Bordeaux 1989: eine kleine Horizontale.
Das gesamte, beeindruckende Line-Up © vvWine.ch |
Ich gebe es zu, ich habe mir selber einen Bordeaux-Kaufstopp aufgezwungen. Der Grund: gemäss meinem aktuellen Kellerbuch stammen 49% all meiner Weine aus dem Bordelais und das ist in Anbetracht des gesamten Kellerbestandes eine durchaus signifikante Menge.
Viele meiner Bordeaux-Weine haben „jüngere“ Jahrgänge zwischen 2000 bis 2005, im Keller liegen praktisch keine 2006er, dafür einige 2007er (Geburtsjahr meines Sohnes) sowie ein solider Posten aus 2008 bis 2010. Und dann liegen da noch ein paar Flaschen aus ganz vielen anderen Jahren rum, teils sehr jung, teils noch viel älter. Darunter auch ein paar 1989er, welche aktuell auf ihrem Genuss-Peak sind.
So versammelten wir uns dann also in lockerer Runde für eine kleine Horizontale. Zehn weininteressierte Menschen, 12 Flaschen Bordeaux aus dem sehr guten Jahr 1989, alles bunt gemischt. Vom „einfachen“ Cru Bourgeois Phélan Ségur bis hin zu potentiell grossen Weinen wir Ch. Palmer, Ch. Pichon Longueville Baron oder Ch. Mouton Rothschild waren je drei bis vier Weine aus den Appellationen Margaux, St-Julien, Pauillac und St-Estèphe am Start.
Halb-blind verkostet (das heisst, die Serien wurden in sich blind verkostet, dann aber direkt nach der Serie aufgelöst) genossen wir die Tropfen in fünf kleinen Serien. Da ich neben Wein entkorken und Hilfskoch auch noch ein paar Notizen machen wollte, sind diese für einmal sehr pragmatisch ausgefallen. Nachfolgend meine Eindrücke, geordnet in der Reihenfolge der Verkostung.
Grossartige Champagner © vvWine.ch |
Zwei 2002er Champagner zum Auftakt
Den Auftakt machten zwei Champagner aus dem grossartigen Jahr 2002. Der Blanc de Blancs 2002 von Pol Roger präsentierte sich opulent und sehr komplex: offenes, hedonistisch anmutendes Bouquet, deutlich Hefen, Brioche, reife Steinfrucht, am Gaumen mit viel Schmelz und einem sehr langen Abgang, ein Champagner mit Klasse für Menschen, die reife Rubensdamen mögen. 18.5 vvPunkte (93/100). Dagegen stand der 2002er Rare von Piper-Heidsieck geradezu jugendlich frisch im Glas: ungemein knackig, saftig und klar, dicht gewoben, komplex und strukturiert dabei aber tänzerisch leicht. Hervorragend gelungen. 19 vvPunkte (95/100).
Enttäuschender Palmer, d’Issan mit Kork © vvWine.ch |
Bordeaux Serie 1 – Margaux
Château Malescot Saint-Exupéry präsentierte sich anfangs leicht spritig und medizinal, entwickelte sich aber im Laufe des Abends (in der Nachverkostung) sehr schön: Noten von Stroh, Tannennadeln und roten Kirschen, am Gaumen perfekt reif, mit weichen Gerbstoffen, eher leichtem Körper und stimmigem Abgang. Nicht gross aber sehr ausgewogen. 17.5 vvPunkte (89/100). Jetzt bis 2023.
Château Palmer wollte an diesem Abend nicht ganz überzeugen. Natürlich war der Wein auf sehr gutem Niveau, präsentierte sich in der Nase sehr komplex mit rotfruchtigen Aromen, dazu Quitte, Senf, Sauerkrischen, Stroh, Tabak und etwas grüne Paprika. Am Gaumen dann aber recht leichtgewichtig, durchaus elegant mit knackiger Frucht, deutlich roter Johannisbeere, würzigen Noten, alles stimmig, finessenreich doch im Kontext des Rufes mit etwas gar wenig Druck und keiner Steigerung in der Nachverkostung. 18.5 vvPunkte (92/100). Jetzt bis 2027.
Château d’Issan korkte leider, keine Bewertung.
Beychevelle ebenfalls mit Kork, Barton in bester Form © vvWine.ch |
Bordeaux Serie 2 – St-Julien
Weiter ging’s mit 3 Weinen aus St-Julien. Château Beychevelle korkte ebenfalls und sorgte als zweiter Fehler so früh in der Degustation für etwas Ernüchterung.
Der nachfolgende Château Léoville Barton machte dann aber alles wieder gut. Jugendliches Bordeauxrot, eine herrlich tiefe, rauchige Nase, deutlich Lakrizze, dazu Torf, dunkle und rote Beeren, nobel, komplex. Am Gaumen gewohnt reformiert doch äusserst präzis. Perfekte Reife, straff, dicht und doch sehr elegant, äusserst gradlinig und klar, sensationelle Struktur. Im Abgang von sehr guter Länge. 18.5 vvPunkte (93/100).
Château Talbot dagegen zeigte sich schon deutlich gereift. In der Nase mit balsamischen Noten, reifen Birnen, Weihnachtsgewürzen aber ohne Bret-Anflug. Am Gaumen von mittlerer Komplexität, guter Ausgewogenheit, mit abgeschmolzenem Tannin und einer leichten Struktur. Insgesamt etwas harmlos aber nicht unstimmig. 17.5 vvPunkte (88/100).
