Ein Charmeur: Ornellaia 2019.
Den Präsentations-Event des Ornellaia 2016 habe ich noch gut in Erinnerung, den der Wein wurde von einem vorzüglichen Menu des Spitzenkochs Antonio Colaianni begleitet. «Ein fordernder Ornellaia, der irgendwo zwischen Hitze und Frische schwebt» resümierte ich damals und schrieb weiter «Definitiv ein Langstreckenläufer, der von etwas Kellerreife profitieren wird.»
Das es drei Jahre dauern würde – «Corona sei Dank» – bis ich den nächsten Ornellaia-Jahrgang in gebührendem Rahmen verkosten darf, hätte ich damals nicht gedacht. Umso gespannter war ich auf das jüngste Kind des Chef-Oenologen Axel Heinz, der am 17. März 2022 bei der Präsentation des Ornellaia 2019 im gleichnamigen Restaurant in Zürich anwesend war, um seine Weine zu kommentieren. Obwohl, viel zu kommentieren gibt’s beim 2019er eigentlich nicht, denn der Wein spricht schon in dieser jugendlichen Phase für sich.
Das Jahr 2019 war allerdings kein einfaches, geprägt von einem wechselhaften Klima wo sich kalte, regenreiche Phasen mit langen Trocken- und Hitzeperioden abwechselten. Nach einem normalen Winter trieben die Reben in der ersten Aprilwoche aus. Die Vegetationsentwicklung wurde im April und Mai durch Regen und Kälte beeinträchtigt, die Blüte verzögerte sich um rund 10 Tage und in gewissen Lagen trat auch Verrieselung auf, was leichte, quantitative Einbussen mit sich zog. Ab Juni war es dann heiss und trocken mit Höchsttemperaturen von 37 Grad am Monatsende sowie einer Trockenperiode von 45 Tagen die erst in der letzten Juli-Woche durch zwei Regentage beendet wurde. Nachdem die Temperaturen im Juni und Juli rund 2 Grad über dem langjährigen Durchschnitt lagen, sanken diese im August auf ein normales Niveau, was ideal war, um die Trauben harmonisch zur vollen Reife zu bringen. Lesebeginn war am 5. September und bereits am 4. Oktober waren die letzten, spät reifenden Sorten im Keller.
Das Jahr 2019 ist bei Ornellaia dem Thema Lebenskraft gewidmet. «Il Vigore» lautet darum der Untertitel des 2019ers, der ähnlich wie der 2016er vom Charakter her zwischen Hitze und Frische schwebt, dabei aber deutlich zugänglicher ist und gemäss meiner Einschätzung schon früh und vor allem in jeder Phase seines Lebens Trinkfreude bereiten dürfte.
2019, Ornellaia, Tenuta dell’Ornellaia, Italien, Toskana, Bolgheri (62% Cabernet Sauvignon, 31% Merlot, 4% Petit Verdot, 3% Cabernet Franc. Eine Woche alkoholische Gärung, teils in Edelstahltanks, teils in Zementwannen bei Temperaturen zwischen 26 und 30 Grad, gefolgt von 15 Tagen auf der Maische. Die malolaktische Gärung fand hauptsächlich in zu 70% neuen und zu 30% gebrauchten Eichen-Barriques statt. Insgesamt 18 Monate Fassausbau, wobei die Assemblage nach rund 12 Monaten geschieht, so dass der assemblierte Wein weitere 6 Monate in den Fässern schlummern kann.) Kräftiges, leuchtendes Rubinrot. Offene, warm anmutende Nase, viel reife Frucht, noble Röstnoten, Anflüge von Weihnachtsgewürzen und Pflaumen, Feigen, Brombeeren, Rosmarin sowie florale Töne gesellen sich in den Reigen ein. Im Gaumen rund und bereits wunderbar zugänglich, ein wahrer Charmeur, vollmundig, reiffruchtig, mit viel Schmelz und Kraft, gleichzeitig jedoch frisch und äusserst lebendig, die delikate Frucht wird von perfekt reifen Gerbstoffen umgarnt, die Säure ist eher moderat, doch der Wein ist keinesfalls üppig, präsentiert sich tänzerisch elegant. Im Abgang hinterlässt der Wein dunkelfruchtige Aromen sowie eine feine Würze. Ein warmherziger, finessenreicher Wein, der ab sofort und vor allem in jeder Phase seines Lebens grossen Genuss bieten dürfte. Jetzt bis 2040+ 96+ vvPunkte
Ebenfalls verkosten durfte ich zwei ältere Jahrgänge des Ornellaia, den 2012er sowie den 2007er. Zum Einstieg gab es den Weisswein Poggio alle Gazze und zum Abschluss eine süsse Kuriosität aus der Sorte Petit Manseng.
