Bordeaux Primeurs 2020

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Die 2020er Weine in Bordeaux dürften, wie überall auf der Welt, etwas im Schatten stehen. Für einmal aber nicht im Schatten eines „besseren Vorgängerjahrgangs“ sondern primär im Schatten der Covid19-Pandemie, die gefühlt 95% des Diskussionsinhaltes im Jahr 2020 darstellte.

Doch wie sind die 2020er Bordeaux-Weine geworden? Eine Frage, die Jahr für Jahr die Weinwelt interessiert. Normalerweise pilgert ein Heer von Weinjournalisten im April nach Bordeaux, um den neuen Jahrgang „En Primeur“ und noch als Fassmuster vor Ort zu verkosten. Doch Corona machte uns auch dieses Jahr wieder einen Strich durch die Rechnung und ich entschied mich desshalb gegen eine Reise nach Frankreich. Als Alternative fragte ich einige Châteaus und Appellations-Vereinigungen an, mir 2020er Fassmuster zuzusenden, damit ich mir auch „remote“ eine Meinung zum aktuellen Jahrgang machen konnte.

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Photo Credit to www.jasmin-morgan.ch
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Kurz zusammengefasst: Die Qualität schein relativ hoch zu sein und quer über alle Appellationen findet man gute bis sehr gute Weine. Die Quantität dagegen ist verhältnismässig klein. Eine ziemlich gute Kombination im Kontext des aktuellen Marktumfeldes, wo der Absatz pandemiebedingt nicht explodieren dürfte (viele Restaurants sind noch immer geschlossen) und die Keller der Weingüter mit Weinen aus früheren Jahren teils noch gut gefüllt sind.

Was das Klima angeht kann man 2020 grob in zwei Hälften aufteilen: Ein milder, feuchter Winter und sehr nasser Frühling (mit entsprechend hohem Pilzdruck) gefolgt von einem super trockenen und heissen Sommer, der sich bis in den September hinein halten konnte und eine kurze Lese unter optimalen Bedingungen ermöglichte. Im Gegensatz zu einem klassischen Jahr fand die Lese im Jahr 2020 gut zwei Wochen früher statt. Dennoch, so bestätigten mir einige Château-Verantwortliche, findet man in den 2020er Weinen relativ viel Frische, da die Unterschiede zwischen Tag- und Nachttemperaturen gross waren, was für die harmonische Reifung und die aromatische Entwicklung der Trauben förderlich ist.

Photo Credit to Yasmin Morgan – www.jasmin-morgan.ch 

Der Gap zwischen Zweitwein und Grand Vin, so scheint mir, ist 2020 teils etwas grösser als in anderen Jahren. Dies, weil die Zweitweine oft von jüngeren Stöcken stammen, die mit der Hitze und Trockenheit der zweiten Jahreshälfte mehr Mühe hatten als ältere Reben, die mit ihrem tiefen Wurzelwerk an die vorhandenen Wasser- und Nährstoffreserven gelangen konnten. Doch es gilt auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme! So sind beispielsweise Les Tourelles de Longueville oder Haut-Bailly II sehr gut gelungen!

Ich hatte in den letzten Wochen die Möglichkeit, mit diversen Château-Verantwortlichen via Video-Call zu sprechen, darunter auch mit Fabien Teitgen, Weinmacher auf Château Smith Haut Lafitte in Pessac-Léognan und Guillaume Pouthier von Château Les Carmes Haut Brion. Nachfolgend die ungekürzten, jeweils knapp eine halbe Stunde langen Interviews in französischer Sprache, über die Charakteristik des Jahrgangs 2020.

