Ai Galli: schöne Hähne aus Venetien.
Ende letztes Jahr lernte ich Michele Saracino kennen. Michele importiert – aktuell noch als Nebenjob – Weine des Familien-Weingutes Azienda Agricola Ai Galli in Pramaggiore (Venetien). Die Weine vertreibt er unter APTWeine.ch, wobei APT für Amore, Passione & Tradizione steht. Ich hatte bisher keine oder zumindest keine bleibenden Erinnerungen an irgendwelche Lieben, Passionen und Traditionen dieser Region und so freute ich mich, die Weine kennenzulernen.
Das Weingut Ai Galli liegt rund 70 Km resp. eine knappe Autostunde nordöstlich von Venedig. Es wurde in den 70er Jahren gegründet und bewirtschaftet heute rund 50 Hektar Rebfläche im DOC-Weinbaugebiet Lison-Pramaggiore. Der Betrieb wird im Einklang mit der Natur geführt und verbindet traditionelle und moderne Methoden vorbildlich. Durch die Erhöhung der Pflanzendichte besteht ein Konkurrenzkampf unter den Rebstöcken. Die führt zwar zu geringeren Erträgen, jedoch besseren Qualitäten der Trauben. Im Keller wird eine innovative Technologie namens „Ganimede“ eingesetzt, die das Umpumpen des Mostes zwecks Benetzung des Tresterhutes eliminiert und somit schonender für die Weine ist. Dabei wird die während dem Gärungsprozess des Mostes natürlich entstehende Kohlensäure genutzt um eine Zirkulation des Mostes zu gewährleisten (mehr zu dieser Technologie findet man hier). Danach werden die Weine in Edelstahltanks während 10 bis 12 Tagen bei 25 bis 30° vollständig vergoren und, je nach Qualitäten, in grossen Eichenfässern ausgebaut.
Ich verkostete einen Querschnitt von drei Weiss- und drei Rotweinen. Nachfolgend meine Eindrücke.
2015, Sauvignon, Ai Galli, Lison-Pramaggiore D.O.C., Venetien (100% Sauvignon Blanc): Helles Gelb. Offene, typische Sauvignon-Blanc Nase, viele exotisch Früchte, auch Katzenpipi, Limetten, weisser Pfirsich, grasige Noten und etwas Mango, gute bis sehr gute Komplexität. Im Auftakt vollmundig, fruchtbetont und mit schönem Schmelz, reife exotische Früchte, dazu Apfelnoten, mittlerer Körper, gut integrierte, nicht allzustark ausgeprägte Säure und mit steigender Temperatur merklich Alkohol. Im Abgang mit guter Länge, endet würzig. Ein Sauvignon der jung und kühl genossen werden will. 17 vvPunkte (86/100).
2015, Lison Classico, Ai Galli, Lison D.O.C.G., Venetien (100% Tocai resp. Friulano, im Stahltank ausgebaut): Leuchtendes gelb, grünliche Reflexe. Intensive Nase, sehr duftig, fruchtig und gleichzeitig floral, intensive Mandelblüten, Grapefruit, grüner Apfel, mit mehr Luft auch geraspelte Mandeln, wirkt verspielt, zeigt Spannung. Im Auftakt mit reifer Frucht, auch hier Mandelaromen, dazu Zitrusfrüchte, wirkt frisch und lebhaft, das Fruchtbündel wird von einer schönen Säure getragen, ist angenehm komplex und sehr ausgewogen, ohne jeglichen Alkoholüberhang. Im Abgang von sehr guter Länge, endet auf eine leichte Bitternote, die dem Wein äusserst gut steht. Jetzt bis 2021 geniessen, 17.5 vvPunkte (88/100).
