Schweizer Pinot Noir 2017
Vor einigen Wochen verkostete ich im Restaurant zum Alten Löwen in Zürich zusammen mit einer Runde von Wein-Begeisterten eine ganze Reihe von Pinots aus der Schweiz. Das Thema war der Jahrgang 2017, dessen Weine aktuell mehrheitlich in einem sehr schönen Trinkfenster sind. Die Weine wurden von der ganzen Gruppe blind in 5er-Serien verkostet und bewertet. Nachfolgend meine Eindrücke und Bewertungen nach meiner persönlichen Bewertung absteiend sortiert. Die Tabelle mit der Gruppen-Bewertung findet sich am Schluss meiner Notizen.
2017, Domaine de la Rochette «Les Chypres», Cressier, Neuchâtel (100% Pinot Noir). Expressiv, komplex, tiefgründig, viel Holz, viel dunkle Frucht, Stein, Teer. Der Gaumen ist dicht, perfekt reife Frucht, feinstes Tannin, top Struktur, perfekt integriertes Holz, saftig, mit Nerv, Biss und Länge. Grand Cru Qualität aus der Schweiz. 95 vvPunkte
2017, Wegelin «Scadenagut», Malans, Graubünden (100% Pinot Noir). Verhaltene Nase, sehr tief und komplex, feine Röstnoten, Gewürze, rote und dunkle Beeren, Stein, verändert sich mit Luft, wird immer komplexer. Im Gaumen straff, sehr druckvoll, das ist Power pur, doch da ist auch viel Eleganz mit im Spiel, hervorragende Tanninqualität, langer, saftiger Abgang. Ein Pinot mit grossen Reserven. 94 vvPunkte
2017, Diego Mathier «Ambassadeur Rouge», Salgesch, Wallis (100% Pinot Noir). Expressive, eher warm anmutende Nase, vielschichtig, mit dunkler Frucht, reifen Erdbeeren, darüber zitrischen Noten. Im Gaumen weich, zeigt Rundungen und gleichzeitig viel Eleganz, sehr feines Tannin, gut integrierte Säure. Ein top Pinot. 94 vvPunkte
2017, Weingut Besson-Strasser «Chlosterberg», Uhwiesen, Zürich(100% Pinot Noir). Feinduftige, florale Nase, wunderbar komplex, tiefgründig, leicht rauchig, ein Duft zum Eintauchen! Im Gaumen straff, kühl und burgundisch anmutend, saftige Säure, viel Würze, top Tanninqualität, eindrückliche Länge. Hohes Niveau, mit Reserven! 94 vvPunkte
2017, Domaine de La Maison Carrée «Le Lerin», Auvernier, Neuchâtel (100% Pinot Noir). Wow, was ist das für ein schöner Duft, reiffruchtig, Erdbeeren, viele Gewürze, Kalkstein, Kräuter, sehr burgundisch anmutend. Im Gaumen straff, dicht, konzentriert, top feine Tannin, zeigt viel Schwung und Rasse, hallt lange nach. Grandios in der Stilistik und definitiv von sehr guter Qualität. 93 vvPunkte
2017, Histoire d‘Enfer «L’Enfer du Calcaire», Corin-de-la-Crête, Wallis (100% Pinot Noir) Würzige, sehr mineralische Nase, präsentes, jedoch schönes Holz, rote Frucht, Kräuter, Gewürze, Stein, ein Gedicht. Im Gaumen saftig, knackig und frisch, sehr gute Tanninstruktur, wunderbare Säure, würzig, balanciert, energetisch und mit ausgezeichneter Länge. Macht Spass, kann reifen. 93 vvPunkte
2017, Domaine de Chambleau «Pur Sang», Colombier, Neuchâtel (100% Pinot Noir) Tiefgründige Nase, sehr komplex, reiffruchtig, Erdbeere, Würze, Kräuter, dunkle Schokolade. Im Gaumen mit viel Körper und Druck, top Struktur, trotz einer gewissen Üppigkeit wirkt der Wein balanciert und zeigt Eleganz, die Gerbstoffe sind markant, von sehr guter Qualität. Langer Abgang. Noch liegen lassen, 2024 bis 2035… Der Wein hat Reserven. 93 vvPunkte
2017, Donatsch (Unique), Malans, Graubünden (100% Pinot Noir) Feine, komplexe Nase, distanziert und doch einladend, nobel, frisch, feinwürzig, zeigt deutlich Holz, rote und dunkle Beeren. Im Gaumen mit Kraft und viel Eleganz, wirkt nicht überladen, das Barrique ist wahrnehmbar, doch perfekt integriert, feinkörniges Tannin, Rasse und Balance. Kompliment. Hohe Qualität. 93 vvPunkte
