18 Facetten des Nebbiolo.

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Die Traubensorte Nebbiolo gehört, zusammen mit dem Pinot Noir, zu meinen liebsten roten Rebsorten. Der Name leitet sich vom italienischen nebbia (Nebel) ab und weist darauf hin, dass es sich beim Nebbiolo um eine spät reifende Sorte handelt, welche erst spät im Herbst gelesen wird. Die herbstlichen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht fördern die aromatische Komplexität der Trauben.

Von weltweit rund 6000 Hektar Nebbiolo-Rebfläche liegen deren 5250 in Norditalien. Zu den bekanntesten Gebieten gehören die Appellationen Barolo DOCG, Barbaresco DOCG, Roero DOCG, Nebbiolo d’Alba DOC, Langhe Nebbiolo DOC und Sforzato di Valtellina DOCG. Aber auch weiter nördlich, so in der Lombardei, wo die Nebbiolo-Traube Chiavennasca genannt wird, entstehen feine, lagerfähige Nebbiolo-Weine. Die besten stammen aus den Kernlagen Grumello, Inferno, Sassella, Maroggia und Valgella. Weiter wird Nebbiolo auch in den DOCG Zonen Gattinara sowie Ghemme angebaut. Ausserhalb Italiens – es gibt Anbauflächen in Mexiko, Argentinien, Kalifornien, Südafrika, Brasilien und sogar in der Schweiz – brachte die Traube bisher keine bestechenden Resultate.

18 x Nebbiolo (c) vvWine.ch

Nebbiolo-Weine sind in aller Regel keine einfachen Weine. Aufgrund ihres hohen Säure- und Tanningehalts sind Nebbiolo-Weine in der Jugend oft unnahbar und sperrig. Erst mit zunehmender Reife gipfeln sie im besten Fall in ein finessenreiches, harmonisches Ganzes. Im Rahmen einer Nebbiolo-Verkostung, welche Ruedi und Silvia Hintermann vor kurzem initiierten, probierte eine Gruppe weinbegeisterter Personen eine ganze Reihe von Nebbiolo-Weinen. Nicht weniger als 18 Flaschen, die älteste mit Jahrgang 1961, die jüngsten mit Jahrgang 2013, standen am Start. Verkostet wurden die Weine blind in Zweierserien. Nach jeder Serie wurden aufgedeckt, gestaunt und diskutiert. Nachfolgend die konsolidierten Eindrücke von mir und Simon Meissen, welcher zudem einige stimmungsvollen Schnappschüsse dieses Abends gemacht hat.

Serie 1.1 2013, Valtellina superiore Valgella Riserva, Sandro Fay. Leuchtendes Rubin, jugendlicher Glanz. Feinduftige Nase, mittlere Intensität, Kirschen, auch etwas Gummibärchen, Nelken, Zimt und florale Noten, angenehm komplex. Weicher Auftakt, sehr schöne Frucht, mittlerer Körper, feines Tannin, gut integrierte Säure, gute Struktur, eingemachte Erdbeeren, Kirschen, Pflaumen und Bittermandeln, baut aus, wird steiniger. Im Abgang mit schöner Länge. Ein ausgewogener, eleganter Wein zu einem sehr fairen Preis. Jetzt bis 2026 geniessen. 17.5 vvPunkte (89/100).

Serie 1.2 2013, Valtellina superiore Sertola, Stefan Keller (vinifiziert von Triacca). Leuchtendes Rubin. Stechende Nase, deutlich flüchtige Säure, rotfruchtig, schwierig zu beurteilen. Flaschenfehler? Keine Bewertung.

Die Veltliner von Sandro Fay mochten zu überzeugen (c) vvWine.ch

Serie 2.1 2013, Valtellina superiore, Prestigio, Triacca (Trauben am Stock angetrocknet). Leuchtendes Rubin, aufgehellter Rand. Rotfruchtige Nase, Kräuterspeck, kühler Rauch, Kakao, Kirschen, Nüsse, sehr stark vom Holz dominiert, mehr Sägerei als Wein. Weicher Gaumen, reife Frucht, spitze Säure, auch hier mit viel zu deutlich ausgeprägtem Holz, mittlerer Körper, etwas ruppige Gerbstoffe, Sauerkirschen und Johannisbeeren, wirkt unausgewogen, mittellanger Abgang. Wirkt zu gemacht, doch da kommt keine Freude auf. Jetzt bis 2024, 16 vvPunkte (82/100).

