1949er Lidwien, Ruedi, Jürg, Charmes-Chambertin und Château Latour.

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Wir schreiben den 24. August 2019 und sitzen in gemütlicher Runde auf meiner Terrasse. Wir geniessen den Spätsommerabend mit einem herrlichen Sonnenuntergang über der Reuss.

Wir, das sind: Meine Tante aus Holland, Lidwien van Velsen (Jahrgang 1949), ihr Mann Evert (1948), Jürg Lüthy (1949), Ruedi Hintermann (1949) und meine Wenigkeit (1972) mit Sohnemann Simon-Vineo (2007). Was der Blogartikel-Titel und die Jahrgänge in Klammern bereits ankündigen, wurde an diesem Abend Tatsache. Wir widmeten uns dem Jahrgang 1949.

Ob 1949er Flaschen gleich fit sind wie 1949er Menschen? (c) vvWine.ch

Nach dem Apéro mit einem würdig-würzigen Champagner, dem 2008er Vielles Vignes de Levant aus dem Hause Larmandier-Bernier, gab’s zur Vorspeise (Fenchelsalat mit Ruccola, Parmesan und gerösteten Pinienkernen) einen Château Vieux Taillefer Blanc mit Jahrgang 2015. Nicht nur die Geschichte rund um den Wein, sondern auch der Tropfen selber vermochten voll und ganz zu überzeugen.

Dann folgten – nach Avinierung der Gläser mit einem sehr schönen Château Giscours 2008 – die zwei 1949er Weine. Wir verkosteten diese zuerst in aller Ruhe als Solisten, danach aber auch als Begleiter zu einem Rindsfilet mit Kartoffelgratin.

Ein würdig gereifter Burgunder: Charmes-Chambertin 1949 – Mommessin (c) vvWine.ch

1949, Charmes-Chambertin Grand Cru, Mommessin, Burgund, Frankreich (Eine Flasche mit deutlichem Schwund (ca. 4.5 cm), der Zapfen war mürbe, aber dank The Durand kompakt gezogen, violett durchtränkt.) Sehr transparentes Orangerot, die Farbe wie eine Dörraprikose. In der Nase deutliche Sherry-Note, allerdings auch sehr komplex, zuerst mit kräuterig-Bouillon-artigen Komponenten, dann Caramell, Malz, Dörraprikose, Trockenfeige, erinnert an einen sehr gereiften Sauternes.

Im Gaumen fein und geschmeidig, elegant, mit gut stützender, harmonisch integrierter Säure. Die Tannine sind vollständig abgeschmolzen, im Abgang hallt der Wein beeindruckend lange nach. Ein würdig gealterter Burgunder, gut erhalten, filigran, harmonisch und mit viel Eleganz. Austrinken. 17 vvPunkte (88/100).

In absoluter Topform: Château Latour 1949 – von A-Z ein Genuss (c) vvWine.ch

1949, Château Latour, Premier Grand cru classé, Pauillac, Bordeaux, Frankreich Eine Schlossabfülung (mis en bouteilles au Château) aus einer Flasche mit sehr wenig Schwund, upper shoulder, Zapfen intakt, von bester Qualität, riecht vielversprechend.Die Farbe wirkt reif, lässt aber keinesfalls auf einen 70jährigen Wein schliessen, Granatrot, wässriger Rand, noch erstaunlich gute Farbdichte.

Die Nase könnte nicht Bordeaux-typischer sein, erstaunlich frisch mit Kräuterwürze (Fenchel, Kümmel), auch reifer Frucht (Dörrpflaumen), später Leder, Tabak, Zedernholz, Cassis-Blätter, saurer Apfel, ein Schnüffelwein, zum Eintauchen.

Im Gaumen noch immer sehr gut strukturiert mit feinmaschigem, noch nicht ganz abgebautem Tannin und einer milden Säure. Die Frucht ist noch gut wahrnehmbar, wird im Nachklang ergänzt durch kräuterige Noten, Tabak, Leder und Holztäferstube… verändert sich über den Abend, bleibt im Glas stehen wie eine Eins, zeigt immer wieder neue Facetten und hallt, lange, lange, lange nach!

Unglaublich. Das war – zusammen mit Cos‘ d’Estournel 1945 – der schönste, gealterte Bordeaux den ich bisher verkosten durfte. Ein Wein der Extraklasse, blind würde ich ihn wohl eher in die 60-er oder sogar frühen 80er-Jahre verorten. Trinken. 19.5 vvPunkte (98/100).

Die verkosteten Weine in Reih und Glied (c) vvWine.ch

Um uns zwischen den älteren Weinen etwas zu erfrischen, servierte ich, quasi als Tischwein, einen 2012er Charmes Chambertin der Domaine Taupenot-Merme. Dieser zeigte sich neben den älteren Tropfen natürlich jugendlich frisch, mit Würze, einer dunklen Frucht und einer sehr guten Struktur. Im Schatten der 49er war unsere Ehrfurcht vor diesem Grand Cru natürlich begrenzt, was aber die Qualität des Weines in keiner Weise schmälern soll. Jetzt bis 2030+, 18.5 vvPunkte (93/100).

Und weil dann am Ende des Rindsfilets und der Altweine noch etwas lauer Abend übrig war, gönnten wir uns zum Abschluss noch eine Flasche Château La Conseillante 1986, Pomerol. Auch dieser Wein zeigte sich an diesem Abend in Höchstform mit einer sehr komplexen Nase, einer noch immer beeindruckenden Struktur und einem Abgang, der Würzigkeit und reife Pflaumenfrucht perfekt vereint. Trinken bis 2025+, 18.5 vvPunkte (93/100).

Zu fortgeschrittener Stunde eine fantastische 1986er La Conseillante (c) vvWine.ch

Es bleibt mir an dieser Stelle nur noch Danke zu sagen. Danke an Ruedi für diesen herrlichen Latour und danke an alle Tischgenossen für den wunderbaren Abend. Schön, seid ihr in einem so guten Jahr geboren und hoffentlich auf weitere 70 Jahre!

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