Eine Entdeckungsreise: Chenin Blanc aus Südafrika
Weintrinken ist wie alleine zu reisen: Man benötigt viel Offenheit und sollte zugleich möglichst neugierig sein, um alle Facetten dieses Abenteuers erleben zu können. Und manchmal braucht es sogar ein bisschen Mut, um den Blick über den Tellerrand zu wagen. Denn ohne diese Attribute hätte ich meinen Horizont wohl nie mit den spannenden Chenin Blanc Weinen aus Südafrika erweitert.
Erst vor wenigen Monaten hatte ich eine eindrückliche Serie von Chris Alheit im Glas, die mich aufgrund der grossen Klarheit und viel Persönlichkeit auf ganzer Linie überzeugt hat. Dieses Mal heisst das Thema erneut Chenin Blanc aus Südafrika und zwar aus dem Spitzenjahr 2017. Verkostet habe ich, zusammen mit guten Freunden, eine kleine Serie von Weinen ambitionierter Winzer, deren Parzellen sich auf verschiedene Anbauzonen verteilen. Doch obgleich unterschiedliche klimatische Bedingungen und Bodentypen vorherrschen, gibt es auch eine Gemeinsamkeit und diese heisst: Eigenständigkeit bei hoher Qualität!
Sandstein, Granit und Buschreben.
Chenin Blanc hat seine Heimat eigentlich in Frankreich, genau genommen an der Loire, wo die Sorte bereits seit dem 9. Jahrhundert angebaut wird. Während sie aus den dort vorherrschenden Schiefer- (Savennières und Anjou), Kalk- und Tuffsteinböden (Saumur und Vouvray) wunderbare Ergebnisse hervorbringt, fühlt sich die Sorte am Kap auf Sand- und Granitböden im südlichen Swartland, Olifants River, Durbanville und Stellenbosch besonders wohl. Aber auch auf Schiefer- sowie eisenhaltigen Lehmböden im nördlichen Swartland und der False Bay, entstehen hervorragende Weine. Natürlich haben auch die klimatischen Bedingungen einen grossen Einfluss und so suchen eifrige Winemaker stets nach hohen Anbauzonen sowie Weingärten in Küstennähe. Beides sorgt für kühle Nächte, was der Frische und Komplexität zu Gute kommt. So haben sich in den letzten Jahrzehnten einige hochklassige Chenin Blanc Terroirs ihre Namen gemacht, wie etwa der Paardeberg und Skurfberg (beide Swartland), die Weingärten in Durbanville (Tygerberg) sowie der Bottelaryberg, Simonsberg und die küstennahe False Bay in Stellenbosch.
Der besondere Schatz von Südafrika sind aber die alten Buschreben. Kaum zu glauben, dass die Trauben dieser Gobelet-Pflanzen bis vor kurzem teilweise in einfachen Massenweinen oder Sekt gelandet sind. Die Winzer haben aber zunehmend die hohe Qualität dieser alten Anlagen entdeckt und sind von deren Potential überzeugt. Die Trauben wachsen bei diesen Buschreben rund um den Stock und erreichen aufgrund der unterschiedlichen Sonneneinstrahlung heterogene Reifegrade. Diese Tatsache sorgt nicht nur für ein grosses Aromenspektrum, sondern bringt – zumindest aus Sicht vieler Erzeuger – das Terroir authentischer ins Glas. Zugleichen resultiert aus diesen alten Stöcke ein Traubenmaterial, das durch eine grosse Aromenkonzentration sowie viel Komplexität besticht. Die ältesten wurzelechten Chenin Blanc Buschreben am Kap stehen übrigens in Mev. Kirsten am Fusse des Bothmaskop Mountain in Stellenbosch. Dieser Weingarten wurde nach dem Namen seiner damaligen Besitzer benannt und zwischen 1905 und 1920 angelegt. Aus diesen alten Parzellen, welche gerade mal 7 bis 10 hl/ha Ertrag liefern, füllt Eben Sadie seit 2012 jährlich ein paar hundert Flaschen ab – ein wahrliches Chenin Blanc-Unikat!
