Castello di Ama: Terroir, Passion und eine grosse Aura.
Kunstinstallation auf Castello di Ama, Kendell Geers, 2003 „Revolution/Love“ – Foto (c) vvWine.ch |
Es war kalt und es schneite am 29. Februar, als ich Ama 2013 und San Lorenzo 2011 von Castello di Ama im Papiersaal Zürich verkostete (die Notizen dazu gibt es hier). Doch die Weine hauchten mir genau genügend Wärme ein, ohne dass mir diese zu stark in den Kopf steigen sollte. Denn die Weine von Castello di Ama waren an diesem kühlen Spätwintertag äusserst frisch, saftig und sehr bekömmlich, obwohl das Weingut im Herzen des Chianti liegt. Sie waren nicht breit, alkohollastig und mastig wie man es von einigen Tropfen aus der Toskana erwarten würde. Nein, die Ama-Weine präsentierten sich tänzerisch leicht, hochelegant und dennoch mit sehr viel Struktur. Genau auf meiner Linie also. Und so wollte ich dem Geheimnis dieser wunderbaren Weine einen Schritt näher kommen.
Eingang zur Enoteca auf Castello di Ama, (c) vvWine.ch |
Es kündigt sich am 20. April ein frühsommerlich warmer Tag an, als ich zusammen mit meiner besseren Hälfte und meinem Simon Vineo morgens um 9.15 Uhr auf Castello di Ama eintreffe. Monica Petreni begrüsst uns freundlich und stellte uns Marco Pallanti, Mitbesitzer und Chef-Oenologe von Castello di Ama vor. Marco führt uns, nicht wie auf Weingütern sonst üblich zuerst durchs Weingut, sondern direkt in den Verkostungsraum. In vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit. Vier mundgeblasene Zalto-Gläser stehen hier für die Verkostung bereit.
Marco Pallanti vinifizierte bereits 34 Jahrgänge auf Ama. Sein Erfahrungsschatz ist riesig, seine Passion wohl noch grösser und seine Aura als Person ist beeindruckend, sie füllt den Raum sofort mit positiven Schwingungen. Das Funkeln in Marcos Augen spricht Bände und jedesmal wenn wir das Thema Frische, Finesse und Eleganz anschneiden, strahlt er über sein ganzes Gesicht. Sichtlich stolz, stolz auf das von ihm Geschaffene, auf seine Weine welche die Geschichte eines grossartigen Terroirs erzählen, auf seine Weine die über eine wunderbare Finesse verfügen. Weine, die mich in ihrer Grösse und Noblesse an Ch. Margaux denken lassen.
Marco Pallanti, Mitbesitzer und Chef-Oenologe auf Castello di Ama, (c) vvWine.ch |
Sein Handwerk hat er im Bordeaux gelernt wo Marco Pallanti an der Oenologie-Fakultät studiert und abgeschlossen hat. Seit dem Jahr 1982 wirkt er auf Castello di Ama mit. Zusammen mit seiner Frau Lorenza Sebasti leitet er das Gut und versucht Tag für Tag und Jahr für Jahr seine Liebe zum Chianti Classico in Form von perfekten aber dennoch ehrlichen, authentischen Weinen in die Flasche zu bringen.
Castello di Ama erstreckt sich auf insgesamt rund 65 Hektar und umfasst Weinberge, welche teils auf 450 Meter ü. Meer liegen. Diese hohen Lagen sind, zusammen mit den eher kargen, steinigen Böden sowie dem Know-how und Fingerspitzengefühl von Marco Pallanti das dreifaltige Geheimins von Ama.
Castello di Ama Vigneto Bellavista, (c) vvWine.ch |
Wir verkosten insgesamt acht Weine zusammen mit Marco. Meine Notizen sind dabei wie immer Momentaufnahmen, welche in kurzer Zeit am Computer entstanden sind und den Weinen nie und nimmer gerecht werden. Denn ich möchte an dieser Stelle wieder einmal betonen, dass Weine generell und die Ama-Weine im Speziellen, Zeit verdient haben. Wein ist Terroir, Passion, Leben, Liebe und Kunst in flüssiger Form. Somit können Verkostungsnotizen wie die nachfolgenden immer nur einen Bruchteil dessen wiedergeben, was sich wirklich in einer Flasche verbirgt.
