Ungarns süsse Seiten.
Ich gestehe ja, Süssweine sind nicht meine Parade-Disziplin. Zu oft machen sie mich einfach satt und müde. Doch was ich kürzlich verkosten durfte, möchte ich unbedingt teilen, denn die Eleganz und Feinheit dieser beiden Weine aus Ungarn hat mich berührt.
Die Weine stammen vom Weingut Gróf Degenfeld, das seit 2009 die 35 Hektar Weinberge biologisch bearbeitet. Die für die Tokajer Weinregion typischen Sorten Furmint, Hárslevelű und Gelber Muskateller sowie die drei ergänzenden Sorten Kövérszőlő, Zéta und Kabar werden mit selbst hergestellten Kompost gedüngt. Die Arbeitsstunden, die in einen Tokajer Süsswein fliessen sind enorm. So werden die ausgetrockneten, von Botrytis befallenen Beeren einzeln von Hand gepflückt, was in einem sehr guten Jahrgang bedeutet, dass täglich lediglich 20-25 kg gepflückt werden können. Die Beeren werden im gärenden Grundwein eingeweicht, danach gepresst und in ungarischen Eichenfässern gelagert. Der so hergestellte, traditionelle Aszú-Wein kann über viele Jahrzehnte hinweg reifen.
2011, Andante, Furmint Botrytised, Gróf Degenfeld, Tokaj, Ungarn (Ein biologisch produzierter Süsswein von 30jährigen Furmint-Reben, die auf Rhyolithböden gedeihen. Die botrytisierten Trauben werden in Fässern mit drei Hektolitern Fassungsvermögen vergoren). Bernsteinfarben. In der Nase sehr nobel, geröstete Mandeln, Honig, deutlich Aprikosen, etwas zitrische Noten, darüber Kümmel. Im Gaumen cremig und füllig im Auftakt, die Süsse harmoniert mit einer gut stützenden Säure, der Wein ist aber alles andere als klebrig, er wirkt tänzerisch leicht und bleibt mit nur 10.5% Alkohol frisch und lebendig, die Dörraprikosen dominieren die Aromatik, etws Blütenhonig schwingt im langen Abgang mit. Ich bin ja kein Süsswein-Fanatiker, aber sowas macht mir wirklich Spass. Es ist ein Wein, den man eigentlich ganz einfach so geniessen kann. Alternativ serviert man ihn zu Fois Gras, Käse oder mutig zu einer Bündner Nusstorte. Jetzt bis 2030+, 92/100 vvPunkte.
2008, Tokaji Aszú 5 Puttonyos, Gróf Degenfeld, Tokaj, Ungarn (100% Furmint, biologisch produziert). Leuchtendes Bernstein. Die Nase wirkt delikat, tiefgründig, schwankt irgendwo zwischen exotischen Früchten (Ananas, Mango) und steinig-rauchigen Noten (kalter Kamin, verkoltes Holz) hin und her, mit etwas Luft kommen neben Dörraprikosen auch florale Töne zum Vorschein, ein herrlicher Duft. Im Auftakt zart, schlank und sehr elegant, nur 11% Alkohol, wirkt mit einer herrlichen Säure äusserst verspielt und zeigt dennoch viel aromatischen Druck, dieser Süsswein tänzelt förmlich über die Zunge, macht enorm Trinkspass und hallt im Abgang angenehm lange nach. In Sachen Komplexität auf ähnlichem Niveau wie der Andante, stilistisch gefällt mir dieser Wein aufgrund seiner grossen Eleganz noch einen Tick besser. Jetzt bis 2030+, 93/100 vvPunkte.
Beide Weine sind bei Le Bouchon erhältlich.
Dein Kommentar
Want to join the discussion?Feel free to contribute!