Barolo 2016: 6 Winzer, 12 Weine.
Es ist ein Jahrgang, dessen qualitativer Ruf ihm weit vorauseilt und es sind in der Tat viele Weine entstanden, die Kraft und Finesse auf Schönste vereinen. Die Rede ist vom Jahrgang 2016 im Piemont, genauer gesagt im Barolo! Barolo ist die Heimat der Nebbiolo-Traube, deren Name sich von nebbia ableitet, was in italienischer Sprache Nebel bedeutet. Ob sich dieser Name auf den weisslichen Belag auf den Traubenbeeren bezieht oder ob er sinnbildlich für die späte Reife dieser Traubensorte steht, die oft erst an Herbsttagen gelesen wird, an denen bereits die milden Frühnebel den Tag einläuten, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich aber ganz genau weiss ist, dass Nebbiolo neben Pinot Noir zu meinen absoluten Lieblingssorten gehört. Diese äusserst anspruchsvolle Rebsorte gedeiht praktisch nur im Piemont, wo sie an steilen Süd- und Südwestlagen auf kalkhaltigen Mergelböden im besten Fall ausgezeichnete Resultate liefert und Weine hervorbringt, die an Strahlkraft, Struktur, Finesse und Komplexität kaum zu überbieten sind.
Der Stil der Barolo-Produzenten hat einen grossen Einfluss auf den Charakter der Weine und es gibt wohl kein Weinbaugebiet auf der Welt wo sich auf der einen Seite Modernisten, die aufgrund ihrer önologischen Übertreibungen von der Gegenseite kritisiert wurden, und auf der anderen Seite Traditionalisten, deren rückständige Kellertechniken Fragen aufwarfen, eine grössere Auseinandersetzung leisteten als in der DOCG Barolo. Heute sind diese Differenzen glücklicherweise weitgehend überwunden und man darf als Barolo-Liebhaber sowohl vom einen als auch von anderen Lager Weine geniessen, die aufgrund ihrer hohen Qualität allesamt ihre Daseinsberechtigung haben.
Im Rahmen des 28. Concerto del vino italiano, das alljährlich von Caratello durchgeführt wird, durfte ich einen Workshop besuchen, an dem zwölf 2016er Barolo-Weine von sechs Winzerpersönlichkeiten vorgestellt wurden. Diese rund eineinhalb Stunden dauernde Weinreise untermalte einmal mehr, welch ausgezeichnete Klasse die 2016er Weine aus Barolo aufweisen.
2016, Barolo Vigna Gris, Azienda Agricola Conterno Fantino, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo aus südöstlich ausgerichteten Hanglagen auf 300 M.ü.M. Schlick, Sand, Lehmuntergrund, 14 Tage Mazeration bei 30°, Ausbau im französischen Eichenfass. 14.5% Alkohol, 6.2g/l Säure, 29.9g/l Trockenextrakt). Florale Nase nach getrocknete Rosen, roten Kirschen und Erdbeeren, darüber etwas Süssholz. Im Gaumen zugänglich und mit weichem Fruchtextrakt, die Gerbstoffe sind perfekt reif, das Holz dominiert in keiner Weise, sehr balanciert mit einem warm anmutenden Charme und einer spicy Würzigkeit im Abgang. Sehr langanhaltend. Jetzt (dekantieren) bis 2037+, 92/100 vvPunkte.
2016, Barolo Vigna Pressenda, Azienda Agricola Conterno Fantino, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo, der Rebberg ist erst seit 2013 in seinem Besitz. Nur 1 Hektar gross, mit Reben von 1969 bepflanzt. Südöstlich ausgerichteten Hanglagen auf 350 M.ü.M. Schlick, Sand, Lehmuntergrund, 14 Tage Mazeration, Ausbau im französischen Eichenfass. 14.5% Alkohol, 6.4g/l Säure, 29.4g/l Trockenextrakt). In der Nase etwas rauchiger als der Vigna Gris, mit reifer Frucht, dazu Noten von Tee, dahinter kühl und steinig anmutend. Im Gaumen straff, sehr gut strukturiert, männlich, mit merklich Tannin und saftiger Säure, der Wein ist noch wild und jugendlich, deutlich weniger zugänglich als Vigna Gris. Zeigt Länge und einen trockenen Abgang. Braucht noch etwas Zeit. 2024 bis 2040, 93/100 vvPunkte.