Castello di Ama Rosato 2015, AMA 2014, San Lorenzo 2011 und haiku 2011 (c) vvWine.ch |
2015, Castello di Ama, Rosato: mittelkräftiges Rosé, strahlender Glanz. Die Nasse intensiv duftend mit Noten von Hinbeeren, floralen und auch mineralischen Anklängen, angenehm tief, komplex und frisch. Am Gaumen weich im Auftakt, wider sehr frisch mit saftiger, Himbeerfrucht, einer feinen Würze sowie einer spannenden Salzigkeit. Der Wein ist dicht dicht, mit guter Struktur und doch wunderbar leichtfüssig und trinkanimierend. Ein sehr schöner Rosé. 2016-2018, 17.5 vvPunkte, (88/100)
2014, Castello di Ama, AMA: mittleres Rubin, jugendlicher Glanz. In der Nase frisch und feinwürzig mit einer sauberen, klaren Frucht die an Kirschen und reife Himbeere erinnert, dazu Trockenblumen und Sanddorn, gute Komplexität ohne zu überfordern. Am Gaumen sehr frisch beginnend, eher leichter Körper doch mit guter Struktur, zur Kirschfrucht gesellen sich Aromen von roter Johannisbeere dazu, umrahmt von einer feinen Würze, das ist wunderbar saftig, knackig und frisch. Ein zugänglicher, einfacher aber ganz und gar nicht banaler Chianti. Im Abgang angenehm lang und stimmig. Trinkfreude pur, macht heute schon Spass und will – am besten jung – bei Tisch mit Freunden genossen werden. Ganz im Sinne von „a tavola non s’invecchia“. 2016-2024, 17.5 vvPunkte, (88/100)
2011, Castello di Ama, San Lorenzo: mittleres Rubinrot, schöner Glanz. Die Nase sehr tief und nobel, das Holz noch dezent wahrnehmbar, wunderbar fruchtig und floral mit Noten von Veilchen, Kirschen, blauen Beeren, etwas Rauch und Torf, sehr gute Komplexität. Am Gaumen einladend und weich im Auftakt, dann verändert sich der Wein, zeigt die Zähne, wird straff um sich dann doch wieder im Mund auszubreiten, da ist viel Spannung und Finesse im Spiel, eher rotfruchtige Aromen mit ein paar dunklen Beeren durchmischt. Die Gerbstoffe sind sehr fein, präzis geschliffen, die Säure ist perfekt integriert. Im Abgang langanhaltend und würzig. Ein sensationell finessenreicher Wein der bereits heute Trinkfreude bereitet und doch gut reifen kann. 2016-2028, 18.5 vvPunkte, (93/100)
2011, Castello di Ama, haiku: Erstmals 2009 produziert, Assemblage aus Sangiovese, Merlot und Cabernet Franc: Sehr dichtes Rubin, jugendlicher Glanz. In der Nase tief und feinwürzig, sehr nobel, dunkelfruchtig mit einem Hauch Krautigkeit. Der Gaumen straff, klar und präzis, da ist eine sensationelle Frische, die Frucht ein Mix aus roten und dunklen Beeren, geschliffenes, qualitativ hervorragendes Tannin, modern, makellos und präzis mit einer feinen, perfekt integrierten Säure. Ein sensationell finessenreicher Wein mit solider Struktur und einem sehr guten Reifepotential. 2016-2030. 18.5 vvPunkte, (92/100)
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2011, Castello di Ama, Vigneto Bellavista: dichtes Rubin, strahlender Glanz. Sensationelle Nase, das ist tief und extrem komplex, grossartig dieser Duft, floral, rauchig, mineralisch, würzig, eine wahre Droge, ein Schnüffelwein. Am Gaumen wie San Lorenzo weich beginnend, auch dieser Wein extrem präzis und klar, das ist pure Finesse, eher rotfruchtige Aromen gestützt von feinsten Gerbstoffen und einer perfekt eingebundenen Säure. Das ist der grosse Bruder von San Lorenzo nur alles noch einmal konzentrierter und dichter ohne dabei schwer zu sein. Man kann diesen Wein heute schon trinken, so wie alle grossen Weine auch in ihrer Jugend Spass machen können. Präzision und Eleganz auf sehr hohem Niveau, ein Ch. Margaux aus der Toskana. Mein „coup de coeur“ von Ama. 2016-2035, 19 vvPunkte, (96/100)
