Spanien Tag 1: Terroir al Limit (Priorat), Orto Vins (Montsant) und Clos Figueras (Priorat)

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Spanien, das Land mit der grössten Rebbaufläche der Welt. Knapp 15% aller Reben dieses Planeten gedeihen im Königreich auf der iberischen Halbinsel. Wieso nur findet sich in meinem Weinkeller nur ein sehr bescheidener Bestand an spanischem Wein?
Natürlich, weltbekannte Namen wie Pingus, Vega Sicillia und einige andere, sind von hervorragender Qualität und vielen bekannt, aber leider auch kaum bezahlbar.
Dagegen steht eine unüberschaubare Menge an Massenware in den Regalen der Grosshändler. Dennoch, spanischer Wein steht bei sehr vielen Weintrinkern hoch im Kurs. Massig Frucht, kernige Tannine, hoher Alkohol, oft geschliffen in der Aromastruktur, gefällig gemacht. Für meinen Gaumen jedoch von allem etwas zu viel und mit zu wenig Charakter.
Darum habe ich mich bislang nur wenig mit dem Weinland Spanien befasst. Man kann ja nicht alles haben. Eine Einladung vom Gerstl-Team, mit ihnen zusammen einige Winzer in Spanien zu besuchen, war die Chance, meinen Horizont zu erweitern und Vorurteile abzubauen. Eine handliche Gruppe von acht Personen fand sich also eines frühen Montagmorgens in Kloten ein, um in einem ambitionierten Programm in drei Tagen sechs Weingüter zu besuchen.
Terroir al Limit (Priorat)
Alles bereit für die Ernte 2016 © vvWine.ch
Nach der Ankunft in Barcelona und dem Fassen unseres Gruppenmobils ging es los in Richtung Priorat. Kurz nach 10: 00 Uhr kamen wir in Torroja del Priorat an und wurden sogleich von Dominik, dem umtriebigen Kopf hinter dem Label Terroir al Limit begrüsst. Nach einem kurzen Kennenlernen und der Besichtigung des relativ überschaubaren Kellers wurde unsere Gruppe auf zwei Fahrzeuge aufgeteilt und fuhr bergwärts.

 

Nach einer abenteuerlichen Fahrt über Stock und Stein erwartete uns ein atemberaubendes Panorama auf ca. 800 m ü.M. Hier wachsen auf 2ha die bis zu 100-jährigen Grenache Reben für den „Les Manyes“, einen der der beiden Top-Weine des Hauses. Die gesamte Erntemenge liegt bei rund 2 Tonnen, was ungefähr 1500 Flaschen entspricht. Der Boden ist vom regionentypischen Schiefergestein dominiert (llicorella) und liegt auf der kühlen Seite des Hügels. Die Reben haben viel Platz, sind niedrig gehalten und im Gobelet- (Albarello) Verfahren erzogen.
Das Terrior von Terrior al Limit © vvWine.ch
Auf die Frage, ob Dominik biologischen Weinbau betreibt erhalten wir diese Antwort:„Grundbaustein für Terroirwein ist ökologische Bewirtschaftung. Um den Geschmack aus den Wurzeln zu holen, muss sich die Pflanze mit dem Untergrund verbinden. Seit 2003 werden die Reben ohne den Einsatz von Fungiziden und Herbiziden bewirtschaftet. Ein Esel übernimmt die Bodenbewirtschaftung. Wir sind jedoch nicht zertifiziert. Ich bin überzeugt, dass dies nur eine Modeerscheinung ist und der Qualität des Endprodukts nichts bringt. Derzeit ist „Cover Crop“ (Systematische Begrünung zwischen den Rebzeilen) ein aktuelles und grosses Thema.“
Die Zeit drängte, noch ein paar Schnappschüsse und bald darauf holperten wir wieder talwärts, um die begehrten Weine Dominiks zu verkosten. Anstelle eines langweiligen Verkostungsraums, wurden wir in Dominiks Wohnung geführt, welche im obersten Stock, im selben Haus wie der Keller liegt. Da bin ich nun also, beladen mit Vorurteilen und werde zum ersten Mal die Weine von Terroir al Limit verkosten dürfen.