2012, Ornellaia, Tenuta dell’Ornellaia, Italien, Toskana, Bolgheri (56% Cabernet Sauvignon, 27% Merlot, 10% Cabernet Franc, 7% Petit Verdot). Mittleres Rubin, erst ganz dezent Reifetöne. Offene, reife, leicht hitzig anmutende Nase, sehr toskanisch, komplex mit Lakritze, Tabak, Teer, dunkler Beerenfrucht, dazu eine staubige Note. Im Gaumen straff, dicht, zeigt noch etwas Frucht, dazu jedoch auch markante Gerbstoffe, diese sind kernig, aktuell etwas gar präsent, der Wein baut im mittleren Gaumen viel Druck auf und hallt im Abgang lange nach, endet auf dunkelfruchtige Aromen und einen Hauch Maggikraut. Dieser Ornellaia ist aktuell zwischen zwei Welten, noch nicht wirklich reif, jedoch auch ohne den fruchtigen, jugendlichen Charme. Gut möglich, dass zwei drei Jahre mehr Reife noch Schliff bringen. 2024 bis 2032+? 92 vvPunkte
2007, Ornellaia, Tenuta dell’Ornellaia, Italien, Toskana, Bolgheri (55% Cabernet Sauvignon, 27% Merlot, 14% Cabernet Franc, 4% Petit Verdot). Gereiftes Rubinrot. Würzige, tiefgründige Nase, Tabak, Zedernholz, reife, dunkle Brombeeren, Pflaumen, Weihnachtsgewürze, ein Gedicht. Der Gaumen ist cremig und rund, auf den Punkt gereift, die Frucht und die fein verwobenen, seidigen Gerbstoffe harmonieren ausgezeichnet, der Wein hat unglaublich viel Charme, zeigt Opulenz und doch viel Finesse. Im Abgang von majestätischer Länge. Ein wunderbarer Ornellaia und aktuell sicher auf seinem Peak angekommen, mit Reserven für einige Jahre. Jetzt bis 2028+, 97 vvPunkte
2020, Poggio alle Gazze, Tenuta dell’Ornellaia, Italien, Toskana, Bolgheri (69% Sauvignon Blanc, 22% Vermentino, 5% Viognier, 4% Verdicchio. 50% im Stahl und Beton ausgebaut, die anderen 50% je hälftig in neuen respektive gebrauchten Barriques). Mittleres Gelb, grüne Reflexe. Die Nase ist expressiv und sehr komplex, florale Töne, Brennnesseln, Passionsfrucht, Ananas, Orangenblüten, zitrische Noten, die mich an weisse Grapefruit erinnern. Mango, Ananas, dazu frischer Salbei, dahinter reife Zitrusfrucht, komplex. Der Gaumen beginnt schlank und frisch, herrliche Balance aus Frucht und Säurestruktur, dann baut der Wein aus, zeigt einen cremigen Schmelz, immer mehr Fülle, bleibt dabei elegant. Im Abgang mit wunderbarer Länge, endet mit einem Tick Salzigkeit. Opulenz und Frische vereint. Das ist vielleicht der schönste Poggio alle Gazze, den ich bisher probieren durfte. Jetzt bis 2027+ 92 vvPunkte
2019, Ornus dell’Ornellaia, Tenuta dell’Ornellaia, Italien, Toskana, Bolgheri (100% Petit Manseng) Dunkles Goldgelb, Bernsteineinschlag. In der Nase mit einem delikaten Duft, exotische Früchte, Quitte, reife Birne, Guaven, etwas Dörraprikosen, auch eine leicht rauchige Note, Komplex. Der Gaumen ist üppig, süss, ungemein vollmundig und ausladend, cremige Textur, eher moderate Säure, jedoch perfekt zum dazu gereichten, säurebetonten Frucht-Dessert. Im Abgang mit guter Länge, hinterlässt Rosinen, Feigen und Nüsse. Eine interessante Kuriosität. Jetzt bis 2040+ 92 vvPunkte
Die Ornellaia-Weine findet man bei diversen Händlern, am einfachsten via Wine-Searcher. Ach ja, zum Schluss noch ein paar visuelle Eindrücke aus der Küche des Spitzenkochs Antonio Colaianni, der sich mit diesem Lunch wieder einmal selbst übertroffen hat…
Dein Kommentar
Want to join the discussion?Feel free to contribute!