Die Denner Weinbar.

Heute ein erster, kurzer Besuch bei „D Vino“, der neuen Weinbar von Denner im Zürcher Seefeld-Quartier.

Der erste Eindruck:
Sehr modern gestaltet, dunkle Farben, Chrom, Glas und „mässig kuscheliges Magenta-Licht“ prägen die Stimmung. Ein angeheitertes Grüppchen von Mid-Vierzigern kommt mir beim Ausgang entgegen und singt leicht lallend. Typus weisse Socken, wohnhaft in der Agglomeration Zürich, blondiertes Haar, Dauerwelle, Kunstlederjacke.

Die Besucher:
Die Bar ist voll. Ich finde um 18h – der typischen Apéro-Zeit in Zürich an einem Freitag Abend – fast keinen Platz. Eine Lücke an der Bar ist frei. Ich zwänge mich rein. Die Menschen bunt gemischt, vom 25jährigen KV-Angestellten über die Arztgehilfin bis hin zum Prokuristen einer Privatbank? Angeregte Gespräche, überall Wein auf den Tischen. Der Name ist Programm. Ein Koch räumt leere Schalen weg, auf welchen soeben noch Häppchen lagen.

Die Bedienung:
Der Barkeeper lässt sich Zeit. Es scheint sich aber weniger um die in Zürich übliche, leicht arrogante „hier-muss-man-regelmässig-kommen-um-bedient-zu-werden“-Haltung zu handeln als vielmehr um eine Überforderung aufgrund der vielen Gäste. Schliesslich dann die Frage: „was hätten Sie gerne?“. Ich frage nach der Karte für Weine, die offen angeboten werden und werde darauf aufmerksam gemacht, dass sämtliche Offen-Weine auf schwarzen Tafeln über der Bar erwähnt sind.

Die Auswahl:
Ich scanne die schwarze Tafel, einige einfache Weissweine für rund 4-6 Franken pro Glas sind aufgelistet. Der massentaugliche Pinot Grigio darf nicht fehlen. Positiv fällt mir lediglich ein einfacher aber möglicherweise trinkbarer Entre-deux-Mers auf. Er kommt auf meine Shortlist. Bei den Roten sticht mir sogleich der „Ch. du Rocher, St. Emilion Grand Cru 2004“ ins Auge. Das war vor Jahren einer meiner ersten, wenn auch schwierigsten Bordeaux-Erfahrungen, welche ich machen musste und heute nur noch ungern daran erinnert werde. Lieber also nicht in alte Albträume sinken. Und mit rund 5 Franken pro DL ist er ja nicht wirklich ein Schnäppchen (Flasche kostet um 16 Franken, was klar zu teuer ist für die Qualität).

Die Karte:
Meine Frage nach der gesamten Weinliste wird ohne zögern belohnt und ich vertiefe mich ins Angebot. Viele, sehr viele Positionen und für mein Gefühl genau die gleiche Erfahrung wie der Gang entlang dem Weinregal im Discounter; irgendwie kommt keine Lust auf. Da hilft auch die durchaus edle Gestaltung nicht. Und in der Bordeaux-Sektion fehlen sämtliche Grand Crus, welche Jahr für Jahr bei Denner verscherbelt werden und welche ich eigentlich heute Abend glasweise probieren wollte, um einen zusätzlichen Eindruck von 2004 zu bekommen. „Eine Auswahl davon kommt im Januar in die Bar“, so der Barkeeper. Es bleibt also noch Hoffnung.

Die Bestellung:
Zwei Herren gleich rechts von mir an der Bar wollen Barolo bestellen. Sie „riskieren es, wenn auch die Erwartungen nicht allzu hoch sind“ (Zitat). Minuten vergehen. Die äusserst hübsche, junge Lady hinter der Bar weicht Bestellversuchen freundliche aus und erklärt später, dass sie keine Bestellungen entgegennehmen darf. Eigentlich schade, dass so schöne Menschen nur leere Gläser wegräumen dürfen. Der Barkeeper (im Übrigen einer der vielen Deutschen, die in letzter Zeit in unserer Stadt immer öfter anzutreffen sind) schafft es schliesslich doch bis zu uns und klärt auf, dass dieser gewünschte Wein erst ab 3dl geöffnet wird. Ich schliesse mich spontan dem Barolo-Experiment an und subito wird die Flasche geöffnet. Ein kurzer Probeschluck und schwupp in die schmalen Allzweck-Gläser, wie wir sie aus mittelmässigen Pizzerias oder der renommierten Brasserie Lipp kennen. Die 1DL-Marke wird in keinem unserer drei Gläser erreicht, was den einen der beiden soeben kennengelernten Herren zum intervenieren veranlasst. Nun ja, Geiz ist eben nicht geil in der Schweiz. Auch nicht in der Denner-Weinbar. Das hinterlässt einen etwas schalen Geschmack. Selbst beim Barolo der um CHF 15.90 im Denner kostet (und ergo im Einkauf um 5-7 Franken kosten dürfte) wird also gespart. Profitabilität scheint wichtiger zu sein als Gastfreundschaft.

Der Wein:
Perfekt temperiert. Junge, tiefe Farbe. Meine Nase sucht nach Düften und findet nur wenige. Ein kleiner Schluck, tief durchatmen, weg; das was jeder Barolo-Liebhaber von einem unterirdischen 2002er-Barolo erwartet, trifft ein. Vordergründige Frucht, unausgewogen am Gaumen, grün und (Gott sei Dank) kurz im Abgang. Ein solcher Wein würde bei mir zu Hause direkt in der Pastasauce landen. Sorry, mehr kann ich dazu nicht sagen. Einfach ganz, ganz schwach.

Das Fazit:
Ein zur Zeit sehr gut besuchter Treffpunkt für Jedermann und Frau. Wein steht im Zentrum. Qualität steht hinten an. Die Ambiance für mich zu gestylt und modern, alles in allem aber durchaus gut gemacht.

Die Hoffnung (stirbt bekanntlich zuletzt):
Ich hoffe, die Bar ist auch im Januar noch geöffnet. Wenn ja, werde ich wieder hingehen. Ich hoffe weiter, dass die hübsche junge Dame bis dann nicht nur wegräumen sondern auch bedienen darf. Und natürlich hoffe ich, dass neben dem breiten und grässlichen Sortiment von Massen-Pfützen die vielen Schnäppchen-Bordeaux’ (wie Meney, Figeac, Duhart Milon, Lafon Rochet, Palmer, Branaire, Pontet Canet und, und, und) Glasweise erhältlich sein werden. Und natürlich hoffe ich auch, dass möglichst viele Menschen die Pfützen trinken, damit Denner noch lange Bordeaux-Weine zu Schnäppchenpreisen anbieten kann.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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