David gegen Goliath mit Delinat.
Seit vielen Jahren ist Delinat ein fixer Stern am Schweizer Weinhimmel. Als Bio-Pionier hat das Weinversandhaus viel zur Akzeptanz von Bio-Weinen bei einer breiten Schweizer (Wein-)Bevölkerung beigetragen. Ich selber war jahrelang Degu-Paket-Abonnent von Delinat und durfte immer wieder mal einen interessanten Tropfen kennenlernen, der besonders in Sachen Preis/Leistungsverhälnis überzeugte.
Kürzlich lud das Delinat-Weindepot Olten zu einer interessanten Blindverkostung. In vier Serien wurden jeweils drei Weine blind serviert, die teilweise zwar nicht direkt vergleichbar waren, da sich Jahrgang, Traubensorte oder Herkunft unterschieden haben. Doch das war Nebensache, denn das Ziel lautete: Weine vergleichen, ihren wahren Wert erkennen und auf Franken und Rappen beziffern. Jeder Teilnehmer sollte für sich entscheiden, wie viel er für diesen Wein ausgeben würde. Sind Spitzenweine tatsächlich mehr als 200 Franken wert? «Überraschungen sind schon fast sicher garantiert», versprach Delinat im Schreiben an die Teilnehmerinnen.
Nun, Überraschungen gab’s für mich persönlich nicht allzu viele, denn – soviel vorweg – die wirklich teuren Tropfen erkannte ich blind allesamt problemlos und bewertete diese auch entsprechend hoch. Und dass ein durchschnittlicher Schweizer Weinkonsument auch nicht «freiwillig» 200 oder mehr Franken für einen Wein bezahlen würde, liegt auch auf der Hand. Dennoch, zwei von Delinat «eingeschmuggelten» Weine präsentierten sich in Sachen Preis/Leistung als durchaus interessant. Erstens, ein 2016er Riesling von Battenfeld Spanier, der für knapp 14 Franken äusserst viel Trinkspass bietet. Und zweitens der 2015er Grand Bessillon von Ch. Duvivier, welcher durch Charakter und Eleganz bestach, und dies ebenfalls für lediglich CHF 14.60.
Weiter wurde mir einmal mehr klar, wie wenig Parker- und sonstige Weinkritiker-Punkte mit dem persönlichen Geschmack kompatibel sind – dieser ist und bleibt äusserst subjektiv und wird zudem stark durch die eigene Genuss-Erfahrungen geprägt. Wer selten oder nie einen vermeintlich «grossen Wein» im Glas hatte, kann sich in einer solchen Blindprobe kaum mit den Wein-Titanen dieser Welt anfreunden. Nachfolgend nun meine Eindrücke, welche ich an diesem Abend während der Blindprobe in mein Verkostungs-Notiz-System getippt habe.
Serie 1: Riesling.