2017, Weingut Besson-Strasser «Albi», Gächlingen Klettgau, Schaffhausen (100% Pinot Noir). Sehr offene Nase, dezent noch vom Holz geprägt, tiefgründig, kühl, nobel. Der Gaumen ist straff, sehr gradlinig, wiederum kühl anmutend, reifes, feingewobenes Tannin, top Struktur und im Abgang sehr lang, wow! 93 vvPunkte
2017, Markus Ruch «Haalde», Hallau, Schaffhausen (100% Pinot Noir). In der Nase sehr komplex, zeigt viele Kräuter, Eukalyptus, Minze, reife, dunkle Frucht, Rauch. Im Gaumen dicht und kräftig, ein Mund voll Wein, top Struktur, mit Wucht und dennoch viel Finesse. Lang und mit guten Reserven! 93 vvPunkte
2017, Tom Litwan «Chalofe», Thalheim, Aargau (100% Pinot Noir). Reduktive Nase, anfangs schwierig zu beurteilen, öffnet sich mit Luft wunderbar, tiefgründig, kühl, burgundisch. Im Auftakt saftig und frisch, ungemein knackige Frucht, straffe Tanninstruktur, merklich Säure. Energiegeladen, wild und doch bei sich. Nicht für jeden, ich liebe das jedoch! 93 vvPunkte
2017, Ottiger «Pinot Noir Rosenau B», Kastanienbaum, Luzern (100% Pinot Noir). Tiefgründige Nase, leicht rauchig, reife Frucht, dennoch kühl anmutend. Im Gaumen zugänglich, fast schon kuschelig weich, dann packt jedoch die Struktur zu, stützt die Frucht, das Tannin ist fein gewoben und die Säure macht den Wein sehr frisch. Endet lang. Ein Wein zwischen Hitze und Frische! 92 vvPunkte
2017, Weingut zum Sternen «Kloster Sion Reserve», Klingnau, Aargau (100% Pinot Noir). In der Nase mit reifer Frucht, zeigt Sauerkirschen, Brombeere, Gewürze und florale Töne, komplex. Der Gaumen ist dicht und kräftig, zeigt Volumen, baut Druck auf, zeugt vom Terroir. Im Abgang mit viel Länge. Etwas üppig, aber qualitativ top! 92 vvPunkte
2017, Michael Broger «alte Reben», Weinfelden, Thurgau (100% Pinot Noir). Reiffruchtige Nase, Brombeeren, Kirschen, Gewürze, dezente Röstnote. Im Gaumen zugänglich, zeigt Rundungen, bleibt dabei klar und rein. Ein Wein mit sehr viel Energie und aromatischer Länge. 92 vvPunkte
2017, Weingut zur Linde «Unter der Linde», Linn, Aargau (100% Pinot Noir). In der Nase mit vielen Rötnoten, zeigt Kräuter, dunkle, reife Frucht, Kirsche, Pflaume. Im Gaumen üppig, vollmundig, sehr dicht und konzentriert, süsse Frucht, viel Struktur, sehr gute aromatische Länge. Auf der üppigen Seite des Pinots, qualitativ hochwertig. 92 vvPunkte
2017, Gantenbein Pinot Noir, Fläsch, Graubünden (100% Pinot Noir) Rauchige Nase, viel Holz, Vanille, Gewürze, Johannisbeeren, Sauerkirschen, komplex. Im Gaumen weich und kuschelig, gute Säure, feine Gerbstoffe, feine Textur, rotfruchtige Aromatik. Im Abgang lang, sehr ausgewogen. Sehr gut gemacht, ein Crowd-Pleaser 92 vvPunkte
2017, Obrecht «Monolith», Jenins, Graubünden (100% Pinot Noir). Rauchige Nase, etwas verhalten, braucht Luft, zeigt eine dunkle Frucht und feine, florale Töne. Im Gaumen druckvoll, straff, konzentriert, saftige Frucht, feinkörniges Tannine, alle Elemente sehr gut balanciert, energiegeladen und lang im Abgang. Kann noch zulegen. 92 vvPunkte
2017, Weingut Eichholz (Irene Grünenfelder) «Eichholz», Jenins, Graubünden (100% Pinot Noir) Würzige, rotfruchtige, komplexe Nase, feine Röstaromen, Kräuter, verspielt. Im Gaumen sehr elegant, saftig, frisch, wieder mit viel Würze, einer guten Tannins-Struktur und einer lebhaften Säure, langer Abgang. Ein filigraner, spannungsvoller und sehr charmanter Wein. 91 vvPunkte
2017, Hoss Hauksson «Alpberg», Rüfenach, Aargau (100% Pinot Noir). Komplexe, tiefgründige und leicht rauchige Nase, zeigt Röstnoten, Speck, rote und dunkle Beeren. Im Gaumen straff, charaktervoll, markante Säure und deutlich Tannin. Lang und eher dunkelfruchtig im Abgang. Spannend! 91 vvPunkte
