieden, überlegen und doch sehr bescheiden schauen Vater Henri und Sohn Marcel in die Kamera. Auf Komplimente zu den Weinen reagiert Marcel unverkrampft aber fast etwas verlegen.

Seine eigene Cuvée namens „Les Rouliers“ ist in der Regel ein Wein aus mehreren Jahrgängen und wird darum ohne Jahrgang als simpler „Vin de France“ verkauft. Qualitativ hält aber bereits der vermeintlich „kleine“ Roulier mit vielen Chateauneuf du Pape Weinen mit. Eine Verkostungs-Notiz von vvWine zum Les Roulier findet man hier. Ich kann diesen Einstiegs-Wein von Bonneau nur wärmstens empfehlen. Wer einmal für wenig Geld die Stilrichtung von Henri Bonneau kennenlernen will, lege sich ein paar Flaschen „Les Roulier“ zu, welche in der Schweiz ab und zu für etwas mehr als 30 Franken bei Le Millesime erhältlich sind.

Henri Bonneau und Sohn Marcel (c) vvWine.ch

Nach sicherlich 20 Fassproben begeben wir uns wieder raus aus der Gruft. Die Sonne scheint grell und für einen kurzen Moment sehen wir nichts mehr. Wir sind geblendet, nicht nur von der Sonne, sondern vor allem auch, von der eindrücklichen Kraft der Bonneau-Weine. Es ist nicht die schwere, dichte, alkohollastige und teils fast etwas verkochte Art der Chateauneuf-du-Pape-Weine. Nein, die Weine von Bonneau faszinieren durch viel Frische, Komplexität und eine faszinierende innere Spannung.

Marcel & Henri Bonneau mit Adrian van Velsen (c) vvWine.ch

Es ist bereits kurz vor zwölf. Henri signalisiert, dass er nun Mittagessen will und dass wir seine Weine in einer geselliger Runde geniessen sollen. Ein kurzer Schwatz, ein paar Erinnerungs-Fotos und vorbei ist der Einblick in eine Welt, die scheinbar stehen geblieben ist und deren Protagonisten gleichzeitig visionär, bescheiden und voller Esprit in die Zukunft blicken. Henri lebt nicht mehr, doch er und sein Schaffen bleiben unvergesslich.

Die anschliessende Verkostung fand bei Daniel Combin zu Hause statt. Wie von Henri gewünscht, genossen wir die Weine in lockerer Runde und ich machte mir darum keine Notizen. Wir probierten den Chateauneuf-du-Pape 2003, die Réserve des Celestins aus den Jahren 2008, 2007 und 2001, die Cuvée Marie Beurrier aus 2006 und 1997 sowie eine ganz seltene, nur in den besten Jahren produzierte Cuvée Speciale aus 1998, eine absolute Rarität. Die einzige Notiz, welche ich allerdings problemlos im Kopf behalten kann lautet: Grossartig!

Hier geht es zum zweiten Teil, einem Bericht über den Besuch bei Chateau Rayas.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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  1. […] vielleicht nicht perfekt, doch wen interessiert das schon? Wie bei meinen Besuchen bei Rayas und Bonneau stehen hier Weine im Glas, die vom Terroir und einer magischen Weinpersönlichkeit geprägt sind. […]

  2. […] Keller von Broger herrscht ein Mikroklima, das mich ein wenig an meinen Besuch bei Henri Bonneau erinnerte. Es hat Spinnweben an den Wänden, es wirkt alles wild und chaotisch, manche würden es […]

  3. […] unserem eindrücklichen Besuch im Keller von Henri Bonneau führten uns Christian Sigenthaler und Markus Utiger von Le Millesime zu einem weiteren, sehr […]

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