2017, Robert Weil, Riesling Trocken, Rheingau, Deutschland (100% Riesling): Helles Gelb, jugendlicher Glanz. Feine Nase, fruchtbetont, Apfel, Pfirsich, dezent reduktive Note, gute Komplexität. Im Gaumen von mittlerer Intensität, zeigt etwas Schmelz, die markante, etwas warm anmutende Fruchtsüsse wird von einer moderaten Säure balanciert, aromatisch wieder mit Apfel und weissem Pfirsich, endet mittellang. Ein sauberer, allerdings wenig spektakulärer Riesling. Bis 2023 geniessen. 16.5 vvPunkte (84/100)
2016, Battenfeld Spanier, Riesling Salamander, Rheinhessen, Deutschland (100% Riesling): Kräftiges Gelb, jugendlicher Glanz. Intensive Nase, sehr ausladend mit gelber Steinfrucht, Gräsern, Kräutern, floralen Noten, dazu auch ein Hauch Petrol, sehr gute Komplexität. Im Gaumen saftig und frisch im Auftakt, breitet sich aus, die reife Frucht wird getragen von einer sehr gut integrierten Säure, ungemein frisch, würzig und mit schöner Spannung ausgestattet, endet angenehm lang auf Noten von reifen Zitrusfrüchten und grünem Apfel. Ein sehr gelungener Riesling, der eine gewisse Kraft mit Eleganz verbindet. Jetzt bis 2025. 17.5 vvPunkte (89/100)
2016, Gunderloch, Riesling Trocken, Rothenberg GG, Rheinhessen, Deutschland (100% Riesling): Kräftiges Gelb, jugendlicher Glanz. Sehr intensive Nase, erst steinig, kühl, dann mit warmer, reifer Frucht, darüber florale Noten, Gräser, weisse Blüten, ein spannendes Wechselspiel, auch dieser Wein mit einer leichten Petrolnote. Im Auftakt kraftvoll, zeigt Dichte und Konzentration, ist dabei aber nicht schwerfällig sondern sehr elegant, feinwürzig, zieht am mittleren Gaumen durch, die wunderbar integrierte Säure stützt die zarte Apfelfrucht, dazu Aromen von Zitronenschalen. Der Wein endet langanhaltend auf eine dezent salzige Note. Ein sehr gelungener Riesling, der Fülle und Eleganz gekonnt vereint. Jetzt bis 2028. 18.5 vvPunkte (93/100)
Serie 2: Weine aus Südfrankreich.
2015, Domaine Lafage «Ch. Saint Roch Kerbuccio», AOC Maury, Frankreich (40% Syrah, 30% Mourvedre, 30% Grenache): Kräftiges Rubin, noch sehr jugendlicher Glanz. Intensive Nase, warm anmutend, viel reife Frucht, Zwetschgen, eingekochte Kirschen, dann auch deutlich Cassis, Gewürze, wirkt etwas kitschig, zu modern und gemacht, zeigt dabei allerdings eine sehr gute Komplexität. Im Auftakt fruchtbetont, weich, rund und zugänglich, mittlerer bis kräftiger Körper, runde, bereits gut integrierte Gerbstoffe, eher tiefe Säure, der Alkohol ist wahrnehmbar aber gut eingebunden, die Frucht ist eindrücklich, fast überbordend, zieht sich im Abgangs sehr lange hin und endet auf eine reife, schwarze Johannisbeere. Ein sehr gut gemachter Südfranzose, ohne Ecken, ohne Kanten und entsprechend ohne Spannungsbogen, qualitativ aber sehr gut. Eine eindrückliche Fruchtbombe, nicht mein Ding. Jetzt bis 2026 geniessen. 18 vvPunkte (91/100)
2015, Ch. Duvivier, Grand Bessillon, Provence, Frankreich (35%, Syrah, 30% Cabernet Sauvignon, 20% Grenache, 15% Cinsault): Kräftiges Rubin, jugendlicher Glanz. Dunkelfruchtige, angenehm tiefe Nase, Kirschen, Pflaumen, Blaubeeren, dezente Zimtwürze, auch florale Noten, sehr schöne Komplexität. Im Auftakt gradlinig, straff, breitet sich aus, zeigt einen mittleren Körper und eine gute Struktur, die Gerbstoffe sind fein gewoben, die Säure verleiht eine gewisse Frische, die Aromatik wechselt zwischen dunklen und roten Früchten, hält im Abgang mittellang an. Ein stimmiger Wein, mit Charakter und Eleganz. Gefällt mir. Jetzt bis 2024 geniessen. 17.5 vvPunkte (88/100)
2014, Ch. De Saint Cosme «Le Claux», Gigondas, Rhone, Frankreich (100% Grenache): Kräftiges Rubin, jugendlicher Glanz. Sehr intensive, leicht rustikal anmutende Nase, zeigt viele dunkle Kirschen, Pfefferwürze, getrocknete Kräuter, darüber dezent animalische Töne, verändert sich mit Luft, komplex und tiefgründig. Im Auftakt erst weich und zugänglich, dann packt der Wein zu, die Gerbstoffe markieren, verleihen eine sehr gute Struktur, die Säure verleiht dem Wein die nötige Frische, das hat Energie und Spannung, Würze und Charme, endet angenehm langanhaltend. Ein spanender, noch jugendlicher und entsprechend ungestümer Wein mit viel Charakter, dürfte hervorragend reifen. Gefällt mir ausgezeichnet. 2020-2028+, 18.5 vvPunkte (93/100)
Serie 3: Tempranillo-Weine.
