Weingut Wageck, Teil 1: die Pfalz küsst das Burgund.
Auf unserer letzten Ferienreise verbrachten wir eine Nacht auf der Schlossanger Alp. Das ist ein äusserst familienfreundliches Hotel mit grosszügigen Zimmern, sehr freundlichem Service und einer überdurchschnittlich guten Küche.
Der Gastgeber wiederum hat ein nicht zu übersehendes Flair für Wein. So liessen wir uns, als nach dem 2005er Gevrey Chambertin „en Billard“ von Alain Burguet, der dort für sehr faire 79 Euro auf der Karte steht, noch etwas Abend übrig war, zu einem Chardonnay-Winzersekt vom Weingut Wageck überreden. Da uns der Sauvignon Blanc dieses Weingutes zur Vorspeise schon sehr gut gemundet hat, vertrauten wir darauf, dass auch der Schaumwein eine Entdeckung sein würde.
Wir wurden nicht enttäuscht. Der Sekt präsentierte sich äusserst vollmundig, weinig, dicht und mit sehr feiner Perlage. Die grossartige Säure (8.3g) macht den Wein, der nur 1g Restzucker hat und ohne Zuckerzugabe dosiert wurde, äusserst knackig und frisch. Das war grosses Sekt-Kino…
Nur zwei Weine und dabei zwei Mal grossen Spass im Glas: wir wollen mehr über Wageck-Weine erfahren und noch andere Tropfen kennen lernen. Gesagt, getan. Letzten Freitag verkostete das ganze vvWine-Team sechs weitere Weine dieses äusserst interessanten Weingutes.
Cuvée Sekt Extra Brut © vvWine |
2012, Cuvée Sekt Extra Brut, Pfalz. Eine Assemblage aus 60% Chardonnay, 20% Pinot Noir und 20% Pinot Meunier. Die Grundweine wurden alle im Barrique vergoren (1g Restzucker, Dosage ohne Süsse). Mittleres Goldgelb, intensive sehr feine Perlage. Reife, offene Nase, Bratapfel, Butter, Brotrinde, Brioche, heller Brotteig, mit mehr Luft Hefe, etwas Käserinde, ein Hauch Blütenhonig sowie weisse Jasmin-Blüten, sehr gute Komplexität. Am Gaumen vollmundig, anfangs etwas gar intensive Perlage die dann aber rasch deutlich feiner wird, dieser Wein verträgt Luft, ist voluminös und kraftvoll ohne jegliche Breite. Reifer, mehliger Apfel, helle Birne, wieder Weissbrot, sehr schöne Cremigkeit, am mittleren Gaumen dazu eine würzig-herbe Note, die Säure ist frisch und gut eingebunden. Im Abgang von mittlerer Länge, endet auf eine angenehme Bitternote. Das ist ein sehr weiniger Schaumwein dem man im Glas durchaus etwas Zeit und Luft geben darf. Jetzt bis 2020 geniessen, 17.5 vvPunkte, (89/100). Für 19.90 Euro ab Weingut (rund CHF 22.–) geradezu ein Schäppchen.
Chardonnay & Weissburgunder Tertiär © vvWine |
2015, Chardonnay / Weissburgunder, Tertiär trocken, Pfalz. Eine Assemblage aus 60% Chardonnay un 40%. Weissburgunder (2.8g Restzucker, 6,3g Säure). Helles Gelb, grünliche Reflexe. Offene, feinduftige und sehr frische Nase, deutlich exotische Früchte, Gletscherbonbons, Limetten, Stachelbeeren, Flieder-Parfum, gute Komplexität. Am Gaumen weicher Auftakt, auch hier wieder deutlich Zitrusfrüchte, saftige, knackige Säure, dezente Herbe, steinig, kühl, elegant und doch mit feinem Schmelz und Fülle, nicht sonderlich komplex aber dafür umso mehr trinkanimierend. Einzig ganz hinteren im Gaumen merkt man bei steigender Temperatur etwas den Alkohol (13%) im angenehm langen Abgang. Ein sehr guter Weisswein, der sich zum Apéro oder als Begleiter von leichten Vorspeisen eignet. Kühl aber in grossen Gläsern servieren. Jetzt bis 2018 geniessen, 17 vvPunkte, (87/100). Der Wein kostet sehr moderate Euro 9.90 ab Weingut (rund CHF 11.–).
