2:0 für beide, oder heisst das Unentschieden?
Eigentlich habe ich diese zwei Musterflaschen verkostet, um den besseren der beiden Weine als „Monatswein“ für unseren Quartier-Laden (www.loveistheanswer.ch) auszuwählen. Doch ich scheiterte kläglich. Denn beide Weine sind gut, sehr gut sogar. Und sie zeigen wunderbar auf, wie unterschiedlich zwei Weine mit identischem Jahrgang und gekeltert aus der gleichen Traubensorte geraten können, wenn sie von einem anderen Terroir stammen.
Der erste Wein ist der trockene Riesling „Herrgottsacker“ vom Weingut Von Winning in der Pfalz. Die Trauben für diesen Wein wachsen in der grössten und nördlichsten Einzellage Deidesheims an der Grenze zwischen Forst und Deidesheim. Die sandigen Lehmböden auf einer Buntsandstein-Unterlage sind südöstlich ausgerichtet und tragen das VDP-Prädikat „Erste Lage“. Der Wein wird zu 40 % in Holzfässern und zu 60 % im Stahltank ausgebaut.
2016, Riesling Trocken „Herrgottsacker“, Weingut Von Winning, Pfalz.
Helles Gelb, jugendlicher Glanz. Anfangs leicht reduktiv, verhaltenes Bouquet, grüner Apfel, Pfirsich, Zitrusfrüchte, weisse Blüten, feuchter Stein, zeigt einiges an Spannung, verändert sich mit der Luft zeigt mehr und mehr Mineralik, auch exotische Früchte, sehr gute Komplexität.
Weicher Auftakt, sehr schöne Frucht, ungemein saftige Säure, dezent steinige Noten, leichter bis mittlerer Körper, sehr gute Struktur, aromatisch wieder mit grünem Apfel, dazu Pfirsich und Zitrone, am mittleren Gaumen mit schönem Schmelz, dabei aber nicht schwer. Mittellanger, saftiger Abgang, endet stimmig auf Noten von grünen Äpfeln.
Ein ungemein charmanter, einfach zu trinkender, dabei aber nicht banaler Weisswein; perfekt als Aperitif und sicherlich ideal zu einem frühlingshaften Spargelgericht. Jetzt bis 2025, 17.5 vvPunkte (89/100). Dieser Wein ist für CHF 24.– (aktuell gerade in Aktion für lediglich CHF 14.90) bei Gerstl erhältlich.
Der zweite Wein stammt vom Weingut Robert Weil. Vor rund 15 Jahren war dies eines der ersten Weingüter, welches ich im Rheingau besucht habe. Neuerdings verzichtet das Weingut Robert Weil bei den trockenen Weinen auf das Prädikatssystem und setzt wieder auf herkömmliche Namens-Hierarchien, wie sie im Rheingau schon vor rund einhundert Jahren benutzt worden sind. Analog zum Burgund wo man von Villages, Premier Cru und Grand Cru spricht, stellen hier die trockenen Gutswein-Rieslinge die Basis dar, gefolgt von klassifizierten Lagenweinen bis hin zu den ersten Gewächsen. Mit der Klimaveränderung haben die Weil-Berglagen am Kiedricher Berg an Bedeutung gewonnen. Die südwestlich ausgerichteten Terroirs verfügen über devonisches (bunter Schiefer) und vordevonisches Gestein (Phyllite und Serizitgneis) und bringen qualitativ sehr interessante Weine hervor.
2016, Rheingau Riesling Kiedricher, trocken, Weingut Robert Weil.
Helles Gelb, aufgehellter Rand. Angenehm tiefe und gleichzeitig frische, steinig-kühle Nase, rein würzig, Muskatnuss, etwas weisser Pfeffer, darüber Apfel und Pfirsicharomen, sehr gute Komplexität.
Am Gaumen mineralischer Auftakt, dezent Co2, mittlerer Körper, sehr satte Frucht, getragen von einer gut eingebundenen Säure, aromatisch mit reifem, mehligem Apfel, Pfirsich sowie Passionsfrucht, die süsse Frucht und die lebhafte Säure stehen in konstanter Spannung, dazu zeigt der Wein einiges an Speck (Rubens-Figur lässt grüssen), doch in sich ist er wunderbar stimmig und gut strukturiert. Mittellanger Abgang, endet würzig und auf Noten von Passionsfrucht. 17.5 vvPunkte (89/100)
Ein trinkfreudiger Riesling auf den zweiten Blick. Der Wein profitiert sehr von einer etwas höheren Trink-Temperatur und Luft, überzeugt dann mit Charme, Komplexität und einem rassigen Charakter. Dieser Wein ist für CHF 25.– bei Gerstl erhältlich.
Fazit: keiner ist besser, beide sind anders. Und beide Weine sind definitiv einen Versuch wert.
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