Interview mit Fabien Teitgen von Château Château Smith Haut Lafitte (c) vvWine.ch
Interview mit Guillaume Pouthier von Château Les Carmes Haut-Brion (c) vvWine.ch

Trotz des hinderlichen Umstandes, dass ich nicht nach Bordeaux reisen konnte (respektive im aktuellen Kontext nicht reisen wollte), habe ich (resp. werde ich) total rund 370 Weine als Fassmuster erhalten. An dieser Stelle ein grosses Dankeschön an die vielen engagierten Menschen im Front- oder Backoffice der Weingüter und an die Vertreterinnen und Vertreter der Appellations-Organisationen: Stépanie Delécrin vom Grand Cercle des Vins de Bordeaux, Catherine Barbier-Lalève vom Syndicat Viticole de Pessac-Léognan, Sébastien Bourqui von der Union des Grands Crus de Bordeaux sowie Virginie Larramona von der Association Grand Crus Classés Saint-Émilion (AGCCS). Auf den Homepages dieser Organisationen findet man zudem viele weiterführende Infos und teils auch Video-Präsentationen zu den einzelnen Weinen, so z.B. hier auf der Webseite der UGCB.

Die Verkostungsbedingungen in meiner trauten Stube waren ideal. Ich konnte alle Weine mit Ruhe, perfekt temperiert aus dem stets gleichen Glastyp (Grassl 1855) degustieren (und bin noch immer dran…). Und für einmal („Covid sei Dank“) konnte ich viele der Weine auch einen Tag später nachverkosten. Meine Notizen sind aktuell noch nicht ganz vollständig (Stand aktuell, gut 300 Weine). Die fehlenden Notizen, vorwiegend zu Weiss- und Süssweinen sowie zu einigen Weinen, die noch nicht eingetroffen sind, werden aber über die nächsten paar Tage laufend ergänzt. Wer also eine Notiz vermisst, sollte täglich mal vorbeischauen und in der nachfolgenden Tabelle (die man auch sortieren und über Keywords filtern kann) nach dem gewünschten Wein suchen; vielleichit sind meine Note und ein kurzer Kommentar dazu bald da.

Da ich den ganzen Blog im „Nebenamt“ mache und kein Lektorat habe, entschuldige man mir bitte die Tippfehler, von denen es sicherlich so einige hat. Melden darf man mir diese aber dennoch, denn angepasst sind die Tipser schnell. Danke für eure Argusaugen!

Als abschliessendes Fazit würde ich folgende Punkte zusammenfassen:

1. 2020 ist – ob man es glauben will oder nicht – ein sehr guter Jahrgang, der viele frische, knackige Weine mit moderaten Allkoholwerten hervorgebracht hat. Auch wenn die Weine teils eher tiefe Säurewerte aufweisen, wirken sie erstaunlich frisch

2. Im Kontext der oft genannten Trilogie von grossen Jahrgängen wäre 2018 das vielleicht rundeste Jahr, 2019 das kräftige und dennoch frische Jahr und 2020 das frühreifste und dennoch klassischste Jahr. Genau, ein Paradox in einer sich klimatisch verändernden Welt.

3. Es gibt keine wirkliche Winner-Appellation, denn aus allen Regionen habe ich sehr gelungene Weine probieren können. Müsste ich drei Appellationen wählen, wären es für mich persönlich Margaux, St-Estèphe und St-Julien, aber auch auf der rechten Seite (v.a. die Lagen auf den Kalkplateau von St-Emilion) und im Pessac-Léognan sind viele sehr gute Weine entstanden. Etwas uneinheitlicher präsentierten sich die Weine aus Fronsac und teils aus Pomerol, wobei die ganz am Schluss verkosteten Weine (Trotanoy, La Fleur-Petrus, Hosanna aber auch La Grave und Latour à Pomerol), die teils von den grossen Terroirs in Pomerol stammen, aufzeigten, dass hier an der Spitze wahre Schätze entstanden sind.

4. Muss man 2020 kaufen? Diese Frage soll jeder für sich entscheiden. Nachdem die Preise im Kontext von Covid19 und Trumps Steuerentscheiden mit dem 2019er signifikant gesunken sind, befürchte ich beim 2020er wieder einen Preisanstieg, denn die Mengen waren eher klein. Qualitativ ist der Jahrgang aus meiner Sicht klar zu empfehlen – ob das Preis/Leistungsverhältnis stimmen wird, bleibt abzuwarten. Um ein automatisches eMail-Update zu den Preisen von spezifischen Weinen zu erhalten (sobald diese verfügbar sind), kann man sich in der Schweiz z.B. bei Gazzar anmelden und den entsprechenden Wein mit dem Knopf „Réserver“ respektive „Reservieren“ auf die persönliche Wunschliste setzen lassen. Ein Kaufzwang besteht dadurch nicht.