2016, Barolo Bricco Fiasco, Azienda Agricola AZELIA di Luigi Scavino, Castiglione Falletto, Piemont, Italien (100% Nebbiolo, weisse Kalkböden an südlich ausgerichteten Hanglagen auf 285 M.ü.M., 58 Tage Mazeration bei 31°, 24 Monate Ausbau im grossen Holzfass. 14.5% Alkohol, 6.2g/l Säure, 29.6g/l Trockenextrakt). In der Nase anfangs verhalten, zurückhaltend, nobel, mit roten Kirschen und Blutorangen, dezent- vom Holz geprägt, entwickelt mit Luft immer mehr Floralität, wirkt immer komplexer, tiefgründiger und verspielter. Kräftiger Gaumen, konzentriert, mit satter Frucht, baut am mittleren Gaumen mächtig aus, zeigt viel Gerbstoff, eine top integrierte Säure und eine ausgezeichnete Balance. Endet würzig und mit viel Spannung. Ein energiegeladener und sehr eleganter Wein, der gut reifen dürfte. 2024-2040+, 95/100 vvPunkte.
2016, Barolo San Rocco, Azienda Agricola AZELIA di Luigi Scavino, Castiglione Falletto, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Lehm- und Kalkböden die südlich ausgerichtet auf 320 M.ü.M. liegen. 38 Tage Mazeration bei 30°, 24 Monate Ausbau im grossen Holzfass. 15% Alkohol, 6.8g/l Säure, 32g/l Trockenextrakt). Sehr fruchtbetonte Nase, wirkt offener als der Bricco Fiasco, Blütentee, Kirschen, Himbeeren und Salbei, ganz dezent auch Röstaromen, komplex. Im Gaumen fleischig und weich, wirkt etwas runder, opulenter und vollmundiger als der Bricco Fiasco, wird am mittleren Gaumen auch immer strukturbetonter, zeigt viel Mineralik. Im Abgang hallt der Wein ausgesprochen lange nach mit einem Tick mehr Hitzigkeit als der Bricco Fiasco, was dem etwas höheren Alkoholgehalt geschuldet ist. 2024-2040, 94/100 vvPunkte.
2016, Barolo Pajana, Azienda Agricola Clerico Domenico, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Lehm-, Sand- und Tonböden mit östlicher und süd-östlicher Ausrichtung auf 350 M.ü.M. 25 Tage Mazeration bei 31°, Ausbau während 28 Monaten in französischen Barriques. 14.5% Alkohol, 6.3g/l Säure, 33.6g/l Trockenextrakt). Expressiv in der Nase, zeigt deutlich Himbeeren dazu Vanille, etwas Mokkajoghurt, noch etwas vom Holz geprägt. Im Auftakt rund und zugänglich, packt dann zu, zeigt eine ganze Wand aus Gerbstoff und Säure, ein kleines Strukturmonster ist das, die delikate Frucht hält sich aktuell etwas im Hintergrund. Langer, allerdings auch leicht trocknender Abgang. Muss reifen und seine Harmonie noch finden. 2027-2042+ 92+ vvPunkte.
2016, Barolo Ciabot Mentin, Azienda Agricola Clerico Domenico, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Lehm-, Sand- und Tonböden mit östlicher Ausrichtung auf 420 M.ü.M. 28 Tage Mazeration bei 31°, Ausbau während 28 Monaten in französischen Barriques. 14.5% Alkohol, 6.7g/l Säure, 32g/l Trockenextrakt). Feinduftig, frisch, leicht kräuterig, Sauerkirsche, eingekochte Früchte, dazu etwas nussige Noten. Im Gaumen mit Wucht und Opulenz, zeigt eine reife, satte Frucht, fein gewobene Gerbstoffe und viel Säure, das Strukturkorsett harmoniert mit der üppigen Frucht und trägt den Wein in einen sehr langen Abgang wo er auf dunkle Früchte und einen Hauch Zartbitterschokolade endet. 2026-2042, 94 vvPunkte.
2016, Barolo Bussia Colonello, Poderi Aldo Conterno, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Kalk- Sand- und Magnesium-Böden. Süd-westliche Ausrichtung. 30 Tage Mazeration bei 32°, Ausbau während 28 Monaten in Eichenfässern. 15% Alkohol, 6.0g/l Säure, 29g/l Trockenextrakt). Sehr ausdruckstarke Nase, wunderbar komplex mit getrockneten Rosenblättern, roten Kirschen, Waldbeeren, Gewürzen, Trockenkräutern und etwas Zimt. Im Gaumen ist der Wein gradlinig und gut strukturiert, reife Frucht, straffe Gerbstoffstruktur, hervorragende Balance und bereits wunderbar zugänglich, natürlich noch wild und jugendlich, aber ganz und gar nicht versperrt. Lang, rotfruchtig und rassig im Finale. Bestätigt meine guten Eindrücke, die ich vor rund zwei Jahren im Piemont notiert habe. 2024-2044+, 94/100 vvPunkte.
