Zeit für Exoten.

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Viel Zeit zu Hause bedeutet auch Lust auf und Zeit für Weine, die man noch nie im Leben im Glas hatte. Doch woher bekommt man diese? Stets horizonterweiternd ist es, wenn man auf Weinhändler des Vertrauens zugeht und sich das eine oder andere «Experiment-Fläschli» empfehlen lässt. So geschehen mit zwei Weinen aus Regionen, die mir bis dato nichts aber auch wirklich gar nichts sagten.

Der erste Wein stammt aus dem Gebiet Bramaterra. Direkt an die DOCG Gattinara angrenzend und unweit der eher für Risotto als Wein bekannten Stadt Vercelli gelegen, gehört Bramaterra zur Provinz Biella im Norden des Piemont. In den sieben zur DOC gehörenden Gemeinden wird auf Porphyr-Böden (das heisst auf dem verwitterten Gestein des Urvulkan-Schlundes der bei der Entstehung der Alpen aktiv war) mehrheitlich die Sorte Nebbiolo kultiviert. Diese geologische Besonderheit ist einzigartig auf dieser Welt. Der Nebbiolo bringt hier strukturbetonte, erdige, langlebige und mineralisch geprägte Weine hervor, die dank einem kleinen Anteil an Verschnittsorten schon in ihrer Jugend Spass bereiten.

2013, Bramaterra DOC, Noah, Biella, Piemont, Italien (80% Nebbiolo, 10% Croatina, 5% Vespolina und 5% Uva Rara). Intensive, mineralisch geprägte Nase, erinnert an Etna, vulkanisch, kräuterig, würzig, reif und dennoch frisch anmutend, mit mehr Luft ungemein floral, der Rosengarten lässt grüssen. Im Gaumen straff, markantes Tannin, unverkennbar Nebbiolo, zeigt Ecken und Kanten, einen perfekt eingebundenen Alkohol und eine lebhafte Säure, die süsse Frucht tanzt mit ätherischen Noten und verschmilzt in einem nicht sonderlich langen aber äusserst ausgewogenen Abgang mit genau den Rosen-Noten, die anfangs in der Nase verführt haben. Eine spannende Entdeckung, die den Spagat von südlicher Wärme und alpiner Frische wunderbar meistert. Unbedingt etwas Luft geben. 17.5 vvPunkte (88/100).

Das zweite Wein-Experiment stammt aus dem Anbaugebiet «Coste della Sesia» was sinngemäss «Ufer des Sesia» bedeutet. Die Region umfasst knapp 30 Hektar Rebfläche westlich des Sesia-Flusses und erlaubt den Anbau von Croatina, Nebbiolo bzw. Spanna und Vespolina. Die Rotweine bestehen dabei zu mindestens 50% aus Nebbiolo und werden durch maximal 50% der anderen zugelassenen Sorten ergänzt. Die DOC Coste della Sesia wurde erst 1996 gegründet, lange nachdem ihr historischer Kern, die DOCG Gattinara, entstanden ist. Sie umfasst auch die Gebiete von Lessona und Bramaterra und stellt somit eine übergeordnete Appellation dar, auf welche etwas weniger strenge Produktionsregeln zutreffen. Nichtsdestotrotz überzeugte mich gerade dieser Wein besonders…

2016, Castleng, Coste della Sesia, Piemont, Italien (100% Nebbiolo). Dichtes Rubin. Offene Nase, reife Kirschen, Kräuter, Räucherspeck, Rosen, sehr floral und mit einer faszinierenden Pfeffernote auch herrlich würzig. Im Auftakt weich und voluminös, eine reife Frucht füllt den Gaumen, mittlerer Körper, markante Struktur, der Nebbiolo zeigt deutlich seine Zähne, umgarnt die Zunge, kraftvoll, energiegeladen und fast etwas wild, dabei aber sehr bei sich und stets kontrolliert. Die 14% Alkohol sind perfekt eingebunden und im Abgang hallt der Wein lange nach, endet auf reife Kirschen und eingelegte Pflaumen. Ein Charakterkopf, der mit Luft richtig aufdreht, heute schon Spass macht und sicherlich gut reifen wird. 100% Spanna (= Nebbiolo) und 100% spannend… 2020-2028. 18 vvPunkte (91/100).

Beide Weine kosten ca. 30 Franken und sind bei Reb-Wein erhältlich.

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