Flirt mit Josephine.

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Think different! Das hat sich Kurt Josef Zalto, Glasmacher in der siebten Generation seit 1770 und vielleicht der begnadetste Glasdesigner der Gegenwart, wohl schon um die Jahrtausendwende herum gesagt, als er die Gläser der Zalto DENK’ART-Serie schuf. Eben diese gehören zusammen mit den Grassl-Gläsern zu meinen treuesten Begleitern im vinophilen Alltag. In der jüngsten Vinum-Ausgabe (Dezember 2021) hat das Zalto Universalglas bei einer Profi-Panel-Verkostung den verdienten 2. Platz erreicht – allerdings hinter einem Glas, welches aus ein und derselben Designer-Hand stammt und bei vier von sieben Glastestpersonen klar auf dem 1. Platz landete: Das Universalglas der Josephinenhütte «Josephine No. 2». Ein klarer Doppelsieg also für Kurt Josef Zalto.

Die «Josephinen-Serie» ist damit quasi die Weiterentwicklung des Zalto Glases und gleichzeitig Grund dafür, dass Kurt Josef Zalto, heute kreativer Kopf der Glasmanufaktur Josephinenhütte, vor einigen Tagen in Zürich war, wo ich ihn persönlich kennenlernen durfte. Zalto, ein äusserst ruhiger und bescheidener Mensch, erzählte mir aus seinem Glasmacher-Leben und gab mir einige Hintergründe zu seinem jüngsten Kind «Josephine» auf den Weg.

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Die ersten Skizzen zur Josephinen-Serie entstanden bereits im Jahr 2014, darauf folgten diverse Prototypen, die teils mehrfach überarbeitet wurden, bis schliesslich die optimale Form gefunden und die Serie im Jahr 2019 mit vier Weingläsern lanciert worden ist. Das «Josefine No 1» ist ein Weissweinglas, das sich vor allem für junge, frische Weissweine eignen soll. Das «Josephine No 2» ist – wie eingangs erwähnt – ein Universalglas, das für alle Weintypen geeignet ist. Rotweine aller Art bringt das «Josephine No 3» am besten zur Geltung und das «Josephine No 4» schliesslich ist ein Glas für Champagner und andere Schaumweine.

Was bei allen «Josephinen» sofort auffällt ist ein organischer Knick, eine ganz eigenartige Wölbung oberhalb der breitesten Stelle des Glases, eine ästhetische Eigenheit, welche je nach Betrachter mehr oder weniger stark polarisiert. Eigenständige Designs dürfen aber durchaus polarisieren, das haben Design-Klassiker wie der Jaguar E-Type oder der BMW 2002 Turbo aber auch modernere Autos wie der Porsche Cayenne, der Toyota Prius oder jüngst der Tesla Cybertruck gezeigt. Man mag sie oder man mag sie nicht, ignorieren aber kann man sie nicht.

Auch ich haderte mit der Form als ich die «Josephine» vor ein-zwei Jahren zum ersten Mal auf den einschlägigen sozialen Kanälen entdeckte. Ich muss an dieser Stelle aber eine Lanze für das Design brechen, denn hat man diese äusserst delikate «Josephine» einmal in dreidimensionaler Form vor sich, beginnt man das eigenständige Design mehr und mehr zu mögen.

Josephinengläser: Eigenständiges Desgin muss polarisieren (c) vvWine.ch

Darauf angesprochen, ob Design oder Funktion wichtiger seien, meinte Kurt Josef Zalto: «Ästhetik ist sicherlich ein zentrales Element bei einem Glas, doch ohne Funktion ist die schönste Ästhetik wertlos». Und, um das Klischee des männlichen Weinliebhabers aufzunehmen, erwähnte Zalto weiter, dass es interessanterweise oft nicht der Mann, sondern die Frau sei, die über Kauf oder Nichtkauf eines Weinglases entscheide. Dabei spielen neben der Form auch eine gute Stabilität eine wichtige Rolle. An dieser Stelle, liebe Leserinnen – die delikate «Josephine» ist deutlich stabiler als sie aussieht, da leg ich meine Hand ins Feuer – jetzt muss sie euch einfach noch gefallen, nicht zwingend aber euren Männern, denn die achten ja bekanntlich sowieso nur auf die inneren Werte.