2010, García Figuero, Figuero Tinus, Ribera del Duero, Spanien (100% Tempranillo): Dichtes Rubin, jugendlicher Glanz. Intensive, tiefgründige Nase, Weihnachtsgewürze, Magenbrot, dunkle Pflaumen, Kräuter, sehr komplex, verändert sich ständig. Im Auftakt kraftvoll, dicht, konzentriert, ein Mund voll Wein, markante Gerbstoffe, sehr kräftiger Körper, die Tannine sind fein gewoben, der Wein zeigt viel Kraft und Druck, hat eine enorm gute Struktur und zieht sich im Abgang aromatisch sehr lange hin. Stilistisch für mich von allem etwas zu viel, jedoch ein grossartiger Wein, ein Monument, für eine lange Reife gebaut. Jetzt bis 2030+, 19 vvPunkte (94/100)
2015, Dominio Basconcillos Crianza, Ribera del Duero, Spanien (100% Tempranillo): Leuchtendes Rubin, Violettreflexe. Sehr fruchtbetonte Nase, Cassis, Brombeeren, Lakritze, etwas Holzschminke, wirkt etwas gemacht. Im Auftakt fruchtbetont, saftig, zugänglich, mittlerer Körper, gut eingebundene, fein gewobene Gerbstoffe, aromatisch mässig komplex, endet im Abgang angenehm lang, zeigt aber auch etwas gar viel Hitzigkeit und Alkohol. Ein gut gemachter, sauberer Wein ohne viel Profil. Zur Grillparty, nicht zu warm serviert ideal. Jetzt bis 2024 geniessen. 17 vvPunkte, (86/100)
2013, Bodegas Vega Sicilia, Valbuena 5°, Ribera del Duero, Spanien (100% Tempranillo): Leuchtendes Rubin, jugendlicher Glanz. Intensive Nase, floral und würzig, dunkle und rote Beeren geben sich die Hand, etwas Holzschminke kommt dazu, sehr gute Komplexität. Im Gaumen gradlinig, frisch, saftig, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, wirkt vertikal, balanciert, zeigt Würze und eine knackige Frucht die von reifen Gerbstoffen und einer guten Säure getragen wird, das Holz ist auch hier wahrnehmbar, zwar gut eingebunden aber doch etwas dominant, im Abgang endet der Wein langanhaltend auf einen Mix aus dunklen und roten Beeren. Ein stimmiger, ausgewogener Wein, der durchaus reifen kann. Jetzt bis 2030+, 18 vvPunkte, (91/100)
Serie 4: Weine mit Cabernet Sauvignon.