Pibran weit über dem Zenit, GPL einer der Top-Weine des Abends © vvWine.ch |
Bordeaux Serie 3 – Pauillac (1)
Weiter ging es mit zwei Weinen aus Pauillac. Château Pibran enttäuschte auf der ganzen Linie. Das war vermutlich eine ganz schlecht gelagerte Flasche. Zwar zeigte die Nase eine durchaus attraktive Komplexität, doch die oxidative Sherry-Note zerstörte jegliche Genuss-Anflüge. Trinkbar aber vorbei. 14.5 vvPunkte (79/100). Aus guten Flaschen vielleicht ganz spannend.
Grossartig dagegen Château Grand Puy Lacoste. Tiefe, noble Nase, rauchig und kühl, dazu Tabak, Zedernholz, sehr typisch und komplex. Am Gaumen straff, saftig und strukturiert, ungemein lebhaft, hochelegant, trotz viel Dichte tänzerisch leicht. Das ist schon ganz tolles Bordeaux-Kino und mit noch guten Reserven. 18.5 vvPunkte (93/100).
Die beiden Stars des Abends © vvWine.ch |
Bordeaux Serie 4 – Pauillac (2)
Weiter ging es mit der Serie des Abends. Château Mouton Rothschild zeigte sich anfangs reif aber etwas verhalten, drehte dann auf. Sehr komplex, Rauch, Tabak, Schokolade, Würzige Noten, ein Hauch grüne Paprika, dunkle Kirschfrucht. Der Gaumen sehr gut strukturiert, feine, weitgehend abgeschmolzene Tannine, eine perfekt dosierte Säure und im Abgang von sehr guter Länge. Kein ganz grosser Mouton aber ein Mouton der jetzt für mindestens zehn Jahre viel Spass bereiten wird. 19 vvPunkte (95/100), jetzt bis 2028.
Daneben Château Pichon Longueville Baron aus der Magnum-Flasche. In der Nase neben roten Früchten auch kandierte Orangen, dazu Rauch, Tabak, Zedernholz, Schwarzbrot, mit mehr Luft (und in der Nachverkostung) mit deutlicher Steigerung, komplex, verspielt und mit viel Spannung, ein Schnüffelwein der seine Grösse dem offenbart, der sich Zeit nimmt. Am Gaumen sehr saftig, strukturiert und klar, rotfruchtige Aromen, würzige Komponenten, seidenweiche Tannine, perfekt dosierte Säure. Ein wunderbarer Baron mit einer guten Zukunft. 19 vvPunkte (95/100). Jetzt bis 2030 (aus der Magnum).
Der Cos bestach durch eine unglaubliche Intensität und Eleganz @ vvWine.ch |
Bordeaux Serie 5 – St-Estèphe
Die letzte Serie des Abends war dann quasi David gegen Goliath. Château Phélan Ségur zeigte sich anfangs etwas medizinal, öffnete sich dann aber im Laufe der Nachverkostung. Dunkle Kirschfrucht, würzige Noten, sehr gute Struktur aber ohne grosse Komplexität. Ein kantiger, straffer St-Estèphe der durchaus Trinkspass bietet und noch Reserven hat. Neben Cos d’Estournel allerdings etwas gar schmalbrüstig. 17.5 vvPunkte (89/100), jetzt bis 2028.
Château Cos d’Estournel zeigte einmal mehr seine Grösse. Herrlich würzig, rauchig und verspielt mit Anflügen von Torf, Tabak aber auch floralen Noten, unterlegt von deutlich Blaubeeren, sehr komplex. Am Gaumen straff mit noch markantem Gerbstoff, fein verwoben, die Frucht ungemein dicht, präzis, schwarze Kirschen, wieder würzige Noten, sehr strukturiert und hochelegant. Dieser Cos beweist einmal mehr, wie schön die Weine aus St-Estèphe reifen können. Auf dem Peak, aber noch weit weg vom Abstieg. 19 vvPunkte (94/100, jetzt bis 2030+.
Alles Käse oder was? © vvWine.ch |
Zum Käse genossen wir dann noch eine Flasche Château Suduiraut aus 1988 (ja, es lag nun mal kein 89er davon im Keller). Der Wein überraschte mit einer erstaunlich hellen Farbe, sehr viel Frische und mit einer für einen Sauternes sehr saftigen Säure. Aromen von Zitrusfrüchten, kandierten Früchten, Aprikosen und Lavendel, gestützt durch eine gute Struktur und ohne jegliche Klebrigkeit, kein Ausbund an Komplexität doch mit erstaunlich guter Länge im Abgang. Stilistisch ein Hit. 18 vvPunkte (91/100.
Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein paar „Exoten“ © vvWine.ch |
Am Ende des Weines waren dann noch etwas Gäste und Abend übrig und so genossen wir im kleinen Kreis der Durchhalter zur Auffrischung eine Flasche 2007er Clos de Vougeot von François Lamarche. Ich habe mir dazu keinerlei Notizen gemacht, doch den Wein vor kurzer Zeit einmal hier beschrieben.
Das Fazit: die 1989er Bordeaux machen aktuell enorm viel Spass. So viel Spass, dass ich mir in meinem selbst auferlegten Kaufstopp gerne eine Ausnahme gönne und – so das Auktions-Umfeld will – den einen oder anderen Wein aus diesem Jahr nachkaufen werde.
Nette Menschen, guter Wein © vvWine.ch |
Die Nachverkostung in vollem Gange © vvWine.ch |
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