In der Schweiz können die 2020er bei ganz vielen Händlern erworben werden, so u.a. Arvi, Bauraulac Vins, Casa del Vino, Gazzar, Gerstl, Martel, Mövenpick, Pierre Wyss, Primeurs, Redspots, Vinorama und im Sommer wird dann auch noch Coop nachziehen.

Auf Wunsch von einigen Leser*innen habe ich eine Best-Value-4-Money Liste zusammengestellt. Es sind nicht alle besten Weine des Jahrgangs, sondern Weine im unteren und mittleren Preissegment (also auch für Normalverdienende erschwinglich), die ich hoch bis sehr hoch bewertet habe und die dereinst viel Trinkspass fürs Geld bieten dürften. Die Notizen sind, wie eingangs erwähnt, unter optimalen Bedingungen entstanden, entweder bei mir zu Hause oder in Genf, während der top organisierten Probe der UGCB. Man verzeihe mir im Kontext der Anzahl Verkostungsnotizen dennoch den einen oder anderen Tipser. Wer einen Wein finden möchte, kann dies am einfachsten via Wine-Searcher.

Best-Value-4-Money Weine:

Château Lafon-Rochet, St-Estèphe (94-95)
Château Bourgneuf, Pomerol (94-95)
Château Pressac, St-Emilion (93-95)
Château Fleur Cardinale, St-Emilion (93-95)
Grand Corbin-Despagne, St-Emilion (93-95)
Château Fonroque, St-Emilion (93-95)
Le C des Carmes Haut-Brion, Pessac-Léognan (93-95) – kommt nicht in Subse, erst bei Arrivage
Haut-Bailly II (2. Wein von Haut-Bailly), Pessac-Léognan Rouge (93-95)
Château Phélan Ségur, St-Estèphe (93-95)
Château La Lagune, Haut-Médoc (93-95)
Château Rol Valentin, St-Emilion (93-94)
Château Mazeyres, Pomerol (93-94)
Château La Grave-à-Pomerol, Pomerol (93-94)
Château La Voûte, St-Emilion (93-94)
Château Ormes De Pez, St-Estèphe (92-94)
Château Grand Corbin St-Emilion (92-94)
Château Le Prieuré, St-Emilion (92-94)
Château Gloria, St-Julien (92-94)
Les Tourelles de Longueville, Pauillac (92-94)
Château Tour Saint Christophe, St-Emilion (92-94)
Château Malartic-Lagravière (rouge), Pessac-Léognan (92-94)
Château de Pez, St-Estèphe (92-93)
Clos Puy Arnaud, Castillon Côtes de Bordeaux (92-93)
Château Villemaurine, St-Emilion (92-93)
Château Couhins-Lurton Blanc, Pessac-Léognan (92-93)
Château Cantemerle, Haut-Médoc (92-93)
Château de Sales, Pomerol (92-93)
Château Mangot, St-Emilion (92-93)
Clavis Oréa, St-Emilion (92-93)
Chateau Petit Faurie de Soutard, St-Emilion (92-93)
Château Dalem, Fronsac (92-93)
Château Sainte Barbe, Bordeaux Supérieur, (91-93)
Château Seguin, Pessac-Léognan rouge (91-93)
Château Belgrave, Haut-Médoc (91-93)
Château Grand Pontet, St-Emilion (91-93)
Château Laroque, St-Emilion (91-93)
Château de La Dauphine, Fronsac (91-93)
Château De Rouillac Rouge und Blanc (91-93)
Château Godeau, St-Emilion (92-93)
Château de la Rivière, Fronsac (91-93)
Château La Cabanne, Pomerol (90-93)
Clos Floridène Rouge, Graves (91-92)
Château Potensac, Médoc (91-92)
Château Picque Caillou Rouge, Pessac-Léognan (91-92)
Château le Rey Les Rocheuses, Castillon Côtes de Bordeaux (91-92)
Château Tournefeuille, Lalande de Pomerol (91-92)
Ségla (2. Wein von Rauzan-Ségla), Margaux, (91-92)
Château Tour des Termes, St-Estèphe (91-92)
Baltus (von Château Reignac), Bordeaux Supérieur (90-92)
Château Yon-Figeac, St-Emilion (90-92)
Château Fourcas Dupré, Listrac (90-92)
Château Laroze, St-Emilion (90-92)
Château Le Coteau, Margaux (90-91)
Château Petit Bocq, St-Estèphe (90-91)
L’Aurage, Castillon Côtes de Bordeaux (90-91)
Château Tour Saint-Fort, St-Estèphe (90-91)
Château Loudenne, Médoc (90-91)
Château Fourcas Hosten, Listrac (90-91)
Château le Rey Les Argileuses, Castillon Côtes de Bordeaux (90-91)
Château de Cérons rouge, Graves (90-91)