2016, Barolo Bussia Cicala, Poderi Aldo Conterno, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Sand-, Magnesium- und Mangan-Böden. Süd-westliche Ausrichtung. 380 M.ü.M. 30 Tage Mazeration bei 29°, Ausbau während 30 Monaten in Eichenfässern. 15% Alkohol, 6.0g/l Säure, 33g/l Trockenextrakt). Dieser Wein war vor zwei Jahren verschlossener, doch aktuell strahlt die Nase förmlich aus dem Glas, etwas rauchiger und steiniger als Colonello, zeigt Noten von Früchtetee, Johannisbeeren, wird mit Luft immer floraler und besticht mit wunderbaren Veilchenaromen. Im Auftakt opulent, warm anmutend, sehr ausdruckstark, vollmundig, würzig, die delikate, rote Beerenfrucht wird von fein gewobenen Gerbstoffen getragen, diese sind in Massen vorhanden und von sehr guter Qualität. Lang, würzig, mit leicht rauchigem und adstringierendem Nachhall. 2024-2046+, 95/100 vvPunkte.
2016, Barolo Brunate, Vietti, Castiglione Falletto, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Kalkmergel- und Muschelkalk-Böden mit südlicher Ausrichtung auf 230-405 M.ü.M. 24 Tage Mazeration bei 32°, Ausbau während 30 Monaten in französischen Barriques und grossen Holzfässern. 15% Alkohol, 6.8g/l Säure, 32g/l Trockenextrakt). Ungemeinduftige Nase, reif und warm anmutende Nase, rote Beeren, viele Kräuter, dezent laktische Noten, wird mit Luft immer parfümierter und verspielter, zeigt Spannung, Veilchenaromen, eine kleine Droge. Im Gaumen feinfruchtig, präzis, die Gerbstoffe sind in Massen vorhanden, jedoch fein gewoben, machen sich erst im hinteren Gaumen bemerkbar, die Frucht ist delikat, perfekt reif, jedoch ohne Überreife. Hallt im Abgang ausgesprochen lange nach mit Retroaromen, die an Blutorangen erinnern. Ausgezeichnet und stilistisch ganz auf meiner Linie. 2022 bis 2044+, 95/100 vvPunkte.
2016, Barolo Lazzarito, Vietti, Castiglione Falletto, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Kalkmergel- und Tonböden mit süd-westlicher Ausrichtung, 260 bis 390 M.ü.M. 28 Tage Mazeration bei 32°, Ausbau während 30 Monaten in französischen Barriques. 15% Alkohol, 5.6g/l Säure, 31g/l Trockenextrakt). Verhaltene Nase, zeigt viel Tiefgang und strahlt etwas mehr Wärme aus, als der Brunate, Aromen von Teer, Lakritze, dezente Röstnoten, Oregano. Der Gaumen ist straff, konzentriert, wirkt im Vergleich zum femininen Brunate etwas männlicher, feine, reife Frucht, markante Gerbstoffe, zeigt Ecken und Kanten, baut im mittleren Gaumen aus, wird immer strukturbetonter, gleichzeitig auch eleganter. Im Abgang von majestätischer Länge. Vom Charakter her ein eher maskuliner Barolo. 2024-2046+, 94/100 vvPunkte.
2016, Barolo Cerretta, Giacomo Conterno, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Lehm-, Eisen-, Phosphor- und Kalkböden. Östliche Ausrichtung auf 400 M.ü.M. 25 Tage Mazeration bei 32°, Ausbau während 48 Monaten in grossen Holzfässern aus slawonischer Eiche. 15% Alkohol, 5.8g/l Säure, 31g/l Trockenextrakt). Unglaublich expressiv, der Duft springt förmlich aus dem Glas, super floral, mit Kräutern, Veilchen, Tee, für mich eine absolute Nasendroge, ein Wein zum Eintauchen, zum Meditieren, zum Niederknien. Im Gaumen seidenweich, das ist eine Delikatesse, sondergleichen, ungemein präzis, verspielt, rotfruchtig und top strukturiert, die Tannine sind von höchster Güte, die wohl dosierte Säure belebt, dieser Wein hat ungemein viel Finesse und Präzision, eine Erhabenheit, die seinesgleichen sucht. Zeigt im Abgang eine ausgezeichnete Länge und viel Balance. Das ist grosses Barolo-Kino. Leider nicht günstig und auch nicht einfach zu erhalten, doch für mich jeden Cent wert. 2024-2048+, 96/100 vvPunkte.
