Von CX zu WX: Winemaker.com
In Deutschland heissen sie Vicampo oder wirWinzer und sie präsentieren auf ihren Websites respektive Weinmarktplätzen eine ganze Menge von Weinen im besten Licht. Sie vermarkten diese zum «Ab-Hof-Preis» und verzichten zu Gunsten einer breiten Auswahl fast gänzlich auf eine eigene, ausgeklügelte Logistik, sondern lassen die Weine direkt durch die Winzerbetriebe versenden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Weininteressierte Menschen können auf einer einzigen Plattform eine breite Auswahl an Weinen in gut verdaubarer Form entdecken und zu konkurrenzlos günstigen Preisen bestellen. Der Nachteil: Pro Versender (also pro Weingut) fallen bei kleinen Bestellmengen Versandkosten an, was vor allem bei breit diversifizierten Bestellungen rasch ins Geld gehen kann.
Seit 2020 gibt es in der Schweiz die Plattform Winemaker.com. Sie wurde vom Unternehmer Elian Kool gegründet, der in seinen früheren Jahren die auf CX (Customer Experience) spezialisierte Firma Netcentric gegründet hat und diese im Jahr 2017 an Cognizant verkaufte. Vermutlich hat sich Elian gesagt: Wer CX kann, kann auch WX (Wine Experience), denn aktuell ist die digitale User Experience im Weinbereich nur selten erlebbar. Neben Elian kümmert sich ein mittlerweile rund 15 Personen grosses Core-Team in der Schweiz, Frankreich und Barcelona um Produktentwicklung, Content-Erstellung, Marketing, Kundenservice sowie um die Kommunikation und Koordination mit den Weingütern. Zusätzlich erstellen mehr als 25 freie Mitarbeitende Texte, Bilder und Videos für die einzelnen Güter.
Winemaker.com ist technisch und grafisch gut gemacht. Die Weinbetriebe werden übersichtlich auf einer Karte dargestellt und die Portraits sind mit Blog-artigen Mini-Artikeln gespickt, die dem Ganzen zumindest vordergründig einen journalistischen Touch geben. «Content x Commerce» nennt man das im Fachjargon.
Die Auswahl an Weingütern war in der Anfangsphase (ich störberte vor einigen Monaten schon einmal auf der Seite rum) noch sehr beschränkt, hat sich aber in der Zwischenzeit gut entwickelt. Bis heute haben sich in jeder Weinregion eine stolze Anzahl an Winzerbetrieben dem Winemaker-Projekt angeschlossen und gemäss Aussagen des Gründers kommt die Expansion nicht nur in der Schweiz sondern auch im angrenzenden Ausland gut voran. Neben den einzelnen Weinen der Winzerbetriebe bietet die Plattform auch einige Probier-Sets an, die direkt von Winemaker.com versandt werden und neben den Weinen auch die nötigen Fact-Sheets zu den Weingütern enthalten. Ich probierte die sechs mir mehrheitlich gut bekannten Weine aus dem Prestige Set, welche die grosse Bandbreite von Schweizer Weinstilistiken wunderbar repräsentierten.
2019, Räuschling R3, AOC Zürich. (Der R3 ist ein Räuschling der von den Winzerfreunden Monica Hasler Bürgi (Weingut Rütihof), Rico Lüthi (Lüthi Weinbau) und Hermann Schwarzenbach (Schwarzenbach Weinbau) gemeinsam gekeltert wird). Helles Gelb. Duftige Nase, irgendwo zwischen Zitrusfrüchten, grünem Apfel, Gräsern und Stein. Im Gaumen schlank und frisch im Auftakt, leicht prickelnd, die super saftige Frucht wird von einer lebhaften Säure balanciert. Im Abgang von mittlerer Länge. Harmonisch, sortentypisch und sehr bekömmlich. Jetzt bis 2026 geniessen. 88/100 vvPunkte.