Der Grill auf der Terrasse war bereits warmgelaufen, und nach einem kurzen Apéro begaben wir uns auch schon an die grosszügige Tafel. Es wurde mediterranes Gemüse und frischer Seafood vom Grill gereicht – can’t get any better!
Erstklassige Bewirtschaftung auf Terrior al Limit © vvWine.ch
Die Weine von Terroir al Limit sprechen eine eigene Sprache. Meine Vorurteile waren nach dem ersten Glas vom Tisch und ich tauchte in die elegante, finessenreiche und mineralische Welt der Weine von Terroir al Limit ein. Der weisse Terra de Cuques ist ein unglaublich frischer, mineralischer Weisswein. Von der Stilistik könnte dies beinahe als Chablis durchgehen, besonders beachtlich, wenn man die südliche Lage des Priorats beachtet. Und auch die roten Weine stehen dem Weisswein in nichts nach.
Arbossar, Dits del Terra und Torroja heissen quasi die Mittelklasse-Rotweine von Terrior al Limit. Allesamt moderat im Alkohol (ca. 13.5%), unglaublich frisch und präzise in der Aromatik.
Ein schönes Schlachtfeld © vvWine.ch
Als dann noch die beiden „Grand Crus“ Les Manyes und Les Tosses eingeschenkt wurden, war es um mich geschehen. Diese hochelegante, dichte und klare Frucht ist mit einer Frische gepaart, welche man in dieser Region so nicht erwartet. Dass so viel Eleganz in dieser Region möglich ist, hätte ich nicht gedacht. So muss denn auch jedes Jahr um die Anerkennung als D.O. Wein gekämpft werden, da die Weine nicht dem regionentypischen Geschmacksvorstellungen entsprechen.
Die Weine sind jedoch kein Schnäppchen, doch gerade das Spitzenduo ist dermassen elegant, dass sie durchaus einmal eine Alternative zu einem teuren Wein aus dem Burgund sein können. Ein 1:1 Vergleich zwischen Priorat und Burgund ist natürlich weder sinnvoll noch möglich, doch qualitativ fehlt es den Terroir al Limit-Weinen an nichts.
Als Schlussanmerkung möchte ich das Olivenöl aus dem Hause Terroir al Limit empfehlen. Unbedingt probieren!
Orto Vins (Montsant)
Joan Asens: ein Mann voller Energie © vvWine.ch
Nach dem eindrücklichen Besuch bei Dominik von Terroir al Limit ging es weiter nach El Masroig. Auf einem Parkplatz wartete bereits der quirlige Joan Asens mit Begleitung. Die Begleitung war seine Dolmetscherin, eine Engländerin die durch Heirat eines Katalanen eine neue Heimat gefunden hat. Joan trödelt nicht lange rum. Schnell sitzen wir bereits wieder im Auto, nachdem wir kurz mit dem folgenden Programm vertraut gemacht und uns eine Tourismuskarte überreicht wurde. Die Fahrt dauerte nur ca. fünf Minuten ehe wir den ersten Halt machten.
Aussichtspunkt an der Strasse © vvWine.ch
Ganz unerwartet hielten wir an einem Ausstellplatz an einer kurvigen Strasse. An der Leitplanke versammelten wir uns und bekamen einen Blick auf die tiefergelegenen Reben. Etwas verdutzt standen wir da und lauschten den Worten von Joan bzw. seiner Dolmetscherin. Schlussendlich wurde uns klar, dies waren gar nicht Alvaros Reben, aber hier konnte man die Bodenbeschaffenheit von oben betrachten, wodurch dieser Stopp plötzlich Sinn machte. Die Böden sind aus Kalkstein, Kies, wenig Schiefer und Ton geschaffen und liegen zw. 50 und 250 Meter über Meer. Ein deutlicher sichtbarer Rotschimmer zeugt vom Tongehalt der Erde.
Nach dem kurzen Vortrag über die Bodenbeschaffenheit seines Terroirs ging es auch schon weiter, diesmal zu einer der Parzellen von Orto. Wiederum wurde bei einem Ausstellplatz geparkt und ein steiniger Weg führte uns relativ steil hinunter, direkt in die Büsche. Glücklich war, wer das richtige Schuhwerk dabei hatte. Vorbei an wilden Rosmarinbüschen und Olivenbäumen erreichten wir die kleine Grenache Parzelle. Bis zu 90-jährige Reben sonnen hier im Kessel unterhalb der Strasse. Die Parzellen wurden allesamt von den Eltern an die drei Weinmacher von Orto Vins vererbt.