Serie 2.2 2013, Sforzato di Valtellina, Ronco del Picchio, Sandro Fay. Kräftiges Rubin, schöner Glanz. Florale Nase, Veilchen, getrocknete Rose, getrocknete Thymian-Kräuter, sogar Lavendel, sehr angenehm zu riechen, der Alkohol wahrnehmbar aber nicht störend. Straffer Gaumen, süssliche Frucht, sehr gute Struktur, markant Gerbstoff, leicht austrocknend, gut integrierte Säure, hat viel Druck und Charakter. Angenehm langer Abgang, endet auf reife Kirschen. Ein noch jugendlicher, wilder Wein mit sehr guten Anlagen, dürfte sich mit der Reife beruhigen. 2020-2030, 18+ vvPunkte (90+/100).

Dank Ruedi’s Struktur mit gut gekennzeichneten Karaffen, blieb die Übersicht gewahrt (c) vvWine.ch

Serie 3.1 2007, Valtellina superiore, Capo di Terra, Conti Sertoli Salis (lediglich 12.5% Alkohol). Helles Granat-Rubin, wässeriger Rand. Offene Nase, Zwetschgen, Kräuter, Tee, florale  und ätherische Noten, kandierte Zitrusfrüchte, Orangenzesten, sehr komplexes Duftbild. Weicher Gaumen, feines Tannin, einiges an Schmelz, die saftige Säure stützt die süsse Frucht, sehr ausgwogen, mittelkräftig und mit würzigem, angenehm langem Abgang. Aktuell auf dem Peak doch mit Reserven bis 2024. 18 vvPunkte (91/100).

Serie 3.2 2008, Sforzato di Valtellina, Canua, Conti Sertoli Salis. Reifes Rubin, dezente Orangetöne. Intensive, komplexe Nase, reif und üppig, zeigt schöne Tiefe, etwas Rauch, Gummi, Trockenbeeren, Kräuter, Röstaromen, mit mehr Wärme auch deutlich Alkohol sowie eingekochte Pflaumen und Stroh. Kräftiger Gaumen, süsse, reife Frucht, üppiger als der Valtellina superiore und auch hier mit merklich Alkohol, feines Tannin, angenehme Säure, mittlerer Körper, zeigt mehr Druck aber weniger Ausgewogenheit als der Valtellina superiore. Im Abgang würzig und lang, zeigt etwas wenig Finesse. Mehr Kraft als Eleganz. Jetzt bis 2027, 18 vvPunkte (90/100).

Zwei sehr gelungene Barbaresco-Weine, wenn auch anders im Stil: Cantino del Pino und Bruno Rocca (c) vvWine.ch

Serie 4.1 2013, Barbaresco, Cantina del Pino. Leuchtendes Rubin, weisslicher Rand. Würzige Nase, deutlich rotfruchtig, viele florale Noten, Tee, Kräuter, sehr gute Komplexität. Ungemein frischer und saftiger Gaumen, straff, noch jugendlich mit markantem, sehr feinem Tannin, hervorragende Säure, rotfruchtig mit Noten von Johannisbeeren und Kirschen, strukturiert, hochelegant, ausgewogen, würzig und lang im Abgang. Ein Baby. Aktuell dekantieren oder noch ein paar Jahre reifen lassen. Stilistisch ein Hit. 2019-2032+, 18.5 vvPunkte (92/100).

Serie 4.2 2012, Barbaresco, Bruno Rocca. Reifes Rubin, aufgehellter Rand. Tiefe, sehr noble Nase, floral, würzig, dunkle und rote Beeren, Gräser, Eukalyptus, Zwetschgen und Kirschen, dahinter Weihnachtsgewürze. Straffer, dichter Gaumen, trotz Körper angenehm frisch, knackige Säure, markantes Tanningerüst, süsse Zwetschgenfrucht, Sauerkirschen, Kräuterwürze, zeigt bereits eine angenehme Reife, hat aber dennoch solide Reserven. Langer, ausgewogener Abgang. Jetzt bis 2028, 18.5 vvPunkte (92/100).