2014, Chardonnay, Ai Galli, Lison-Pramaggiore D.O.C., Venetien (100% Chardonnay, im grossen Holzfass ausgebaut): Dunkles Gelb, schöner Glanz. Intensive, parfümierte, blumig-fruchtige Nase, Mandelblüten, Vanille, auch etwas Mokka, dazu reife Zitrusfrüchte und etwas Apfel, dezente Würznoten, sehr gute Komplexität. Im Auftakt vollmundig und kraftvoll, sehr viel Schmelz, wirkt fast etwas pummelig, ist aber in sich balanciert, der Wein zeigt Fülle aber lediglich mässig Struktur, süsser Fruchtextrakt, aromatisch mit vielen reifen Zitrusfrüchten, etwas Honigmelone und exotischen Früchten. Mittellanger Abgang, wirkt mit seinen 13.5% Alkohol mit zunehmender Wärme etwas alkoholisch, darum nicht zu warm servieren. Jetzt bis 2021 geniessen, 17.5 vvPunkte (87/100)
2015, Refosco, Ai Galli, Lison-Pramaggiore D.O.C., Venetien (100% Refosco, im Stahltank ausgebaut): Leuchtendes Rubin, Violettreflexe. Intensives, leicht krautiges Bouquet, einerseits viele dunkle und rote Beeren, andererseits würzige, steinige und harzige Noten, das ist wie ein starkes Sommergwitter, welches einige Tannenzweige vom Baum auf den Asphalt gerissen hat und dann von der heissen Sonne wieder vertrieben wird. Im Auftakt gradlinig, straff, saftige, knackige Frucht, viele Brombeeren, auch etwas Walderdbeeren, feinwürzig, strukturiert, mit mittlerem Körper, feinen, gut integrierten Gerbstoffen und einer sehr lebhaften Säure, die 13.5% Alkohol sind perfekt integriert, der Wein hat Trinkfluss und Charakter. Im Abgang von mittlerer Länge, endet würzig und frisch. Eine entdeckenswerte Spezialität die jetzt bereits Spass macht aber durchaus noch von 2-3 Jahren Reife profitieren kann. Jetzt bis 2023 geniessen und mit ca. 16 Grad servieren. 17.5+ vvpunkte (89+)
2015, Cabernet Franc, Ai Galli, Lison-Pramaggiore D.O.C., Venetien (100% Cabernet Franc, im grossen Holzfass ausgebaut): Mittleres Rubin, schöner Glanz. Sortentypisch würzige und sehr intensive Nase, krautige Noten wechseln sich mit Sauerkirschen und frisch geraspeltem Süssholz ab, Anflüge von Kümmel, sehr spannend, verspielt und sich laufend verändernd. Straffer, rotfruchtiger Gaumenauftakt, knackig, kompakt, saftig und rein, wieder Kirschen, dazu schwarze Johannisbeeren, würzige Noten, mittlerer Körper, sehr gute Struktur, Gerbstroffe, Säure und der moderate Alkoholgehalt von lediglich 13% in ausgezeichneter Balance, sehr guter Trinkfluss. Im Abgang von schöner Länge, endet wie er begonnen hat mit krautigen und Würzigen Noten. Wer Cabernet Franc mag, sollte das unbedingt probieren, denn der Wein macht richtig Spass. Jetzt bis 2025 geniessen. 18 vvPunkte (90/100).
2012, Probus, Ai Galli, Lison-Pramaggiore D.O.C., Venetien (60% Merlot und 40% Cabernet Franc, im Barrique ausgebaut): Mittleres Rubin, leicht aufgehellter Rand. Offene Nase, ätherische Noten, dezent Holz, Anflüge von Lavendel, Zimt, Mokka, etwas Vanille und Leder, dahinter dunkle Kirschen und Pflaumen, sehr gute Komplexität. Im Auftakt mit schöner Frucht, viele Waldbeeren getragen von einem kräftigen Gerbstoffgerüst, sehr strukturiert, das Holz wunderbar eingebunden und die 13.5% Alkohol sehr gut verpackt, saftig, harmonisch und mit viel italienischem Charakter. Der Wein braucht, nein, der Wein schreit nach Essbegleitung, dann aber hat er wunderbaren Trinkfluss und endet langanhaltend und würzig. Probus, nach dem Römischen Kaiser benannt, der in nördlichen Gebieten den Weinbau eingeführt haben soll, sollte man definitiv probieren. Der Wein stellt so manchen Super-Toskaner in den Schatten, ist dabei aber preislich deutlich erschwinglicher. Jetzt bis 2025 geniessen, 18.5 vvPunkte (92/100).
Mein Fazit: sehr spannende Weine, einwandfrei vinifiziert und mit schönem Trinkfluss. Die Weine zeigen, vor allem die roten, aber auch der weisse Lison Classico, viel Charakter und eine beachtliche Komplexität. Wer abseits von ausgetretenen Pfaden etwas entdecken möchte, kann sich für lediglich CHF 90.– ein Deugstations-Set bestellen. Unter APTWeine kann man weitere Weine dieses Weingutes kennenlernen.
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