Ornellaia: drei Jahrgänge, drei Stilistiken.

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Über das Weingut Ornellaia muss man nicht viel erzählen. Der erste Wein wurde im Jahr 1985 gekeltert und über die letzten 30 Jahre hat sich das Gut zu einer der ersten Adressen der Toskana entwickelt. Ich kann mich entsprechend gut an meine ersten Ornellaia-Erlebnisse erinnern: das waren um die Jahrtausendwende ein 1990er, ein 1996er und ein 1997er, alles berührend schöne Weine, welche ich seinerzeit (letztere beide wohlverstanden viel zu früh) verkosten durfte.

Heute, rund 20 Jahre später, hatte ich die Chance, in einem kleinen Kreis und in Begleitung von Axel Heinz, dem Estate Director und Oenologen von Ornellaia, den jüngsten Jahrgang dieses Vorzeige-Weingutes zu verkosten. Und zwar nicht irgendein Jahrgang, nein, Axel präsentierte sichtlich stolz und mit viel Charme seinen 2015er, welcher aktuell gerade in den Handel kommt.

Axel Heinz, Direktor von Ornellaia, präsentiert stolz seinen 2015er Jahrgang (c) vvWine.ch

2015 war – im Nachhinein betrachtet – ein perfektes Jahr. Austrieb und Blüte verliefen problemlos, der Frühsommer war warm und trocken, die überdurchschnittlich reich behangenen Rebstöcke blickten einer der Reifephase im Juli und August entgegen. Allerdings war der Juli ausgesprochen warm, kein Tag blieb kühler als 30 Grad, und die Weinmacher waren entsprechend unsicher, wie sich dieses selbst für die Toskana ungewöhnlich heisse Klima auf die Traubenqualitäten auswirken würde. Glücklicherweise brachten zwischen dem 8. und 10. August zwei erlösende Frühherbst-Gewitter erwünscht und erfreulich früh etwas Regen. Die Natur kühlte ab und die Ernte konnte ab dem 29. August (Beginn Merlot-Ernte) bei trockenen, sonnigen aber nicht mehr ganz so heissen Tagen bis in den Oktober hinein (am 12. Oktober wurden die spät reifenden Sorten Cabernet Sauvignon und Petit Verdot gelesen) mit einer fast schon beängstigenden Ruhe durchgeführt werden.

Das Resultat lässt sich blicken: der 2015er Ornellaia ist zweifelsohne ein grosser und nahezu perfekter Wein. Noch nie habe ich bei Ornellaia eine solch hohe Tanninqualität erlebt. Der Wein zeigt eine ausgezeichnete Frucht, macht bereits heute Spass, ein klares Zeichen, dass man es hier mit einem ausgezeichneten Jahrgang zu tun hat. Daneben stellte Axel Heinz seinen Erstlings-Jahrgang, den 2005er, sowie den 2010er Ornellaia vor, beides Weine aus guten, wenn auch nicht ganz so problemlosen Jahren.

Drei Jahrgänge, drei Stile… Etwas plakativ gesagt: 2005 der Italienier, 2010 der Franzose und 2015 der fast zu perfekte Ornellaia (c) vvWine.ch

2015, Ornellaia, Bolgheri doc superiore, Toskana, Italien (53% Cabernet Sauvignon, 23% Merlot, 17% Cabernet Franc, 7% Petit Verdot): Kräftiges Rubin, sehr schöner Glanz. Feinduftige Nase, tief und sehr komplex, dunkelfruchtig mit Aromen von Brombeeren, schwarzen Johannisbeeren, Kirschen, Pflaumen, Süssholz, Oregano, Zedern und Pinienharz. Im Auftakt weich und bereits erstaunlich zugänglich, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, die Frucht wirkt reif aber nicht verkocht, die Tannine sind von hervorragender Qualität, eine moderate, gut integrierte Säure stützen das Fruchtbündel, der Alkohol ist ebenfalls perfekt dosiert, hier ist alles an seinem Platz. Der Wein ist wunderbar cremig aber nicht plump, seine sagenhaft feinen Tanninen umgarnen die Zunge und verwöhnen im ausgezeichnet langen Abgang mit Aromen von dunklen und roten Beeren, Pflaumen, etwas Brotrinde und Piemontkirsche. Das ist wie ein Spaziergang an einem lauen Sommerabend, eine milde Briese streichelt die Haut, ein fein gewobenes Seidentuch schützt die Dame in Begleitung von der aufkommenden Frische der Nacht. Ein Sommernachtstraum! Jetzt bis 2040+, 19.5 vvPunkte (97/100).

2010, Ornellaia, Bolgheri doc superiore, Toskana, Italien (52% Cabernet Sauvignon, 22% Merlot, 21% Cabernet Franc, 5% Petit Verdot): Offene Nase, erinnert spontan an Bordeaux, neben dunklen Johannisbeeren viele schwarze Kirschen, Weihnachtsgewürze, Oregano, Schwarzbrot und ein Hauch grüne Paprika. Im Auftakt straff, strukturiert, markante Gerbstoffe machen sich früh bemerkbar, die warme, reife Frucht mit Aromen von Kirschen und Pflaumen wird durch eine anregende Säure balanciert, der Wein zeigt Ecken und Kanten, schwingt irgendwo zwischen «nicht mehr jung» aber «noch nicht reif» hin und her, er wirkt deutlich hitziger als der 2015er, ist dabei aber weder verkocht noch plump, sondern zeigt einen sehr schönen Trinkfluss. Im Abgang würzig und fast etwas wild, hallt 45 Sekunden nach. Ein charaktervoller Ornellaia und der Franzose im Dreiergespann. Nicht perfekt, aber perfekt zu trinken. Jetzt bis 2035+, 19 vvPunkte (94/100).