Deutlich gereifte Farbe und anfangs nicht einfach zu verstehen, baut im Glas dann mächtig aus: Gaja Barbaresco 1961 (c) vvWine.ch

Serie 5.1 2005, Barbaresco, Produttori del Barbaresco. Reifes Rubin, heller Rand. Offene Nase, Schwarztee, Lebkuchen, Röstaromen, Zwetschgen, rote Kirschen, sehr feinduftig und angenehm tief. Straffer Gaumen, markant Tannin, reife rote Frucht, Sauerkirschen, Zwetschgen, etwas Weihnachtsgewürze, dicht aber nicht schwer, strukturbetont. Mittlerer Länge, etwas trocknend im Abgang. Insgesamt ein schöner, klassicher Barbaresco ohne Anspruch auf Grösse. Jetzt bis 2027, 17.5 vvPunkte (89/100).

Serie 5.2 2005, Gattinara Riserva, Travaglini. Sehr reifes Rubin, deutlich oranger Rand. In der Nase viel Bouillon, medizinale Noten, Pilze, Waldboden, feuchte Blätter, mit mehr Luft reife rote Frucht, entwickelt sich sehr gut im Glas. Auch im Gaumen reif, mittlerer Körper, mässig ausgeprägte Säure, feines, weitegehend abgeschmolzenes Tannin, nobel gereift, würzig und mit sehr guter Länge im Abgang. Wirkt deutlich reifer als der Jahrgang vermuten lässt, dreht mit Luft auf. Jetzt bis 2024, 18 vvPunkte (91/100).

1987 und 1961 Gaja Barbaresco (c) vvWine.ch

Serie 6.1 1987, Barbaresco, Gaja (Magnum). Leuchtendes Rubin, aufgehellter Rand. Intensive Nase, tief, mit Trockenkräutern, auch laktische Anflüge, dahinter Kirschfrucht, Johannisbeeren, etwas feuchter Karton, Zimt, Zwetgschgen, florale Noten, sehr komplexes Duftbild. Reifer und dennoch saftiger Gaumen, etwas staubig wirkendes Tannin, gut eingebundene Säure, Orangenzesten, Zwetschgen und Zimtnoten, finessenreich und mit mittlerem Körper, sehr schöner, langanhaltender Abgang. Gereift aber nach wie vor mit Reserven. Jetzt bis 2028. 18 vvPunkte (91/100).

Serie 6.2 1961, Barbaresco, Gaja. Helles Orange, weisser Rand, erinnert fast an einen gereiften Weisswein. In der Nase deutliche Malznoten, Schwarztee, Rauch, kalter Kamin, Kräuter, Zwetschgen, Weihnachtsgewürze, Trockenkräuter, Bouillon, Leder, sehr komplex und mit mehr Luft immer spannender werdend. Weicher, reifer Auftakt, wirkt auch hier sehr gereift, die Gerbstoffe sind weitgehend abgeschmolzen, eine gute Säure stützt die warme, rote Frucht, aromatisch wieder mit malzigen Tönen, dazu auch Sanddorn und Datteln. Im Abgang von sehr guter Länge, zeigt eine herrlich schöne Todessüsse. Eindrücklich aber sicherlich nicht für jedermann einfach zu verstehen. Austrinken. 18.5 vvPunkte (92/100).

Sehr klassisch und gelungen: 2004er Barolo „Bricco Boschis“ von Cavallotto (c) vvWine.ch

Serie 7.1 2012, Barolo Azelia, Luigi Scavino, Castiglione Falletto. Leuchtendes Rubin, aufgehellter Rand. Angenehm tiefe, sehr klassiche Barolo-Nase, feinduftig, Walderdbeeren, Rauch, Kirschen, Leder. Weicher Auftakt, dann straff werdend, feines Tannin, strukturiert mit mittlerem Körper und gut integrierter Säure, ausgewogen, saftig, frisch, lebhaft, energiegeladen. Im Abgang mit Organgenzesten. Ein schlanker, klassischer Barolo mit Stil. Jetzt bis 2034, 18 vvPunkte (90/100).

Serie 7.2 2012, Barolo Ciabot Berton, Marco Oberto, La Morra. Mittleres Rubin. Die Nase zeigt viel Erdbeerkonfitüre, Kräuter, dezent Minze sowie florale Noten, mittlere Komplexität. Straffer Gaumen, wirkt etwas wild, markantes Tannin, sehr gute Säure, mehr Struktur als Frucht, auch hier mit guter aber nicht ausgesprochen guter Komplexität. Im Abgang mittellang. Stimmig, klassisch, in sich ausgewogen aber nicht gross, endet leicht trocknend. Jetzt bis 2025, 17.5 vvPunkte (89/100)