2011, Castello di Ama, Vigneto La Casuccia: sehr dichtes Rubin, jugendlich. Die Nase ist tief, wirkt etwas wärmer als Bellavista mit deutlich mehr dunkler Frucht, dazu Rauch und Torf, feinwürzig, verspielt, auch hier sehr viel Noblesse im Spiel. Am Gaumen dicht und gradlinig, fast noch etwas verhalten, mit Luft kommt die wunderbare Furcht, sie erinnert an dunkle Kirschen, Waldbeeren und tanzt mit Hunderten von roten und schwarzen Johannisbeeren, sehr präzise Gerbstoffe, grossartige Säure, der Alkohol perfekt eingebunden. Der Wein ist unglaublich dicht aber nicht fett. Auch hier, grosse Eleganz und ein sehr gutes Lagerpotential. Ein grosser Wein. 2016-2040, 19.5 vvPunkte, (97/100)
2011, Castello di Ama, L’Apparita: extrem dichtes Rubin, sehr jugendlich. In der Nase tief und nobel, man möchte ins Glas eintauchen, Aromen von Eukalyptus, Minze, Brombeeren, dazu eine feine Tabakwürze, sensationell komplex, sich ständig verändernd. Am Gaumen wunderbar weich beginnend, das ist fast schon ein Schmeichler, dann breitet sich der Wein aus, vollmundig, sanft, kraftvoll und trotzdem extrem frisch, die Frucht ist saftig, klar und rein, hier ist alles an seinem Platz, die Frucht ist fein verwoben mit den sehr markanten Gerbstoffen, die Säure ist reif und stützt das Kraftpaket. Ich bin sprachlos ab so viel Frische von einem Merlot-Wein aus der Toskana, grossartig! 2016-2040, 19 vvPunkte, (96/100)
2014, Castello di Ama, Al Poggio: sehr klares Gelb, schöner Glanz. Die Nase zeigt sich offen und doch angenehm tief, leicht nussig, mit Aromen von Akazienhonig und frischen Gräsern, frisch und feinwürzig. Am Gaumen klar und rein beginnend, auch hier wieder diese Ama-typische Frische, das Holz perfekt eingebunden, wieder Noten von Honig, dazu Zitrusfrüchte, etwas rosa Grapefruit und würzige Komponenten. Im Abgang von sehr schöner Länge und einer grossen Ausgewogenheit und inneren Ruhe. Es gibt ihn also doch, einen guten Weisswein aus der Toskana. 2016-2023, 18 vvPunkte, (91/100)
Simon Vineo (Jg 2007) mit Marco Pallanti und einer Magnum Castello di Ama Vigneto Bellavista 2007, (c) vvWine.ch |
Beim anschliessenden Rundgang auf dem Weingut zeigt uns Marco Pallanti die verschiedenen Kunst-Installationen auf Ama. Das Funkeln in seinen Augen ist bei der Kunst genauso wie beim Wein vorhanden. Marco Palanti ist ein wahrer Grand Seigneur, ein wunderbar positiver Mensch, ein Querdenker, ein ruhiger Macher. Das ist hoffentlich nicht der letzte Einblick ins Schaffen dieses Mannes. Denn ich bin sicher, hier kann ich bei jedem Besuch wieder etwas dazulernen. Die Wahrnehmung von Wein und Kunst sind immer eine Frage des eigenen Standpunktes. Grazie mille Marco Pallanti!
Sulle vigne: punti di vista, 2001, Daniel Buren – Foto (c) vvWine.ch |
Die Weine von Castello di Ama sind in der Schweiz bei Martel erhältlich.
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