Bordeaux 2011 bei Reichmuth. Bezaubernd floral…
Heute konnte ich im Rahmen einer kleinen aber feinen Degustation quer durch den Jahrgang 2011 bei Reichmuth einmal mehr einige Weine dieses nicht unumstrittenen Jahrgangs verkosten. Die Verkostungsbedingungen waren – was Temperatur der Weine und Platzverhältnisse angeht – ideal.
Einziger Wermutstropfen waren die nicht ganz idealen Gläser. Hätte es sich um 82er Bordeaux-Weine gehandelt wären die eher kleinen Gläser wohl ganz gut gewesen. Doch bei den jungen und äusserst duftigen, ja oft sehr blumigen Tropfen, hätte ein etwas grösseres Glas wohl ganz gut getan.
Schon bei der Gerstl-Arrivage vor rund einem Jahr haben mich die vielen Weine auf sehr gutem Niveau positiv überrascht. Doch was ich heute im Glas hatte war ganz einfach nur sehr schön und sehr Bordeaux.
Meine Eindrücke sind wie immer Momentaufnahmen. Man möge mir die eine oder andere Unter- oder Übertreibung verzeihen – was mir aber in positiver Erinnerung bleibt ist ein Jahrgang, der unglaublich florale, feine und bekömmliche Weine hervorgebracht hat. Weine die Lust auf ein Glas mehr machen und Weine, die schon erstaunlich zugänglich sind und doch ein gutes Reifepotenzial haben.
2011, Cambon La Pelouse, cru bourgeois Haut-Médoc: Mittleres Bordeauxrot, saubere, offene, Merlot-betonte Nase, weich, reife Frucht. Recht rustikal im Auftakt, eher rotbeerige Frucht, die Gerbstoffe präsent, deutliche Bitternote, gute Säure. Ein trinkiger Essbegleiter, bereits zugänglich, guter Alltagswein, 16.5 vvPunkte, (83/100), 2015 bis 2022
2011, Les Grands Maréchaux, Cote de Blaye: strahlendes Rubin, duftige Nase, dunkle Kirsche, Maulbeere, auch Gewürze. Offener Auftakt, wirkt relativ warm in der Frucht, wieder rotbeerig mit reifem Gerbstoff und feiner Säure, sehr schöne Balance und elegant. Qualitativ in der Bourgeois-Liga, harmonischer Wein, 17 vvPunkte, (86/100), 2015-2022
2011, Camensac, cru classé Haut-Médoc: jugendliches Rubin, sehr reine, noch leicht vom Holz geprägte Nase, schwarze Johannisbeere, schöne Würzigkeit, sehr gute Komplexität. Saftiger Auftakt, reine, eher dunkelbeerige Frucht, kräftig im Gerbstoff, satte Frucht und wieder deutlich Holz, aktuell noch etwas unruhig, muss seine Mitte noch finden. Ein sehr guter Wein, hat Reserven, 17.5 vvPunkte, (89/100), 2016-2026
2011, La Tour Carnet, cru classé Haut-Médoc: mittleres Bordeauxrot, schöner Glanz, offene, warme Nase, leicht laktische Noten, etwas Schlagsahne, Brombeeren, schwarze Kirsche, ein Charmeur. Sehr sauberer, bordeaux-typischer Auftakt, ein ganzer Korb von roten und dunklen Beeren, das Holz präsent aber gut eingebunden, die Gerbstoffe fein gewoben, gut stützende Säure, sehr gute Komplexität und angenehm lang im Abgang. Ein charmanter, schon sehr gut zugänglicher, eher moderner Bordeaux der doch Reserven hat, 17.5 vvPunkte, (89/100), 2015-2024
2011, Chasse-Spleen, cru bourgeois Moulis: helles Kirschrot, jugendlicher Glanz, duftig-verspielte Nase, sehr saubere Fruchtaromen, etwas Rauch, auch Veilchen, das Holz nur sehr dezent wahrnehmbar, sehr schöne Komplexität, ein kleiner, feinduftiger Margaux. Saftiger Auftakt, wieder blumige Aromen, sehr feminin, zarte Fruchtaromen, ausgezeichnete Balance der Elemente, eher leichte Statur, ja definitiv kein Kraftprotz dafür umso mehr Eleganz im Spiel. Ein sehr gut gelungener Chasse-Spleen, 18 vvPunkte, (90/100), 2015 bis 2024
2011, Deyrem-Valentin, cru bourgeois Margaux: strahlendes Rubin, schöner Glanz, duftig-würzige Nase, da sind rote Beeren, Blumen, Puderzucker, auch rauchige Aromen, angenehm komplex. Sehr reiner Auftakt, zarte Frucht, eher rotbeerig, am mittleren Gaumen dann saftig, knackig mit mittelkräftiger Statur, sehr feine Gerbstoffe, gut eingebundene Säure, finessenreich, im Abgang stimmig wenn auch nicht sonderlich lang. Ein schöner Wein, perfekt für den sonntäglichen Mittags-Tisch, 17.5 vvPunkte, (89/100), 2015-2025