Keine Loire-Kopie sondern Weine mit eigener DNA.
Nebst Eben Sadie und Chris Alheit sind immer mehr Winzer auf der Suche nach alten Weingärten und geeigneten Anbauzonen – und das mit Erfolg! Ein grosser Einfluss auf solche Projekte hatte «The Swartland-Revolution» – eine Bewegung die vor rund zehn Jahren von Avantgarde-Pinonieren wie Adi Badenhorst, Craig Hawkins (Lammershoek), Mullineux, Eben Sadie und Donovan Rall (Rall Wines) ins Leben gerufen wurde. Nebst Chenin Blanc haben diese Winzer vor allem mit ihren frischen Rhône-Blends aus Shiraz, Grenache und Cinsault auf sich aufmerksam gemacht.
Ob die Sorte Chenin Blanc nun in Südafrika eine neue Heimat gefunden hat? Ich würde sagen keine neue, sondern eine weitere. Zumal hier Chenin Blanc seit dem 17. Jahrhundert angebaut wird und historisch unter dem Namen «Steen» bekannt ist. So oder so: Wer hier eine Kopie der Loire-Version sucht, liegt komplett falsch. Klimatisch bedingt, sind in Südafrika die Säurewerte tiefer und die Fruchtaromatik zurückhaltender, zugleich werden die Trauben hier aber auch einen Tick reifer. Zudem werden am Kap oftmals Klone verwendet, die sich im Laufe der Zeit an das trockene und heisse Klima angepasst haben.
Die Verkostungsnotizen.
Trotz den extremen Anbaubedingungen, hatte ich auch in dieser Verkostung keine Trinkmarmelade, sondern frische und straffe Crus mit Charakter im Glas. Doch natürlich ist und bleibt alles eine Frage des persönlichen Geschmacks. Unabhängig davon, sprechen wir hier ohne Wenn und Aber von schnörkellosen Terroirweinen – authentischer als so manch hoch gelobte Gewächse aus Europa. Für alle, die sich nun ebenfalls auf ein Trinkabenteuer einlassen möchten, anbei meine Verkostungsnotizen von diesem spannenden Flight!
2017, Boschkloof Kottabos, Stellenbosch, Südafrika (100% Chenin Blanc aus zwei kühlen Parzellen nahe der False Bay mit Granitböden, ausgebaut für 10 Monate auf der Feinhefe in gebrauchten Holzfässern): Mittleres Gelb. Leicht reduktives Bouquet mit ganze leisen Holztönen, dahinter gelbe Frucht und florale Nuancen. Am Gaumen straight, rund und weich, die Säure ist gut abgestimmt und stützt den mittleren, leicht cremigen Körper wunderbar, dazu auch hier wieder Steinobst, reife Zitrone und würzige Noten, gute Länge mit dezenter Salzigkeit. Nicht der komplexeste Wein der Runde, dafür wirkt alles aus einem Guss. Jetzt bis 2024, 17.5 vvPunkte (89/100).
2017, Van Loggerenberg Kameraderie, Western Cape, Südafrika (100% Chenin Blanc aus einer 2 Hektar grossen Einzellage die 1960 in Paarl angelegt wurde, der Ausbau erfolgt während 10 Monaten in gebrauchten Barriques): Mittleres Zitronengelb. Duftet würzig und komplex, nebst Vanille und Mandeln vom Ausbau auch Orangenminze, Melone, Kamille und Kräuter. Überzeugt mit feinem Schmelz und komplexer Aromatik, die Säure ist herrlich straff und trägt die saftige Zitrusfrucht und dezente Vanillewürze bis ins lange Finale. Ein saftiger und komplexer Chenin Blanc, burgundisch interpretiert und somit etwas stärker vom Ausbau geprägt als die anderen Weine der Serie, kann reifen. Jetzt bis 2027, 18 vvPunkte (92/100).