2015, Chardonnay Sülzner Weg, Goldberg, Pfalz. Die Klone stammen direkt aus dem Burgund und wurden 1996 gepflanzt (4g Restzucker, 6.8g Säure, Spontanvergärung). Helles Gelb, schöner Glanz. Die Nase direkt nach dem Öffnen noch sehr jugendlich und vom Ausbau geprägt, deutlich Holz, das braucht Zeit und Luft (unbedingt Dekantieren!). Mit rund 30min Luft öffnet sich der Wein, wow, was für ein Duft: Rauch, gelbe Früchte, Ananas, Sternfrucht, Kamille, das ist ungemein frisch, kalkig, mineralisch, sehr gute Komplexität und viel Spannung. Am Gaumen knackig frischer und sehr saftiger Auftakt, das Holz ist sehr gut eingebunden, stützt ohne zu dominieren die Frucht, deutlich weisse Johannisbeere, Aromen von Zitronenmelisse und Limetten, das ist komplex, elegant, dicht und sehr ausgewogen, die Säure ist ein Hit, mit viel Fingerspitzengefühl vinifiziert. Im Abgang von sehr guter Länge. Dieser Wein muss sich neben einem „echten“ Burgunder nicht verstecken, Chapeau! Der kommt bei uns als Pirat in die nächste Puligny-Probe. 2017 bis 2025 geniessen, 18 vvPunkte, (91/100). Für 22.90 Euro ab Weingut (knapp CHF 26.–) ein MUST Buy.
St. Laurent 2012 © vvWine |
2012, St. Laurent, Réserve, Pfalz (1.1g Restzucker, 5.5g Säure). Kräftiges Rubin, leicht aufgehellter Rand. Die Nase direkt nach dem Öffnen schon sehr zugänglich, reife, dunkle und rote Beeren, Sauerkischen, Tannenschoss, Birnel, dezent Zitronenthymianwürze, ein Hauch von Lauch, dazu rauchige Aromen, keinerlei Holzdominanz, sehr gute Komplexität. Am gaumen mit straffem Auftakt, deutlich Säure, feine Gerbstoffe, das ist eine sehr saftige Frucht, wieder Sauerkischen, dazu reife Himbeeren, etwas weniger komplex als die Nase verspricht aber ungemein trinkanimierend. Im Abgang etwas kurz aber sehr stimmig. Das ist eine frische, saftige und präzise St.-Laurent-Interpretation. Aktuell auf dem Peak aber noch mit Reserven. 2016 bis 2021 geniessen. 17.5 vvPunkte, (88/100). Mit Euro 28.90 (rund CHF 32.–) nicht gerade ein Schnäppchen aber eine durchaus probierenswerte Spezialität.
Absolut überzeugend – Spätburgunder „Kalkmergel“ © vvWine |
2014, Spätburgunder Kalkmergel, trocken, Pfalz (0.3g Restzucker, 5.6g Säure): Helles Rubin, jugendlicher Glanz. Expressive, leicht vegetabile Nase, burgundisch anmutend, parrfümierte Frucht, deutlich Johannisbeere, Walderdbeere, dazu auch Brombeeren, ein Anflug von Dropsigkeit aber nicht uncharmant, kühl, steinig mit guter Komplexität. Am Gaumen ungemein saftig und frisch im Auftakt, Granatapfel, saftige, rote Kirschfrucht, wieder Johannisbeeren, da ist eine knackige Säure, reife, gut eingebundene Gerbstoffe, Alkohol und Holz kaum wahrnehmbar, elegant, gut strukturiert und sehr trinkanimierend. Im Abgang eher kurz aber stimmig. Ein sehr guter, da hocheleganter Pinot Noir. Dürfte mit etwas Reife wohl noch ein wenig zulegen, ist aber schon sehr gut antrinkbar. 2016 bis 2024 geniessen, 17.5+ vvPunkte, (89+/100). Für Euro 16.90 (rund CHF 19.–) sehr viel Wein fürs Geld.
Ein traumhaftes Line-Up © vvWine |
2014, Spätburgunder Goldberg, Pfalz (0.8g Restzucker, 5.5g Säure): Kräftiges Rubin, sehr schöner Glanz. Tiefe Nase, braucht etwas Zeit sich zu öffnen, leicht krautige Noten, sehr an einen Burgunder erinnernd, dunkle und rote Beeren, Rhabarber, Rauch, auch dezent florale Töne, das Holz ist wahrnehmbar aber überhaupt nicht dominierend, es unterstützt die reife, dichte Frucht, sehr gute Komplexität. Am Gaumen im Auftakt äusserst klar und rein wie ein Bergbach, straff, hochpräzise Frucht, rote Johannisbeeren, Erdbeeren, dazu auch Orangenzesten, auch hier sehr burgundisch, wow, das macht Spass, das vibriert, hat Spannung, die Tannine sind markant, äusserst feinkörnig und verleihen dem Wein eine sehr gute Struktur, dominieren aber nicht, ausgezeichnete Harmonie, hochelegant, saftig und würzig. Endet langanhaltend und frisch, um nicht zu sagen Cool! Ein grossartiger Pinot mit soliden Reserven. 2017 bis 2028 geniessen, Aktuell 18.5+ vvPunkte (92+/100), mit Potential für 1-2 Punkte nach Oben. Kompliment!
Der Zufall wollte es, dass unser Redaktor und Fotograf Simon, kurz nach unserer Verkostung in der Pfalz unterwegs war. Er konnte er es nicht lassen und vereinbarte einen Termin, um dem Weingut Wageck in Bissersheim einen Besuch abzustatten. Hier geht es zum zweiten Teil des Berichts.
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