2017, Lüthi «Pinot Noir», Stäfa, Zürich (100% Pinot Noir). Rotfruchtige Nase, frisch und leicht würzig, zeigt eine gute Komplexität und viel Pinot-Typizität. Im Gaumen schlank und balanciert, feine Gerbstoffe, sehr gute Säurestruktur. Endet langanhaltend und wieder mit einer feinen Würze. 90 vvPunkte
2017, «Ciprian», Zizers, Graubünden (100% Pinot Noir). In der Nase mit Cassis pur, rein und klar, wirkt fast schon kitschig, zeigt mit mehr Luft auch feuchten Stein, Gewürze. Im Gaumen weich, rund, aromatisch wieder mit viel Cassis, gute Struktur, etwas weniger Spannung als andere Weine und im Abgang mit einer dominanten Cassis-Aromatik. 90 vvPunkte
2017, Domaine Grand’Cour – Pellegrin «Pinot Noir P», Satigny, Genf (100% Pinot Noir). Intensive Nase, ein Hauch flüchtige Säure schwingt mit, dunkle Frucht, Gewürze, viel Holz. Im Gaumen top strukturiert, zeigt Druck und Konzentration, das Holz ist gut eingebunden, trotz Kraft mit einer gewissen Eleganz. Endet lang und auf schwarze Kirschen. 90 vvPunkte
2017, Casanova WeinPur «Fürscht», Walenstadt, St-Gallen (100% Pinot Noir). Leicht reduktive Nase, zeigt einen Mix aus dunklen und roten Früchten, wirkt dezent krautig, verspielt. Gut strukturierter Gaumen, eher filigran im Charakter, solide Länge. Gelungen und balanciert. 89 vvPunkte
2017, Erich Meier «Pinot Noir Kirche», Uetikon am See, Zürich (100% Pinot Noir). In der Nase mit viel, sehr viel Holz, schönes Holz zwar, dieses überlagert jedoch die Frucht. Im Gaumen wieder stark vom Holz dominiert, der Wein hat zwar eine gute Struktur, doch das Barrique überlagert leider alles. Schade, für die eigentlich gute Primär-Frucht, die da wäre. 89 vvPunkte
2017, Schlossgut Bachtobel «Pinot Noir No3», Weinfelden, Thurgau (100% Pinot Noir). Leider mit Fehlton (Kork), keine Bewertung.
2017, Studach Pinot Noir, Malans, Graubünden (100% Pinot Noir) Leider mit Fehlton (Kork), keine Bewertung.
2017, Fromm Selvenen, Malans, Graubünden (100% Pinot Noir). Leider mit leichtem Fehlton (Kork), keine Bewertung.
Sehr nützliche Bewertung, die einem helfen kann, sich unter den Schweizer Weinen zurecht zu finden.
Was mich allerdings erstaunt, ja schockiert, sind die sehr grossen Abweichungen unter den Bewertungen – ein Niedrigwert von 82 Punkten, und für denselben Wein eine Topbewertung von 95 Punkten? Nur die ersten beiden Weine haben eine akzeptable Abweichung zwischen den Bewertern. Irgendwer muss da seine Skala neu eichen…
Bin ohnehin überrascht über die teilweise sehr hohen Bewertungen. Bis ich einem Wein 95 oder gar 97 Punkte gebe, ist es ein SEEEHHHRR langer Weg. Punkteinflation hilft eigentlich keinem.
Ciao Michael. Die grossen Abweichungen in der Gruppenbewertung kommen daher, dass es div. Amateure am Tisch hatte, die weniger geübt sind im Wein bepunkten – sprich – wenn’s gefallen hat, gab man viele Punkte, wenn’s persönlich nicht so gefallen hat, tiefe… Die Tabelle ist daher mehr ein allgemeiner Indikator, welche Weine in der Breite gut angekommen sind. Die teils sehr hohen Abweichungen sind v.a. bei den Weinen aufgetreten, welche aufgrund ihrer Silistik polarisierten. Und drei Punkte Abweichung auf der 100er-Skala ist nicht so dramatisch, v.a. in einer solchen Amateur-Gruppe. Die generell hohen Bewertungen sind meines Erachtens mehr als gerechtfertigt, schliesslich hatten wir nicht irgendwelche Weine am Start, sondern ein Teil der Crème de la Crème der Schweiz – es gab keine mittelmässigen Weine, nur sehr gute und Ausgezeichnete. Meine höchste Bewertung lag bei 95 – für den Chypres – aus meiner Sicht ganz klar ein Kandidat für eine Blindprobe mit grossen Burdundern. Lieber Gruss, Adrian