Die Ernte steht kurz bevor © vvWine.ch
Auch hier werden die Rebzeilen ausschliesslich nach biodynamischen Vorgaben bewirtschaftet. Nach weiteren Ausführungen zum Rebbau ging es schon wieder zurück zu den Autos und wir fuhren retour ins Dorf, um die Kellerei zu besichtigen und einige Weine zu verkosten.
Eine massive Holztür versperrt den Eingang zu der Halle mitten im Dorfkern. Einmal geöffnet offenbart sich uns ein einschlägiger Maschinenpark, eng zusammengestellt, ja durchaus etwas chaotischen. Wie bei einem Tatort hängt eine knisternde Plastikfolie von der Decke runter und grenzt einen kleinen Bereich der Halle ab. Als Joan die Folie wie einen Vorhang aufhält, denkt man schon, dass man in die heiligen Gewölbe eingelassen wird. Aber nein. Hinter der Plastikfolie verbirgt sich – Orto Vins.
Hinten im Bild ist die Plastikfolie erkenbar © vvWine.ch
5/6 der ganzen Halle gehören nämlich einem anderen Winzer; Orto Vins hat sich nur in einer kleinen Ecke eingemietet. Zwischen der Folie, einigen Barriques, einem gefährlichen Loch im Boden und Stahltanks steht ein Tisch mit einigen Gläser drauf und Joan zaubert aus drei Kühltaschen seine Weine hervor. Im Nullkomanichts steht sein gesamtes Sortiment inklusive fünf Karaffen mit Fassmustern vor uns auf dem Tisch. Der Mann ist unglaublich. Mit schier unerschöpflicher Energie bringt er regelmässig die Dolmetscherin aus dem Konzept und kommt fast nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.
Die Basislinie von Orto Vins © vvWine.ch
Die Weine von Orto sind allesamt wunderbar frisch und präzise, mit merklicher Säure und schöner Eleganz. Niemals fett, überreif und sperrig. Besonders gut haben mir der Palell (100% Grenache) und der Pujoles (100% Tempranillo) gefallen. Der Palell wunderbar würzig, rot- aber auch schwarzfruchtig mit unglaublicher Tiefe und Struktur. Der Pujoles besticht durch schwarzfruchtige Aromen, wiederum mit viel Kraft und perfekt eingebundenem Holz. Hier gesellt sich zur schönen Säure eine beeindruckende Mineralität dazu, die sich in einem langen und kraftvollen Abgang wiederholt. Nach einer durchaus angenehmen Weile hielt ich das raschelnde Plastik auf meiner klebrigen Haut nicht mehr aus und verliess die „Höhle von Orto“, um etwas frische Luft und Sonnenlicht zu tanken.
Clos Figueras (Priorat)
Lange war ich nicht alleine. Draussen vor der schweren Eichentür versammelte sich die Gruppe bereits wieder, um das dritte und letzte Weingut an diesem Tag anzusteuern. Die Fahrt hätte wiederum ca. 30 Minuten gedauert, wenn wir uns nicht dazu entschieden hätten, einen besonders abenteuerlichen Weg durch die Altstadt von Gratallops zu nehmen.
Äusserst souverän zirkelten Pier und Roger unser Mobil vor und zurück durch gefühlt nicht bezwingbare Strassen. Irgendwann aber haben uns die engen Gassen Gratallops wieder ausgespuckt und kurz darauf fuhren wir bei Clos Figueras vor.