2011, Durfort-Vivens, cru classé Margaux: mittleres Rubin, schöner Glanz, sehr duftige, dunkelbeerige Nase, einiges an Brombeeren, dazu auch Blumen, Citrus-Aromen, sehr eigenständig diese Nase, spannend. Am Gaumen sauberer, gradliniger Auftakt, ein ganzer Korb von Beeren, herrlich knackig, dann packen die Tannine zu, sehr gute Struktur mit einer frischen, stützenden Säure, die Komponenten in sehr guter Balance, das Holz perfekt eingebunden, der Wein hat Reserven, dürfte sehr gut reifen. Eine ausserordentlich schöne Interpretation des Jahrgangs, 18.5 vvPunkte, (92/100), 2016-2026
2011, Lagrange, cru classé Saint-Julien: mittleres Bordeauxrot, offene, feinduftige Nase, ein Hauch Holz schwingt mit, rote Kirschen, Rauch, wirkt noch etwas verhalten. Gradliniger Auftakt, sehr saubere Frucht, einiges an roten Kirschen, auch Vanillearomen, die Gerbstoffe sehr fein, mittlere Statur, sehr gute Balance, ausgewogen, tänzerisch, elegant. Ein guter wenn auch kein grosser Lagrange, dürfte hervorragend reifen, 18 vvPunkte, (90/100), 2016-2028
2011, Léoville Las Cases, cru classé Saint-Julien: mittleres Rubin, sehr schöner Glanz, sehr tiefe, noch verhaltene Nase, etwas Klebstoff, ein Wein der Luft braucht, viel Luft (das würde ich gerne morgen nachverkosten) da ist Rauch, da sind dunkel Beeren, Weihnachts-Gewürze, sehr komplex. Im Auftakt, gradlinig, noch sehr ungestüm, sehr schöne Frucht, deutlich Gerbstoff, ein Strukturwein, reife Säure, der Wein hat Körper ohne Fett zu sein, die Balance ist sehr gut, vielleicht keiner der ganz grossen Las-Cases-Jahrgänge aber definitiv einer der grossen Weine des Jahres, lang im Abgang, 19 vvPunkte, (95/100), 2018-2030+
2011, Domeyne, cru bourgeois Saint-Estèphe: helles Rubin, noble, zurückhaltende Nase, rote Beeren, rauchig, schöne Tiefe. Saftiger Auftakt, eher schlank, einiges an roten Beeren, sehr klassisch, keinerlei Breitschultrigkeit, die Gerbstoffe reif, mittlere Statur, sehr gute Säure, null Holzdominanz, hervorragende Balance und gute Länge im Abgang. Ein Wein der in 2-3 Jahren viel Spass machen wird und liegen darf, 18 vvPunkte, (91/100), 2016-2028
2011, Phélan-Ségur, cru bourgeois Saint-Estèphe: strahlendes Rubin, verhaltene Nase, schöne Tiefe, nobel, man muss es mögen, aber das ist sehr Phélan mit viel kräftiger Beerenfrucht, auch Gewürze, sehr gute Komplexität, ein Schnüffelwein. Feiner Auftakt, erst zurückhaltend, die Frucht reif aber nicht überreif, tolle Saftigkeit, keine Holzdominanz, der Wein hat Struktur und viel Finesse, klasse Tannin, sehr gute Qualität und hervorragend die Balance, im Abgang von sehr guter Länge, 18.5 vvPunkte, (92/100), 2016 bis 2028+
2011, Cos d’Estournel, cru classé Saint-Estèphe: dunkles Rubin, jugendlicher Glanz, tiefe, komplexe Nase, hedonistisch, offen, da sind Massen an dunklen Beeren, da ist Rauch, einiges an Caramel, deutlich Holzaromen. Unglaublich dicht im Auftakt, ein Fruchtbündel, ein Konzentrat, rote Beeren, Kirschen, massenhaft Brombeeren, wieder Holz. Was gefällt ist die sehr gute Harmonie, hier scheint man bei Cos wieder einen Schritt in Richtung Eleganz zu machen. Nach wie vor zwar eher auf der muskulösen Seite aber ohne Zweifel aber ein grosser Wein und einer der besten Weine des Jahrgangs, 19 vvPunkte, (95/100), 2017-2030+