Ornellaia kann reifen: von links nach rechts, 2005, 2010 und 2015 (c) vvWine.ch

2005, Ornellaia, Bolgheri doc superiore, Toskana, Italien (60% Cabernet Sauvignon, 22% Merlot, 14% Cabernet Franc, 4% Petit Verdot): Offene Nase, ausladend und angenehm tief. Da sind viele dunkle Früchte, eingekochte Erdbeeren, Datteln, Zimt und ätherische Noten, dazu Leder, feuchtes Laub, Waldboden und etwas Trüffel, sehr komplex. Im Gaumen vollmundig und warm anmutend, auch hier mit Aromen von süssen, eingemachten Früchten und vielen Weihnachtsgewürzen, der Wein hat eine sehr gute Struktur, zeigt Opulenz und ausgeprägte, erst teilweise abgeschmolzene Tannine, diese sind deutlich «italienisch geprägt», verleihen dem Wein Charakter, eine moderate Säure schwingt mit. Im Abgang von sehr guter Länge, endet deutlich auf Zimt. Der Italiener des Trios. Jetzt bis 2028+ geniessen. 18.5 vvPunkte (93/100)

Mein Fazit: Der Ornellaia 2015 ist ein nahezu perfekter Wein, der jung Spass machen wird und dennoch ausgezeichnet reifen dürfte. Wer Tannine und Frucht von höchster Güte kosten möchte, der sollte sich zumindest einmal einen 2015er Ornellaia gönnen. Allerdings, und das ist eine Bauch-, nicht Kopf-Aussage, ist der Wein vielleicht fast etwas zu perfekt. Stilistisch könnte man hier im Blindtest auch bei einem ausgezeichneten Spanier landen, oder einem Topwein aus der Neuen Welt, oder einem modernen, perfekt gekelterten Bordeaux? Wen kümmert’s? Klasse hat der Wein auf alle Fälle!

Für Liebhaber von reifer, mediterraner Frucht empfiehlt sich der 2005er. Dieser hat seinen Genuss-Höhepunkt erreicht und dürfte diesen dank seiner Tanninstruktur problemlos für weitere 10 Jahre halten. Wer mit einer gewissen Üppigkeit und Rhumtopf-Aromen keine Mühe hat, wird diesen Tropfen lieben. Ein warm anmutender Schmeichler, ein Stimmungsheber für melancholische Abende am Kaminfeuer.

Last but not least: Wer etwas mehr Ecken und Kanten mag, dürfte am 2010er viel Freude haben. Hier sind die Gerbstoffe nicht ganz so perfekt, eine dezente Krautigkeit (vom etwas höheren Cabernet Franc-Anteil herrührend?) schwingt mit, der Wein zeigt Charakter und Herz, ist der am französischsten anmutende Wein des Trios. Aktuell trinkt er sich aber gerade mit einem guten Stück Fleisch wunderbar.

Drei mal Ornellaia, drei mal hochklassige Weine, drei mal unterschiedliche Stilistiken. So schön und vielfältig ist die Weinwelt. Und wenn solch wunderbare Weine dann noch von einem ausgezeichneten Essen begleitet werden, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Darum möchte ich es an dieser Stelle nicht unterlassen, ein Wort über das kürzlich eröffnete Ornellaia Ristorante zu verlieren.

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Das Ornellaia Ristorante liegt etwas unscheinbar in der St. Annagasse 2, unweit der Zürcher Bahnhofstrasse. Der Raum strahlt eine angenehme Ruhe aus, das Dekor ist ein gelungener Mix aus Modernität und toskanischem Flair. Der Service ist aufmerksam, sehr gut geschult und äusserst freundlich, die Küche eine Fusion aus traditioneller, italienischer Küche mit einem Hauch Haut-Cuisine. Da ist kein übermässiger Schnick-Schnack dabei, dennoch aber bietet die begabte Küchenbrigade das gewisse Etwas. Vom Amuse Bouche über die Antipasti-Kreation (Triglia al pomodoro / Meeräsche an Tomaten), den Pasta-Gang (Pici alle briciole e gambero rosso / Pici mit Semmelbrösel und roten Crevetten) sowie den Hauptgang (Agnello aglio e menta con melanzana / ein perfekt gegartes Lammrückenfilet mit Knoblauch, Pfefferminze und Auberginen) bis hin zum leichten, hocharomatischen Dessert (Fragole Limone e basilico / Erdbeeren mit Basilikum und Zitronen)… das Menu schmeckte ausgezeichnet. Das ist eine finessenreiche Küche, genauso wie es der namensgebende Wein vormacht.

Zum Schluss noch ein Geheimtipp: wer nicht gleich 150 bis 180 Franken für den perfekt gelungenen Ornellaia 2015 ausgeben möchte, dem kann ich den 2015er Le Serre Nuove dell’Ornellaia empfehlen. Der Wein bietet mit seiner herrlichen, roten und dunklen Beerenfrucht, vielen würzigen Aromen, Gräsern und Kirschen ein eindrückliches Bouquet. Im Gaumen ist er frisch saftig, gut strukturiert mit mittelkäftigem Körper, klarer Frucht, feinen Gerbstoffen und einem erstaunlich langen Abgang. Für knapp 50 Franken ist das ein bereits heute gut zu trinkender «Sneak-Preview» auf seinen grossen Bruder.

Die Weine sind in der Schweiz bei Bindella, in Deutschland unter anderem bei TopCru erhältlich.

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  1. […] Axel Heinz den Jahrgang 2016 unter die Lupe zu nehmen. 2016 ist, nach dem hervorragenden 2015er, über welchen ich hier berichtet habe, erneut ein grosser Bolgheri-Jahrgang. Allerdings, und das war das Interessante an der Verkostung, […]

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