2018, Assemblage Cepages Blanc, Christian et Julien Dutruy, La Côte, Schweiz (Assemblage aus Chardonnay, Aligoté und Sauvignon Blanc, 14.5% Alkohol) Mittleres Gelb. Intensive und komplexe Nase, die Aromen des Sauvignon Blanc dominieren anfangs, ein wahres Parfüm, dazu reife, exotische Früchte, Mirabellen, Pfirsich, Kräuter. Im Auftakt cremig und rund , der Wein ist dicht, opulent, hat eine Rubensfigur mit reifer Frucht und einer guten Säurestruktur, das Holz wirkt dezent, allerdings macht sich der Alkohol etwas bemerkbar. Im Abgang langanhaltend, endet auf Quitte und Pfirsich. Ein üppiger, qualitativ sehr guter Wein. Jetzt bis 2024 geniessen. 89/100 vvPunkte.
2018, Mathilde Roux, Cave de l’Orlaya SA, Fully, Wallis, Schweiz (100% Petite Arvine, 15% Alkohol) Kräftiges Goldgelb. Komplexe Nase, zeigt die sortentypischen Aprikosen-Aromen, dazu auch exotische Früchte, Orangenblütenhonig, Zitronenthymian und feine, florale Noten. Im Gaumen opulent aber nicht so üppig wie die Alkohol-Angabe (15%!) auf der Etikette vermuten lässt, natürlich ist das ein sehr druckvoller, kräftiger Wein mit reifer, intensiver Frucht und einem mächtigen Körper, doch da ist auch eine sensationelle Säure, die den Wein ungemein frisch und trinkanimierend macht. Im Abgang langanhaltend, endet auf reife Aprikosen und einen Tick Salzigkeit. Ein eindrücklicher und finessenreicher Petite Arvine der jetzt schon Spass macht und dank seiner Säurestruktur wunderbar reifen dürfte! 91/100 vvPunkte.
2017, Cayas, Syrah du Valais, J.R. Germanier, Wallis, Schweiz (100% Syrah) Kräftiges Rubin, schöner Glanz. Intensive, sehr sortentypische Nase mit viel dunkler Frucht, Kirschen, Brombeeren, dazu etwas Leder, rauchigen Noten, weisser Pfeffer, herrlich. Im Gaumen sehr gut strukturiert, mittlerer Körer, feinste Tannine, saftige Säure, wunderbar frisch, dennoch mit Druck, Balance und einer Energie, die mich an einen sehr guten Côte Rôtie erinnert. Endet langanhaltend, ausgewogen, würzig und frisch. Ein super Syrah! Jetzt bis 2034, 92/100 vvPunkte.
2016, Merlot Riserva dell’Ör, Agriloro, Ticino, Schweiz (100% Merlot) Mittleres Rubinrpt, noch schöner Glanz. In der Nase mit reifer Pflaume und roter Johannisbeere, dieser Agriloro-typischen Holzwürze, darüber Kräuter und ein Duft der mich an verdunstenen Sommerregen auf einem heissen Granittisch unter der Laube erinnert, sehr Ticino. Im Gaumen weich, zugänglich, das Barrique markiert noch, ist jedoch gut eingebunden, der Wein hat Kraft, wirkt dank einer saftigen Säure aber frisch und zeigt neben Fruchtaromen eine wunderbare Würze, im Abgang eher rotfruchtig geprägt, ausgewogen und mit guter Länge. Ein klassischer Merlot del Ticino mit Niveau. Jetzt bis 2027, 91/100 vvPunkte.
2017, Brut, Cave de la Combe, Marendaz (Assemblage aus Pinot Noir und Chardonnay, 3 Jahre Hefereifung Méthode Traditionelle). Mittleres Gelb, feine Perlage. Die Nase wirkt diskret, zeigt etwas Apfel, reife Zitrusfrucht, Haselnuss, Süssholz. Im Gaumen mit feiner Mousse und einer dezenten Fruchtsüsste startend, cremig und mit guter Balance von Süsse und Säure füllt der Wein den Gaumen, zeigt einen mittelkräftigen Körper und im Abgang eine dezente Lakritzenote. Ein ausgewogener Schaumwein, ideal zum Apéro. 87/100 vvPunkte.
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