1985: grossartige Bordeaux-Weine und Menschen.
Am Samstag feierte Marcio seinen 30. Geburtstag. Passend zum Jahr verkosteten wir einige Weine aus 1985. Der Sommer 1985 im Bordeaux war heiss und trocken und der Jahrgang gehört, vorausgesetzt es wurde nach der mieserablen 1984er Ernte nicht zu viel gelesen, nach dem grossen 1982er zu den besten Jahrgängen der 80er-Jahre.
Der Apéro.
Wir starteten mit einem Champagner Les Échansons 2004 von Mailly. Schon die Basisqualitäten dieses Hauses sind beachtlich, was hier ins Glas kam, war einfach nur wunderbar ausgewogen, frisch und mit sehr guter Komplexität. 18 vvPunkte (92/100)
Die Vorspeise.
Zur Vorspeise gabe es in Mandelkruste gebratene Felchenfilets mit Mais-Peperoni-Gemüse. Dazu önnten wir uns zwei wunderschöne Weissweine aus dem Burgund.
2013, Leflaive 1er Cru Clavoillon, Puligny-Montrachet: Mittleres Goldgelb, schöner Glanz. Offene, noch etwas Holzbetonte Nase, einiges an weissen Birnen, etwas Aprikose, Kräuter, dazu eine feine Floralität und auch nussige Aromen. Sehr gute Komplexität. Am Gaumen weicher, fast molliger Auftakt, dann rasch sehr saftig mit knackiger Frucht, einiges an Zitrusaromen, die Säure ist sehr fein, das Holz am Gaumen perfekt eingebunden, sehr gute Harmonie. Der Wein ist bereits erstaunlich gut entwickelt und zugänglich, gefällt mir ausgezeichnet. 2016-2024, 18.5 vvPunkte (93/100)
2013, Bonneau du Martray Corton-Charlemagne: Kräftiges Goldgelb, schöner Glanz. Sehr tiefe Nase, unglaublich dicht, intensiv, feinduftig, floral, Lilien, Zitronenzesten, Melone, Gräser, Anflüge von Blütenhonig und Pinienharz, ausgezeichnete Komplexität. Am Gaumen gradliniger, straffer, sehr direkter Auftakt, da ist ein Konzentrat an Frucht, wieder Zitronen, auch Birnen, Apfel, sehr saftig, dicht und äusserst klar. Der Wein hat viel Würze ist sehr elegant am Gaumen und bietet diese grossartige Ausgewogenheit, wie sie nur die ganz grossen Wein hinkkriegen. Perfekt integrierte Säure, keinerlei Holzdominanz, sehr gute Komplexität und im Abgang von wunderbarer Länge, endet auf eine feine Karamellnote. Gefällt ausgezeichnet, 2016-2028, 19 vvPunkte (95/100)
Der Hauptgang.
Weiter ging es mit St. Emilion. Zu einem sehr leckeren Gulasch das mit einer weissen Polenta serviert wurde, verkosteten wir sechs Bordeaux-Weine aus 1985. Die Weine wurden blind serviert und in 2er-Serien verkostet und bewertet. Nachfolgend meine Eindrücke zu den sechs Weinen in der Reihenfolge der Verkostung.
1985, Ch. Canon, St. Emilion: Mittleres Bordeauxrot, dem Alter entsprechende Reifetöne, einiges an Trübstoff. Noch etwas verhaltene Nase, leicht muffig, angenehme Tiefe, Tabak, Rauch, rote und dunkle Frucht, Champignon, etwas Zedern, sehr gute Komplexität. Am Gaumen recht straffer Auftakt, sehr saftig, reife rotbeerige Frucht, etwas harsch wirkend, noch immer Gerbstoff, wirkt deutlich trocknend, etwas spröd, in der Mitte des Gaumens fehlt es etwas an Druck, leichter Körper, die Säure ist sehr präsent aber nicht übermässig, der Wein hat alles in allem eine gute Harmonie ist aber nicht hochkomplex. Im Abgang von mittlerer Länge, endet auf Sauerkirsche, gefällt mir sehr gut. Jetzt trinken. 17 vvPunkte (87/100)
1985, Ch. Cheval Blanc, St. Emilion: Mittleres Bordeauxrot, erst leichte Reifetöne, aufgehellter Rand. Offene, an Pferdesattel erinnernde Nase, sehr tief, Zedern, dunkle Frucht, Torf, Tabak, Waldboden, wow, mit mehr Luft auch Weihnachtsgewürze, Süssholz, Kräuternoten, ausgezeichnete Komplexität. Am Gaumen sehr weich beginnend, dann rasch straffer werdend, dunkelfruchtig, sehr schöne Frucht, wieder Torfnoten, wunderbare Würzigkeit, classic Bordeaux. Mittelkräftiger Körper, Säure, Frucht und Alkohol in ausgezeichneter Balance, noch immer etwas Gerbstoff, sehr schön und unglaublich ausgewogen. Im Abgang von sehr guter Länge, endet auf eine Süssholznote. Das ist ein wunderbarer Wein der auf den Punkt gereift ist. Ausgezeichnet und wohl einer der besten Weine des Jahrgangs. Hat noch deutlich Reserven. 2016-2025, 19 vvPunkte, (95/100)