2011, Haut-Batailley, cru classé Pauillac: mittelkräftiges Rubin, sehr offene, duftige Nase, sehr Pauillac, neben roter und dunkler Beerenfrucht auch einiges an Leder, erstaunlich weit entwickelt und offen. Sauberer Auftakt, satte Frucht, sehr zugänglich, reife Früchte, etwas Gewürze, die Säure gut eingebunden, mittlere Statur, kein super-komplexer Wein aber jetzt schon ein Charmeur mit angenehm langem Abgang, 18 vvPunkte, (91/100), 2015 bis 2024
2011, Pichon-Baron, cru classé Pauillac: mittelkräftiges Bordeauxrot, schöner Glanz, noble Nase, noch recht Holzgeprägt, sehr tief, deutlich schwarze Johannisbeere, auch Rauch. Saftiger Auftakt, sehr weiche Frucht, schmeichlerisch, schon erstaunlich zugänglich, rote Beeren, auch Hagebutten, Orangen, schöne Komplexität, sehr harmonisch. Wie immer perfekt vinifiziert und endlich wieder mal in Richtung „klassisch Bordeaux“ und das auf hohem Niveau. Bereits eine Sünde wert, mit sehr guten Reserven, 19 vvPunkte, (94/100), 2015-2030+
2011, Mouton-Rothschild, 1er cru classé Pauillac: mittleres Bordeauxrot, schöner Glanz, betörende Nase, Kräuter, dunkle Johannisbeere, sehr nobel, neben der Frucht auch Gräser, Blumen, dunkle Schokolade, hervorragende Komplexität. Am Gaumen unglaublich weich, hier eckt nichts an, sehr hedonistisch… Doch dann packen die Gerbstoffe zu, weich, reif, fein gewoben, die Säure perfekt eingebunden, eine ausgezeichnete Harmonie. Einzig im Abgang dürfte er noch länger sein, aber das ist schon Kritik auf sehr, sehr hohem Niveau, ein grossartiger Mouton, 19.5 vvPunkte, (96/100), 2017-2035+
2011, Malartic La Gravière, cru classé Péssac-Léognan: mittleres Rubin, schöner Glanz, krautige Nase, rote Beeren, ein Hauch florale Noten, Anflüge von Tee. Einfach aber sauber, am Gaumen, erstaunlich offen und zugänglich, saftig, sehr reife Frucht, im Alkohol an der oberen Grenze, alles in allem ein sehr guter Wein mit Reserven, 17.5 vvPunkte, (88/100), 2015-2025+
2011, Haut-Bailly, cru classé Pessac-Léognan: mittleres Bordeauxrot, schöner Glanz, die Nase wie immer nobel, tief mit dunklen Beeren, Rauch, Tabak, dazu auch florale Noten, ein Wein der Zeit braucht. Der Gaumen straff, gradlinig, eher schlank im Auftakt, dann sehr schöne Frucht, die Gerbstoffe fein gewoben, sehr gute Säure, frisch, knackig und äusserst finessenreich, komplex, kraftvoll, präzis und mit hervorragender Balance. Einmal mehr ein sehr schöner Haut-Bailly, 19 vvPunkte, (94/100), 2016-2030+
2011, Petit-Val, grand cru Saint-Emilion: reifes Rubin, krautige Nase, einiges an Cab-Franc (?), rote Beerenfrucht, etwas Würze, nicht sonderlich komplex aber nicht uninteressant. Saftig im Auftakt, rotbeerig, etwas Tabak, das Holz gut eingebunden, im Alkohol an der oberen Grenze, stimmiger Gesamteindruck, guter Tischbegleiter, 17.5 vvPunkte, (88/100), 2015-2025
2011, Canon-la-Gaffelière, grd.cru classé Saint-Emilion: mittleres Bordeauxrot, warme Nase, einiges an Klebstoff, parfümiert vom Holz, könnte auch ein Toskaner sein, oder neue Welt? Am Gaumen fast süsser Auftakt, sehr reife Frucht, wirkt etwas gekocht, der Alkohol präsent, die Frucht zu kompottartig für Bordeaux, qualitativ sehr gut, stilistisch absolut nicht auf meiner Linie. Sehr gute Länge im Abgang, 17 vvPunkte, (87/100), 2015-2024
2011, Cheval-Blanc, 1er grand cru classé A Saint-Emilion: strahlendes Rubin, tief, nobel, einiges an Rauch, Tabak, Veilchen, noch verhalten aber sehr präzis und mit grosser Komplexität. Hier reift ein grosser Wein heran. Am Gaumen straff, gradlinig, wieder sehr präzise Frucht, das ist Klasse, die Elemente sind in ausgezeichneter Harmonie, die Gerbstoffe reif, die Säure perfekt eingebunden, aromatisch nicht ein ganz grosser Cheval-Blanc aber definitiv einer der schönsten und finessenreichsten Weine des Jahrgangs. Ein Wein der Zeit braucht und hervorragend reifen dürfte, 19 vvPunkte, (94/100), 2017-2030+
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