Wer einen Wein finden möchte, kann dies am einfachsten via Wine-Searcher.

2020 vvWine En Primeur Notizen

Last but not least: Michel Reybier hat zu Ehren seines 20. Jahrgangs entschieden, den Château Cos d’Estournel 2020 mit einem speziellen Flaschen-Design auszuliefern. Mehr dazu im folgenden Video:

Und hier noch einige weitere Videos zum Jahrgang 2020:

Château Haut-Brion
Château La Mission Haut-Bion
Château Quintus 2020
Stephane Derenoncourt kommentiert den Jahrgang 2020

Hier noch eine Seite mit diversen, «ultimativ guten Links» zu Seiten von Journalisten, Kritikern, Bloggern etc.

5 Kommentare
  1. Beni Diener
    Beni Diener says:

    Lieber Adrian
    Wir haben uns vor einem Jahr bei Galandrielle und Stefan getroffen, und ich durfte bei dir noch von den Degu-Mustern kosten.
    Deine Arbeit für den aktuellen Jahrgang ist schlicht grossartig! Du kannst schreiben, verkosten und die Freude transportieren. Ist das so, weil du – trotz beeindruckender Erfahrung nicht zum Establishment gehörst? Jedenfalls habe ich deine Verkostungsnotizen nicht in einem Durchgang leergetrunken.
    Seit dem Jahrgang 2009 verkoste ich, wenn möglich, auch die Fassmuster (Gazzar, Gerstl, ARVI). Mir ist es wichtig, die Weine in den Kommentaren zu erkennen; bei dir ist es mehr als anderen Degustatoren der Fall ist („Parker“ —> habe ich nach Jahrzehnten der Treue abbestellt, ist nun ebenso unseriös in der Bewertung wie Suckling; Quarin ist ok, aber doch etwas eingeschossen; Gerstl&Co. ertrinkt leider in den Superlativen; Beck ist ok, aber nicht ganz unabhängig; Martin ist (meist) gut, schreibt gut; Galloni ist ok). Eine Weinbeschreibung sollte eine Skizze sein; dabei geht es weniger darum, aus der Palette des trendy Weinvokabulars dick aufzutragen, sondern die wesentlichen Charakterzüge und die Proportionen handwerklich gekonnt zu texten und das Einzigartige zu erspüren. Das kannst du wirklich gut!
    Von einem Kompliment hast du noch nicht gegessen (und getrunken;-); falls du Jahresabos machst, wäre ich dabei. Ansonsten zahle ich dir gerne für diesen Beitrag etwas auf dein Konto.
    Herzlichen Dank, lieber Gruss,
    Beni

    Antworten
    • adrian.vanvelsen
      adrian.vanvelsen says:

      Lieber Beni, danke für diese äusserst erfreuliche und motivierende Rückmeldung! Das gibt mir Kraft für weitere Verkostungen dieser Art! Herzliche Grüsse, Adrian

      Antworten

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  1. […] Tabelle). Für viele bei der Arrivage von mir noch nicht verkosteten Weine sind wenigstens meine Primeur-Notizen hier eine mögliche Orientierungshilfe. Ebenso interessant und empfehlenswert sind die über 1’000 […]

  2. […] Hier geht es zu meinen gesammelten Notizen zu den Bordeaux En Primeur Verkostungen (rund 370 Weine) […]

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