Clos Figueras © vvWine.ch

Der Gastgeber war gerade in einem hitzigen Gespräch mit einer russischen Touristin gefangen, deshalb mussten wir kurz warten. Die russische Gruppe verliess das Anwesen kurz darauf und ein überschwänglich netter Mann nahm uns in Empfang. Butterzart führte uns dieser durch das Anwesen und den Abend. Blumige Umschreibungen, die Geschichte des Weinguts, erzählt wie eine Sage und mit der entsprechenden Mimik dazu. Etwas aufgesetzt vielleicht, aber unglaublich herzlich und das zählt ja schlussendlich. Ich könnte schwören, dass er auch der Verfasser der Texte auf der Homepage von Clos Figueras ist…

Nun aber zurück zu den Fakten. Das Weingut gehört dem US-Amerikaner Christopher Cannon. Er ist kein Unbekannter im globalen Weingeschäft. Seine Firma Europvin ist ein etablierter Player im Export von Bordeaux Weinen, vornehmlich nach Amerika. Cannon war es auch – so sagt man – der Robert Parker auf das Priorat aufmerksam machte und aufgrund der darauffolgenden, hohen Bewertungen von Parker, mit dem Import von Priorat Weinen ein kleines Vermögen anhäufen konnte.
Clos Figueras, nördlich von Gratallops gelegen, wurde 1997 gekauft. Auf den vorwiegend schieferhaltigen Böden waren bereits Terrassen angelegt, aber die Flora wurde seit 8 Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Es forderte viel Aufwand, um den Terrassen neues Leben einzuhauchen. Es wurden viele neue Reben angepflanzt und im Jahr 2000 wurden weitere Flächen dazugekauft.
Heute besitzt Clos Figueras rund 18ha zusammenhängendes Land, wovon ca. 12ha mit Reben bepflanzt sind und nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet werden. Es ist eines der wenigen Güter im Priorat, welches die Parzellen in einem Stück und nicht auf mehrere Örtlichkeiten verteilt besitzt. Die ersten Weine wurden 1999 in einem Gemeinschaftskeller hergestellt, erst seit dem Jahrgang 2002 werden die Weine im eigenen Anwesen in Gratallops gekeltert. Dieses wurde aus einer früheren Hühnerfarm in ein schönes Anwesen mit Restaurant, Zimmern zum Übernachten sowie natürlich einer Kellerei umgebaut.
Der Fasskeller von Clos Figueras © vvWine.ch
Da die Zeit etwas knapp war haben wir nur eine kurze Kellerführung gemacht. Über eine steile Wendeltreppe gelangten wir hinunter ins Fasslager. Auch dieser Keller war überraschend klein, aber von Orto Vins waren wir uns ja bezüglich räumlichen Dimensionen schon einiges gewohnt. Wir verweilten auch gar nicht lange im Keller. Einige blumige Umschreibungen über die Geschichte des Weinguts und schon stiegen wir wieder über die Wendeltreppe nach oben und begaben uns in das eigene Restaurant, wo bereits eine reich gedeckte Tafel wartete.
Dazu durften wir einige Weine aus dem Sortiment von Clos Figueras kredenzen. Der weisse „Font de la Figuera blanco“ ist frisch und blumig, ein toller Aperowein. Danach durften wir verschiedene Jahrgänge, bis hinunter zum Jahrgang 2007, verkosten.
Typische Vertreter der Weinbauregion Priorat © vvWine.ch
Optisch und aromatisch sind die Figueres-Weine „typisch spanisch“ mit dunkelvioletter bis purpurroter Farbe, dichter, schwarzer Frucht, teilweise auch leicht eingekochten Aromen, der Alkohol jeweils knapp unter 15%, kräftig, strukturiert und mit einem sehr langen Abgang und viel Schmelz. Qualitativ sind das definitiv sehr hochwertige Weine, dennoch muss ich gestehen, dass mir diese kraftvolle Charakteristik etwas weniger zusagt als der elegante Stil von Terroir al Limit – doch das ist reine Geschmacksache.
Etwas zeigte sich ganz deutlich: die Weine reifen hervorragen. So haben mir bei der Verkostung die älteren, etwas gereiften Jahrgänge deutlich besser gefallen, als die noch jungen, etwas ungestüm wirkenden Jahrgänge. Vor allem der 2007er hat es mir angetan. Nicht zu süss, herrlich ausbalanciert, harmonisch eingebundene Tertiäraromen, am Anfang des besten Trinkfensters.
Ach ja: die Küche auf Clos Figueras war übrigens hervorragend. Die Gerichte passten perfekt zu den Weinen und das üppige Mahl war genau das Richtige nach einem so langen und spannenden Tag. In absoluter Dunkelheit fuhren wir anschliessend die kurze Wegstrecke zu unserem Hotel in Falset.
Es folgt demnächst der Bericht zum zweiten Tag.
Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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