Doch was ist nun die Funktion dieser Wölbung, dieses Knicks? «Der Knick führt beim Schwenken des Weins im Glas dazu, dass sich dieser nicht nur dreht, sondern dass er wie eine Welle am Ufer bricht», erklärt Zalto, «und dies wiederum erhöht den Luftkontakt und öffnet den Wein zusätzlich».

 «Klassischer Marketinggag», so der provokative Kommentar eines Weinfreundes auf Facebook, als ich das erste Foto des Josephine No. 4 Schaumwein-Glases postete. Alles nur dröges Marketing-Blingbling? Aus meiner Sicht klar NEIN! Schon bei meinem ersten Kontakt in Zürich ist mir aufgefallen, dass sich die Weine aus den Josephinengläsern offener und vor allem fruchtbetonter präsentieren und dieser Eindruck hat sich über die letzten zehn Tage durch das Band bestätigt. Ich habe alle vier Gläser intensiv getestet, mit insgesamt gut 30 unterschiedlichen Weinen und stets im direkten Vergleich mit anderen Gläsern – die «Josephine» bietet ein bestechend gutes Degustations-Erlebnis.

Ob gereift oder jugendlich, ob klein oder gross, die «Josephine No 3» bringt Rotweine sehr gut zur Geltung (c) vvWine.ch

Das jede Josephine ein mundgeblasenes Einzelstück ist, liegt beim ausgerufenen Preis von CHF 49.— pro Glas auf der Hand. Die Gläser werden dafür von passionierten Handwerkerinnen und Handwerkern mit langjähriger Erfahrung in europäischen Manufakturen gefertigt, sind äusserst filigran und dennoch erstaunlich elastisch und entsprechend stabil. Kurt Josef Zalto nimmt sich bei seinen Zuliefer-Manufakturen das Recht heraus, bestimmen zu können, welche Mitarbeitenden «seine Josephinen» produzieren und – gestützt auf seine langjährigen Beobachtungen – haben gerade die weiblichen Glasbläserinnen ein speziell gutes Händchen dafür.

Nach diesem «Flirt mit Josephine», den ich übrigens in keiner Weise bereue, möchte ich meine Leserschaft darauf hinweisen, dass einige dieser Gläser bei mir im Regal stehen und darauf warten, mit Wein, Weib und Gesang getestet zu werden. Eine eMail an mich genügt – wir finden bestimmt einen Termin und Sie ganz sicher auch eine gute Flasche Wein, welche Sie zu dieser Gelegenheit mitbringen können…😉

Für alle, die ohne Flirt eine Beziehung mit Josephine eingehen möchten: Die Gläser können im Shop der Josehpinenhütte und bei ausgesuchten Händlern erworben werden. Neben den vier Weingläsern ist auch ein «Wasserglas mit Knick» erhältlich.

Zum Schluss noch zu «something completely different»… Mit einem 2014er Bourgone Chardonnay von Pierre-Yves Colin-Morey im Josephine No 1 Glas schwelge ich in weit zurückliegenden Zeiten. Es war ebenfalls um die Jahrtausendwende herum, als ich als junger Strategischer Planer bei TBWA zusammen mit Peter Economides in Athen an einer Werbekampagne arbeiten durfte. Eben dieser Peter Economides hat einige Jahre vorher mit TBWA Los Angeles einen der besten Werbespots der Geschichte geschaffen: Think different! Vielleicht hat Kurt Josef Zalto mit seinen Gläsern nicht die ganze Welt verändert, aber immerhin unsere kleine aber schöne Weinwelt.

Apple Werbung «Think different» aus dem Jahr 1997 (c) TBWA Los Angeles

Here’s to the crazy ones.
The misfits.
The rebels.
The troublemakers.


The round pegs in the square holes.
The ones who see things differently.


They’re not fond of rules.
And they have no respect for the status quo.


You can quote them, disagree with them, glorify or vilify them.
But the only thing you can’t do is ignore them.
Because they change things.
They push the human race forward.


And while some may see them as the crazy ones,
We see genius.


Because the people who are crazy enough to think
they can change the world,
Are the ones who do.

3 Kommentare
  1. Tobias
    Tobias says:

    Hallo Adrian,
    danke für den tollen Bericht!
    Welche(s) Glas/Gläser nimmt man für Crus aus dem Burgund (rot & weiß)? Mir fehlt bei den Glasformen irgendwie der klassische Burgunderkelch….

    Danke & Gruß
    Tobias

    Antworten

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