Leere Flaschen als Ziel.

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Nachdem ich 2021 an dieser Stelle über die Weine von Castello di Vicarello berichtet habe, da mich die Weine mit ihrer hohen Qualität überzeugten, nahm ich die Chance wahr, Brando Baccheschi Berti von Castello di Vicarello in Zürich persönlich zu treffen, um mit ihm die jüngsten Jahrgänge zu verkosten. Wir trafen uns in kleinem Rahmen zu einem italienischen Lunch und konnten unbeschwert über die Geschichte des Weingutes, die biologischen Methoden im Weinberg, aktuelle Markt-Herausforderungen und natürlich die Weine von Castello di Vicarello sprechen.

Ein Satz, der Brando auf die Frage, wie er seine Weine umschreiben würde, sagte, blieb mir besonders in Erinnerung, denn er bringt den Kern des Weingenusses auf den Punkt. Sinngemäss sagte Brando: «Mir ist wichtig, dass die Weine komplex, strukturiert und qualitativ hochwertig sind, vor allem aber müssen sie Trinkfreude bieten; die Flaschen müssen am Ende des Abends leer sein, sonst waren sie nicht gut genug.» Dieser Satz klingt einleuchtend und eigentlich selbstverständlich. Doch eine Selbstverständlichkeit ist es warhlich nicht, dass Weine, auch teurere Exemplare, von A-Z Trinkfreude bereiten. Zu oft erlebe ich, dass man zwar einen qualitativ hochwertigen, komplexen und sehr gut strukturierten Wein im Glas hat, bei dem sich aber dennoch die Lust aufs zweite Glas oder noch schlimmer auf den zweiten Schluck nicht einstellt. Gerne redet man sich in solchen Fällen ein, dass der Wein sicherlich noch besser werden wird. Vermutlich braucht er etwas Reife, ist noch zu jung, oder er braucht etwas Zeit im Dekanter, oder man müsste etwas dazu essen, etc. etc. Natürlich ist es richtig, dass sich Weine mit einer gewissen Reife, genügend Luftzufuhr oder im Kontext von Speisen anders und teils noch besser präsentieren. Doch Hand aufs Herz: Ein grosser Wein ist ist immer gross und ein Wein, bei dem man keine Lust auf ein zweites Glas hat, ist im Prinzip die Zeit nicht wert, die man diesem Tropfen widmet.

Die Weine von Castello di Vicarello gehören definitiv zu den Weinen, bei denen am Ende der Flasche noch etwas Abend übrig bleibt und ich möchte meine Leserschaft in der Schweiz (in Deutschland wird der Wein in den nächsten Monaten erhältlich sein…) motivieren, sich zumindest einmal den «Merah 2018» zu gönnen, der für überschaubare 25 Franken bei Bottega del Vino erhältlich ist.

Flaschen, die leer werden: Weine von Castello di Vicarello (c) vvWine.ch

2018, Merah Toscana IGT Rosso, Castello di Vicarello, Toskana, Italien (100% Sangiovese, 50% im Stahltank, 50% in grossen Holzfässern ausgebaut). Rubinrot, kräftig leuchtend. Expressiv und würzig in der Nase, sehr Sangiovese, viele Kirschen, ein Hauch Erdbeeren, florale Töne, die an Veilchen erinnern, mit mehr Luft auch Pflaumennoten, ein sehr delikater Duft. Im Gaumen frisch und gut strukturiert, mittlerer Körper, die Textur ist cremig und der Wein wirkt schon jetzt sehr zugänglich, ungemein balanciert, nicht überladen und mit angenehm langem, rotfruchtigem und feinwürzigem Finale. Ein gefährlich süffiger, jedoch in keiner Form banaler Sangiovese, sondern ein äusserst niveauvoller Wein. Ab sofort bis 2030+. 90/100 vvPunkte.

2019, Poggio Vico IGT, Castello di Vicarello, Toskana, Italien (100% Malbec, von in Italien geklonten Mendoza-Rebstöcken. 2000 Flaschen Produktion. Abgefüllt mit Nomacorc). Kräftiges Bordeauxrot. Dunkelfruchtig geprägte Nase, schwarze Kirsche, Brombeeren, Blaubeeren, Eukalyptus, blonder Tabak, keinerlei Krautigkeit, sehr sauber. Im Gaumen saftig und frisch, merklich Gerbstoff, diese sind fein gewoben, eine gute Säure stützt die knackige Frucht, der Wein hat Rasse und Zug, zeigt eine ausgezeichnete Balance und top integriertes Holz. Langer Abgang mit dunkelfruchtigen Aromen und wiederum etwas Eukalyptus im Retrofinale. Ein ausgezeichneter und sehr zugänglicher Malbec! Bis 2033 geniessen. 90/100 vvPunkte.

2015, Terre di Vico IGT, Castello di Vicarello, Toskana, Italien (Neu enthält die Assemblage neben 65% Sangiovese und 25% Merlot auch 10% Cabernet Franc). Kräftiges Bordeauxrot. In der Nase mit leicht rauchigen Noten, Pflaumen, Kräuter, schwarze Kirschen, Süssholz und dunkle Schokolade, dazu auch etwas Leder und Tabak, sehr komplex. Im Gaumen kräftig, reichhaltig und doch elegant, auf den Punkt gereifte Frucht, feine Tannine, zeigt aromatisch bereites eine erste Evolution, ist aktuell perfekt trinkreif, hat jedoch Reserven. Trinkspass ab jetzt bis 2032. 92/100 vvPunkte.

2015, Castello di Vicarello IGT, Castello di Vicarello, Toskana, Italien (45% Cabernet Franc, 45% Cabernet Sauvignon, 10% Petit Verdot, ausgebaut in 160, 225 und 300 Liter Fässern aus französischer Eiche. Produktion von nur 3500 Flaschen). Sehr kräftige Farbe. In der Nase expressiv, viele Trockenkräuter, dunkle Beeren, Zedernholz, Weihnachtsgewürze, verändert sich ständig, zeigt auch eine frische, an Minze erinnernde Note, dazu Eukalyptus, herrlich komplex. Im Gaumen kräftig und konzentriert, satte Frucht, viel Schmelz, sehr feinkörniges Tannin, stimmige Säure, der Wein hat Kraft, strahlt eine gewisse Wärme aus, bleibt jedoch elegant. Im Abgang lang, mit einem Mix aus dunklen und Roten Beeren sowie würzigen Rückaromen. Etwas runder und wärmer im Stil als der 2013er, jedoch mit verführerischem Charme ausgestattet. Jetzt bis 2032+ 94/100 vvPunkte

Die Weine sind aktuell nicht ganz einfach zu finden, doch Brando arbeitet an der Distribution und sagte mir, dass die Weine zumindest in Deutschland bald bei einem Händler zu kaufen sein werden. Bis dahin verweise ich für die Suche auf Wine-Searcher.

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