Unter der Linde: Sehr solide Weine aus dem Aargau.
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Unter den Linden ist eine der bekanntesten Strassen der Welt, in Berlin, einer Weltmetropole gelegen. Die rund 1.5km lange Strasse verbindet den östlich vom Brandenburger Tor gelegenen Pariser Platz mit der Schlossbrücke, welche quasi die Brücke in den ehemals östlichen Teil Berlins markiert. Es ist eine eindrückliche Strasse, welche es immer wieder schafft, Mensch und Zeit in ihren Bann zu nehmen.
Etwas kleiner und beschaulicher geht es an der Dorfstrasse in Linn zu und her, an welcher sich das Weingut zur Linde befindet. Genauer gesagt: hier, im ehemaligen Gasthaus Linde, residiert ein kosmopolitischer Mensch der sich vor gut 15 Jahren zum Ziel gesetzt hat, einen der besten Weine der Schweiz zu keltern.
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Der Mensch heisst Michel Jaussi, ist von Beruf Fotograf, und er keltert eine kleine Menge Pinot Noir (normalerweise 2-3 Barrique pro Jahr) sowie eine noch kleinere Menge Weisswein, welcher ganz im Still von weissen, trockenen Bordeaux-Weinen aus den Sorten Sauvignon-Blanc (ca. 55%), Semillon (ca. 40%) und Muscadelle (5%) besteht.
Die Weine heissen „Unter der Linde“ und wer einmal von der Habsburg aus in Richtung Bözberg geschaut hat, erkennt, direkt unter der berühmten alten Linde von Linn, einen idyllisch von viel Wald eingegrenzten Weinberg, aus eben diesem der rote „Unter den Linden-Wein“ von Michel Jaussi auf Basis von Pinot Noir stammt.
Der Weinberg „unter der Linde“, von der Habsburg aus fotographiert. (c) Michel Jaussi, Weingut zur Linde |
Michel Jaussi mag kräftige Weine und bevorzugt, so erzählte er mir, „eher die Weine aus Bordeaux als die Burgunder“. So erstaunt es auch nicht, dass sein Steckenpferd, der rote Unter der Linde, ein Pinot Noir ist der spontan eher an einen Top Pinot aus Oregon denken lässt und welcher mehr mit Fülle und Kraft als mit Finesse und Eleganz auftrumpft. Diese üppige Charakteristik verdankt der Wein rund 10% angetrockneten Trauben, welche der Maische zugegeben werden.
2013, Under der Linde („Grand Cru“ Villnachern AOC) – (c) vvWine.ch |
Ich konnte den Wein, der von seiner Etikette her an ein nicht ganz unbekanntes Gewächs aus Morey Saint Denis erinnert, über zwei Tage verfolgen und insgesamt 4x verkosten. Nachfolgend, die gesammelten Eindrücke zum „Unter der Linde 2013“ vom Weingut unter der Linde.
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2013, Unter der Linde („Grand Cru“ Villnachern AOC): Grosse Mengenbeschränkung im Rebberg. Die Hälfte der Trauben wurden entrappt, die andere Hälfte mit Stielen verarbeitet. 12-tägige Maischengärung, mehrmaliges Umstossen des Tresterhutes. 2-jähriger Ausbau in neuen 228 Liter Pièces mit mittlerer Toastung (Tronçais Eiche aus dem Département Allier).
Kräftige, für einen Pinot Noir sehr dunkle Farbe, am Rand leicht aufgehellt. Die Nase ist tief und dunkelfruchtig, das Holz (100% neue Fässer von Seguin Moreau) ist spürbar aber nicht zu aufdringlich, da sind Aromen von Schwarzen Kirschen, Schwarze Oliven, Rauch, Torf, dazu Anflüge von Vanille, süssen Rosienen und Kaffee. Mit mehr Zeit und Luft kommen Noten von Buchennüssli, Sanddorn, eine feine Pfefferwürze sowie florale Düfte die an getrocknete Veilchen erinnern dazu, sehr tief, einnehmend und komplex.
Am Gaumen beginnt der Wein sehr weich, da ist ein feiner Schmelz und einiges an Fülle im Spiel, das Holz anfangs kaum wahrnehmbar, mit mehr Luft dann deutliche Röstnoten die vom Barrique stammen. Am mittleren Gaumen wird der Wein straff und zeigt auch rotfruchtige Aromen, da ist eine gute Frische mit im Spiel, das Holz auch hier markant doch sehr gut eingebunden. Neben nicht ganz reifen Waldbeeren zeigen sich Aromen von roten Johannisbeeren und wieder ein Hauch Sanddorn. Der Wein hat eine sehr gute Struktur, die Säure ist perfekt integriert, macht den Wein angenehm frisch. Im sehr langen Abgang ist der Wein würzig und zeigt hier die Aromen, welche von den angetrockneten Trauben stammen dürften: reife, getrocknete Orangen und süsse Korinthen.
Das ist ein Wein, den man qualitativ problemlos neben grosse Pinots dieser Welt stellen kann. In einer Blindprobe dürfte er sich aufgrund seiner fülligen Charakteristik weniger als eleganter Burgunder präsentieren, als vielmehr den einen oder anderen Top-Pinot aus der neuen Welt in den Schatten stellen. Sollte idealerweise noch etwas reifen, 2018 bis 2030, 19 vvPunkte, (94+/100)
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2014, Unter der Linde weiss (55% Sauvignon Blanc, 40% Semillon, 5% Muscadelle). Die Trauben stammen aus der Lage Chaiseracher in Oberflachs. Batonnage-Ausbau im neuen Pièce. Im Rebberg alles in Handarbeit, dabei eine konsequente Mengenbeschränkung von 300-500g Trauben pro m².
Mittelkräftiges Gelb, schöner Glanz. Die Nase ist sehr tiefgründig, anfangs noch etwas verhalten, mit Zeit und Luft zeigen sich Aromen von Veilchen, frisch geschnittenen Gräsern, weisser Pfirsich, grünen Äpfeln, Grapefruit, Lindenblüten, Akazienhonig, Kamille und Zitronengras, sehr komplex ist das, ein grossartiges Bouquet.
Am Gaumen beginnt der Wein weich und fruchtbetont, da ist eine wunderbare Saftigkeit, keinerlei Holzdominanz, Aromen von Zitrusfrüchten, da ist viel Fruchtsüsse kombiniert mit würzigen Aromen, sowie eingekochten Limetten und weisser Johannisbeere. Auch hier am Gaumen ist der Wein wunderbar ausgewogen und sehr verspielt, hier tanzen die Sinne. Im Abgang sehr lang, endet auf Blütenhonig.
Das ist ein grossartiger Schweizer Weisswein der heute schon Spass macht und doch schön reifen dürfte. Jetzt bis 2025, 19 vvPunkte, (94/100). Leider ist der Weisswein ausverkauft. Sollte jemand diesen Wein auf einer Restaurantkarte entdecken, hier mein Tipp: zuschlagen!
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Aufgrund der kleinen Mengen sind die Linden-Weine oft rasch ausverkauft. Mit etwas Glück findet man diese aber bei der Weinhandlung Cortis in Baden – oder man reserviert sich den neuen Jahrgang, der gemäss Jaussi sehr gut geraten ist…
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[…] haben vor einiger Zeit über Michel Jaussi und seine Linden-Weine berichtet. Kürzlich besuchte ich Michel wieder und konnte mir ein Bild über seinen neusten […]
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