1985, Lynch Bages, Pauillac: Mittelkräftiges Bordeauxrot, dezent Reifetöne, leicht aufgehellter Rand. In der Nase sehr offen, leicht animalisch, deutlich geröstete Erdnüsse, getrocknetes Stroh, auch Anflüge von feuchtem Unterholz und etwas Feuerwerk, sehr gute Komplexität. Am Gaumen straffer Auftakt, erst etwas ruppig, leicht grünlich wirkend, der Wein ist kräftig, fast etwas burschikos aber nicht ohne Charme. Da sind grüne Paprika, rotfruchte Aromen, eine steinige, kühle Aromatik. Die Gerbstoffe sind noch erstaunlich präsent, die Frucht knackig-saftig, feine Säure, sehr gute Ausgewogenheit. Am Mittleren Gaumen nicht ganz so dicht, doch das ist Kritik auf hohem Niveau. Im Abgang von sehr guter Länge, endet leicht rauchig und mit feinen Zedernholznoten. Ein wunderbarer Wein der sich über den Abend positiv entwickelt hat. Jetzt bis 2028, 19 vvPunkte, (94/100)
1985, Pichon Baron, Pauillac: Mittelkräftiges Bordeauxrot, erste Reifetöne. In der Nase zuerst ziemlich verschlossen, braucht Zeit , da ist etwas nasser Karton, da sind Anflüge von grünem Holz, der Wein braucht Luft, mit der Zeit kommt da eine wunderschöne Frucht, gekochte Himbeeren, Walderdbeeren, Kirschen, auch rauchige Anflüge, sehr gute Komplexität. Am Gaumen sehr straffer Auftakt, kraftvoll, strukturiert, da ist eine satte Frucht, einiges an roten Beeren, sehr schöne Würzigkeit, die Gerbstoffe sind reif, sehr fein, die Säure ist saftig und sehr gut eingebunden. Wunderbare Ausgewogenheit, sehr gute Komplexität und ausgezeichnete Länge im Abgang. Ein wunderbarer Wein mit Reserven für weiter 15 Jahre. Jetzt bis 2028, 18.5 vvPunkte, (93/100)
1985, Pichon Comtesse, Pauillac: Kräftiges Bordeauxrot, schöner Glanz, erst leicht aufgehellter Rand. Die Nase sehr fein, sehr duftig, da sind Noten von Tabak, Leder, Rauch, auch florale Noten die an Veilchen erinnern, ein Hauch grüne Paprika schwingt mit, sehr gute Komplexität, ein Schnüffelwein. Am Gaumen weich und samten im Auftakt, rotfruchtig, feinwürzig, geschmeidig mit sehr schönem Schmelz; am mittlerer Gaumen auch mit Noten von Eukalyptus. Mittelgewichtige Statur, kein Blockbuster sondern wunderbar ausgewogen, feminin, mit weitgehend abgeschmolzenen Gerbstoffen und gut integrierter Säure. Ein kleines Meisterwerk in Sachen Balance. Sehr gute Komplexität, im Abgang stimmig und mit wunderbarer Länge. Auf den Punkt gereift mit Reserven für weitere 5-10 Jahre. Jetzt bis 2023, 18.5 vvPunkte, (93/100)
1985, Talbot, St. Julien: reifes Bordeauxrot, am Rand ziegelrote Reflexe. Die Nase ist offen, wirkt etwas karg, nicht uninteressant aber mit einer etwas staubigen Note, dahinter Bleistift, Zedern, gute Komplexität aber etwas rustikal wirkend. Am Gaumen straff, ziemlich grün im Auftakt, sehr klassischer Old School Bordeaux, rotfruchtige Aromen. Am mittleren Gaumen deutliche Bitternoten die an Grapefruit erinnern, der Wein ist mittelkräftig, rustikal, wirkt vor allem am Gaumen etwas unausgewogen, bietet aber trotzdem eine gute aromatische Komplexität. Im Abgang zeigt sich dann die Bitternote deutlich. Ein klassischer, gut zu trinkender Bordeaux alter Schule, der vermutlich mit etwas zu hohen Erträgen geerntet worden ist. Gut aber nicht gross. Hat noch Reserven, wird aber nicht besser. Jetzt bis 2025, 17.5 vvPunkte, (89/100)
Der Abschluss.
Zum Käse offerierte Marcio eine Auslese von Markus Molitor aus dem Jahr 2001. Ich machte mir keine detaillierten Notizen mehr, doch der Wein bot ein wunderbares Riesling-Erlebnis. Nur 7.5% Alkohol und ein wunderbares Süss-Säurespiel machten den Abschluss dieses wunderbaren Abends perfekt.
Fazit: die besten Weine aus 1985 sind aktuell in einem wunderbaren Trinkfenster. Cheval-Blanc 1985 ist gross und steht dem 1982er in meinen Augen in nichts nach. Auch Comtessese, Baron und Lynch Bages haben sich sehr gut präsentiert und zeigen nach wie vor Reserven. Einzig Talbot (etwas grün) und Canon (dünn, hohe Säure) zeigten, dass nicht alle Güter in diesem Jahr optimal gearbeitet haben.
Doch was wären gute Weine, ohne liebe Menschen? Danke Marcio und Veronika für diesen wunderbaren Weinabend und die feine Küche. Ich freue mich auf die nächste 85er-Probe!
Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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