2016, Barolo Arione, Giacomo Conterno, Monforte d’Alba, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Kalk- und Sandsteinböden. Südliche Ausrichtung. 21 Tage Mazeration bei 32°, Ausbau während 44 Monaten in grossen Holzfässern aus slawonischer Eiche. 15% Alkohol, 5.35g/l Säure, 30.6g/l Trockenextrakt). In der Nase etwas verhaltener als Cerretta, braucht etwas Zeit, sich zu entwickeln, zeigt dann viele Kirschen, subtile florale Töne, Himbeeren und Süssholz, Hagebutte. Im Gaumen rund und mit einer gewissen Opulenz ausgestattet, jedoch ohne jegliche Schwerfälligkeit, ungemein saftig und knackig in der Frucht, feine, wohl dosierte Tannine, die Säure wirkt stimmig, macht sich am mittleren Gaumen erfrischend bemerkbar und trägt die reife, rote Frucht in einen warm anmutenden, langen Abgang. Für mich nicht ganz auf dem Niveau von Cerretta, doch das ist Kritik auf sehr, sehr hohem Niveau. 2022-2045, 94/100 vvPunkte.
Als kleine Zugabe präsentierte Toma Nikaj, der übrigens wie immer souverän durch die Verkostung führte, zum Schluss einen 2010er Barolo Bricco Voghera Riserva von AZELIA. Die allermeisten 2010er sind, eine solide Dekantierzeit vorausgesetzt, aktuell wunderbar zu trinken und so präsentierte sich auch dieser Wein von seiner besten Seite.
2010, Barolo Bricco Voghera Riserva, Azienda Agricola AZELIA di Luigi Scavino, Castiglione Falletto, Piemont, Italien (100% Nebbiolo von Lehm- und Kalkböden, südliche Ausrichtung auf 360 M.ü.M. 55 bis 60 Tage Mazeration bei 31°, Ausbau während 5 Jahren in grossen Holzfässern, danach Reifung während 5 weiteren Jahren auf der Flasche. 14.5% Alkohol, 6.3g/l Säure, 33.6g/l Trockenextrakt). Reife Nase, sehr tiefgründig, dezent rauchig, eingekochte Kirschen, Pflaumen, darüber florale Noten, etwas Crème Brulée. Im Gaumen warm, zugänglich, feinwürzig, zeigt erste Reifenoten, dabei aber auch eine erstaunliche Frische, wirkt sehr lebendig und balanciert, baut enorm Druck auf, wird immer opulenter und hat dennoch viel Finesse. Endet im Abgang langanhaltend auf reife Kirschen und Süssholzaromen. 95/100 vvPunkte.
Mein Fazit: Ob Conterno Fantino oder Giacomo Conterno, ob Azelia oder Vietti… Die Qualitäten der 2016er Barolo sind zweifelsohne ausgezeichnet. Wer von diesem Jahrgang nichts im Keller hat, verpasst definitiv etwas und sollte schleunigst nachrüsten. Zwar sind gewisse Weine bereits ausverkauft, doch gerade in Grossflaschen ist der eine oder andere Tropfen noch verfügbar. Ich kann darum jedem Weingeniesser raten, die eine oder andere Magnum in den Keller zu legen, denn gewisse Weine von Azelia, Clerico, Conterno Fantino, Oberto und Paitin di Pasquero Elia sind aktuell bei Caratello noch verfügbar. In der Magnum reift der Wein übrigens harmonischer und er verfügt zudem im Grossformat über ein besseres Lagerpotential als in Normalflaschen.
Last but not least, hier einige Synonyme für die Sorte Nebbiolo. Hand aufs Herz, haben Sie alle gekannt? Barbesino, Barolo, Bolla (Klon), Brunenta, Bruneta, Chiavennasca, Chiavennasca di Valtellina, Femmina, Lampia (Klon), Marchesana, Martesana, Melasca, Melaschetto, Melascone, Michet (Klon), Monferrina, Morsano di Caraglio, Nebbieul Grosso, Nebbieul Maschio, Nebbiolin, Nebbiolin Commune, Rosé Nebbiolo (Klon), Spana, Spana Commune, Spanna, Spanna Grossa und Tandis
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