2015, Ch. Pontet Canet, Pauillac, Bordeaux, Frankreich (65% Cabernet Sauvignon, 30% Merlot, 3% Cabernet Franc und 2% Petit Verdot): Kräftiges Rubin, jugendlicher Glanz. Intensive, komplexe Nase, Rauch, dunkle Kirschen, schwarze Johannisbeere, Kräuter, super expressiv, gleichzeitig tiefgründig und komplex. Im Gaumen straffer Auftakt, gradlinig, saftig, mittlerer Körper, die Gerbstoffe sind noch ungestüm, aber super fein gewoben, eine feine Säure verleiht Frische, die Frucht schwankt zwischen roten und dunklen Beeren hin und her, der Wein zieht am mittleren Gaumen durch, zeigt Druck und dennoch viel Eleganz, hält im Abgang sehr lange an. Ein ausgezeichneter, ausgewogener Wein, der wunderbar reifen wird. Mit der Reife kommt da noch mehr… 2025-2040+, 18.5 vvPunkte, (93+/100)
2014, Opus One, Mondavi/Rothschild, Napa Valley, USA (Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Petit Verdot, Merlot, Malbec): Dichtes Rubin, jugendlicher Glanz. Tiefe, ausserordentlich komplexe Nase, ein feiner Duft, ätherische Noten, dunkle Kirschen, Johannisbeere, Kräuter, ein Hauch Minze, blonder Tabak was für ein Nasenbild. Der Gaumen ist konzentriert, ein Mund voll Wein, ausgesprochen dicht, dabei aber nicht plump und schwerfällig sondern mit einer gewissen Eleganz, hoher Gerbstoffgehalt, die Tannine sind von höchster Güte, die Säure stimmt, der Wein zeigt eine grosse Komplexität und zieht sich im Abgang enorm in die Länge, endet würzig und auf eine reife, schwarze Johannisbeerfrucht. Ein grosser Wein, unbedingt noch reifen lassen. 2024-2040+. 19 vvPunkte, (95+/100)
2011, Albet i Noya Reserva Martí, Penedès, Spanien (40% Merlot, 30% Syrah, 20% Cabernet Sauvignon, 10% Tempranillo): Mittleres Rubin, jugendlicher Glanz. Deutlich oberflächlichere Nase als die ersten beiden Weine, rotfruchtig, Waldbeeren, Weihnachtsgewürze, frisch gehackte Kräuter, etwas Tee, mittlere Komplexität. Schlanker Gaumenauftakt, beginnt etwas harmlos, breitet sich dann aus, zeigt eine gute Struktur, leider auch etwas gar trocknende Gerbstoffe die vermutlich vom Barrique herkommen, auch hier rotfruchtig geprägt, wirkt frisch, ausgewogen und zeigt Charakter, allerdings ist der Wein nicht sonderlich komplex. Endet im Abgang angenehm lang aber wieder leicht trocknend. Kein grosser aber ein ehrlicher Wein ohne viel Finesse, zum Essen aber durchaus mit Spass zu geniessen. Jetzt bis 2025+, 17 vvPunkte (87/100)
Von 84 (für einen enttäuschenden Riesling von Robert Weil) bis 95+ Punkten (für einen hervorragenden Opus One) war alles dabei. Die letzten Punkte sind leider immer die teuersten. Ob jemand nun für diese 11 Punkte «Qualitäts-Unterschied» 200 oder mehr Franken bezahlen will, hängt zum einen von der Verwöhntheit des eigenen Gaumens ab, zum anderen aber auch von der Dicke des Portemonnaies. Ich persönlich verzichte lieber auf teure Kleider, Luxusferien oder Neuwagen, damit ich im Gegenzug beim Wein etwas tiefer in die Tasche greifen kann.
Um einen, zugegebenermassen nicht sehr Bio-kompatiblen Vergleich zu machen, verhält es sich beim Wein ähnlich wie beim Auto. Auch ein Wagen für 15 Tsd. Franken hat in aller Regel vier Räder, ein Steuerrad, Blinker, Gaspedal, Bremse und – ganz wichtig – er fährt. Es sind erst Marke und Fahrzeugklasse sowie natürlich sämtliche Extras und Komforteinheiten, die wirklich fett zu Buche schlagen und aus einem Twingo eine S-Klasse oder einen Bentley machen, die dann 100, 200 oder noch mehr Tausend Franken kosten. Warum aber leisten sich so viele Personen teure Automarken und Modelle mit vielen Extras? Vielleicht, weil jemand, der einmal den Komfort einer S-Klasse erleben durfte, Mühe hat, auf einmal wieder in einen Twingo einzusteigen?
Egal, ob Twingo oder S-Kasse, ob Dominio Basconcillos Crianza oder Opus One. Freuden mit Freunden zu teilen macht mehr Spass. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Delinat für die freundliche Einladung bedanken. Die Probe und die Diskussionen mit Weinfreunden haben Spass gemacht! Die Delinat-Weine sind unter www.Delinat.com erhältlich. Wer selber an einer solchen Degustation teilnehmen möchte, kann sich hier anmelden.
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