2017, Lourens Skuinskap Steen, Swartland, Südafrika (100% Chenin Blanc von einem 1977 angelegten Weinberg auf 750m Höhe in den Citrusdal Mountains westlich vom Cederberg, wo die Böden hauptsächlich aus Sandstein bestehen. Die Trauben werden mit den Stielen gepresst und anschliessend in 500 Liter Fudern ausgebaut, es gibt davon gerade mal 1080 Flaschen): Helles Zitronengelb. Sehr vielschichtig in der Nase, zur zarten Reduktion gesellen sich kräutrige Akzente, Kreide sowie Lemon Curd und Apfelnoten, sehr frischer Stil. Auch am Gaumen sehr straight, kühl und fein, hier kommen die einzelnen Komponenten wunderbar zur Geltung und stehen dennoch in guter Balance. So trifft Limettenfrucht auf steinige und mineralische Noten, dazu eine vife Säure und gut verpackte 13.5% Umdrehungen. Hat Schliff, Tiefe und eine sehr gute Länge mit feiner Mineralität. Ein Wein der viel Aufmerksamkeit benötigt, diese aber auch verdient. Cool Climate im nördlichen Swartland? Die Höhe und Erntezeitpunkt macht’s! Jetzt bis 2025, 18+ vvPunkte (92+/100).
2017, Huis Van Chevallerie Nuwedam, Swartland, Südafrika (100% Chenin Blanc aus einem 1974 angelegten Rebberg der sich auf Sand- und Lehmböden befindet. Mit natürlichen Hefen vergoren und in 6-jährigen Holzfässern gereift): Helles Gelb. Eigenwilliges, sehr klares Bouquet mit frischer Grapefruit-, Birnen- und Ananasnote, mit etwas Belüftung kommen Ingwer und leicht medizinale Ankläge dazu. Puristisch klar am Gaumen mit saftiger Säure, glockenklarer Apfelfrucht und erfrischender Blumigkeit. Wirkt sehr lebendig und animierend, gute Länge im Abgang. Ein schöner Chenin Blanc der mit 12.8% Vol. Alkohol und 7.6g/L Säure viel Klarheit besitzt und sich ohne jegliche Schminke präsentiert, macht Spass! Jetzt bis 2026, 18vvPunkte (91/100).
2017, Alheit Magnetic North, Swartland, Südafrika (100% Chenin Blanc aus einer kleinen Parzelle etwas westlichen vom Skurfberg auf 550 Meter über Meer, dort stehen die unbewässerten und wurzelechten Buschreben auf eisenhaltigen Sandböden mit Lehm im Untergrund. Ausgebaut wird der Wein in gebrauchten Fudern): Mittleres Zitronengelb mit orangem Schimmer. Wow, was für ein gewaltiger Duft zum Eintauchen! Nebst zarter Reduktion Orangenschale, Kamille, reife Grapefruit, weisser Pfirsisch, Heu, etwas Vanille und Blütenhonig, sehr komplex. Auch am Gaumen enorm vielschichtig wobei sich die Kraft, Finesse und eine dezent phenolische Struktur mit zunehmender Belüftung wunderbar vereinen. Auch hier kräutrig, salzig, straff und mit frischer Säure, die Steinobstfrucht bleibt hier dezent im Hintergrund. Der Wein ist körperreich und mit leicht herben Anklägen versehen, besitzt aber trotzdem viel Noblesse. Endet mineralisch und unglaublich lang. Wenn das kein Terroir-Wein ist?! Grosses Chenin Blanc-Kino vom Kap! 2020 bis 2029, 19 vvPunkte (95/100).
Die Weine sind in der Schweiz bei Kapweine erhältlich. Den Chenin Blanc Nuwedam gibt es allerdings exklusiv bei Wein & Sein in Winterthur.
Ebenfalls sehr empfehlenswert sind die Abfüllungen folgender Top-Produzenten: Chenin Blanc Golden Slopes (Badenhorst), Skurfberg (Sadie), Chenin Blanc Old Vines (Raats), Elodie (Gabrielskoof), Chenin Blanc Granite (Mullineux) und der Basis Chenin Blanc sowie der Skaliekop von David & Nadia.
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