Für mich der Wein des Abends: 1982er Barolo von Paolo Scavino (c) vvWine.ch

Serie 8.1 2004, Barolo, Bricco Boschis, Cavallotto, Castiglione Falletto. Jugendliches, eher blassis Rubin, heller Rand. Feinduftige und gleichzeitig sehr tiefe Nase, Kräuter, rote Kirschen, nasser Stein, Erdbeeren, Haselnüsse, Weihnachtsgewürze, rauchig, floral, ungemein ausladend und verspielt. Straffer Auftakt, reife Frucht, rote und dunkle Beeren, Zwetgschgen getragen von markantem Tannins und einer straffen Säure, ungemein knackig, würzig, frisch und lebhaft, der Alkohol spürbar aber gut eingebunden. Im Abgang ebenfalls straff und leicht austrocknend. Ein sehr klassischer Barolo und nix für Kuscheltrinker. Jetzt bis 2025+ 18.5 vvPunkte (92/100).

Serie 8.2 1982, Barolo annata, Paolo Scavino, Castiglione Falletto. Reifes Rubin, oranger Rand. Sehr offene Nase, eine wahre Droge, wow, ungemein tief, verspielt, mit Noten von Kräuter, Tee, Rauch, Marzipan, exotischen Früchte, Erdbeeren, darüber florale Aromen, ein wahrer Schnüffelwein. Ausgezeichnet auch im Gaumen, straff, präzis, klar und sehr ausgewogen, schönes, gut integriertes Tannin, knackige Säure, rotfruchtige Aromen die an Kirschen und Walderdbeeren erinnern, würzig, energiegeladen und noch sehr lebendig. Im Abgang von ausgezeichneter Länge, endet auf reife Quitten. Das ist ein ausgezeichneter Barolo, Harmonie pur. Aktuell ein Hit, hat aber noch immer Reserven. Jetzt bis 2025, 19 vvPunkte (95/100)

Zwei schwierige Jahre im Barolo: der 2003er Monprivato geriet zu hitzig, der 2002er Le Vigne von Sandrone ist trotz schlechtem Jahr erstaunlich gut gelungen (c) vvWine.ch

Serie 9.1 2003, Barolo Monprivato, Mascarello Giuseppe e figlio, Castiglione Falletto. Heller Rubin, noch schöner Glanz. In der Nase deutlich von einem warmen Jahr geprägt, wirkt deutlich alkoholisch, dabei auch würzig und intensiv aromatisch, sehr expressiv und stark extrahiert, ein ganzer Korb von Erdbeeren auf Stroh, dazu Gräser, Lebkuchen, erinnert mehr an einen sehr schönen Nerelllo Mascalese vom Etna als an einen Barolo, hitzig aber komplex. Im Auftakt ebenfalls warm anmutend, üppiger Körper, viel Schmelz, markant Alkohol, dahinter eine saftige, rote Frucht, Kirschen und Erdbeeren, wieder würzige Noten, eine gut integrierte  Säure stützt. Im Abgang von sehr guter Länge. Insgesamt etwas gar ungestüm, ohne die erhabene Ruhe eines Monprivato, hitzig und nicht 100% ausgewogen. Jetzt bis 2028, 18.5 vvPunkte (92/100)

Serie 9.2 2002, Barolo Le Vigne, Luciano Sandrone, Barolo. Reifes Rubin, schöner Glanz. Anfangs medizinale Nase, deutlich Weihrauch, sehr tief und nobel, sehr ausladend, Stroh, Kräuter, Thymian, Eukalyptus, Leder, nasser Stein, darüber parfümiert wirkend mit sehr schönen, floralen Noten. Weicher Gaumenauftakt, dann straff werdend, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, leicht trocknendes Tannin, hervorragende Säure, würzig, frisch, zeigt erstaunlich viel Druck, ist dennoch elegant bei guter Komplexität. Im Abgang von sehr guter Länge. Im Kontext des schwachen Jahres ein äusserst gelungener Wein und noch immer mit Reserven. Jetzt bis 2028, 18.5 vvPunkte (92/100)

Gemütlicher Ausklang und Nachverkostung (c) vvWine.ch

Es bleibt mir an dieser Stelle danke zu sagen. Danke Ruedi und Silvia für diese spannende Reise durch die verschiedenen Facetten des Nebbiolo. Und danke für die einmal mehr ausgezeichnete Organisation dieses Events. Degustations-Tempo und die Gespräche mit den Mitdegustatoren waren einmal mehr sehr angenehm. Wir kommen wieder, beim nächsten Thema; egal wie es heisst.

 

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