Gerstl Streifzug.

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Das Team der Weinselektion Gerstl hat ja bekanntlich eine gute Spürnase für Weine mit gutem Preis-Leistungsverhältnis und gleichzeitig auch ein ausgeprägtes Flair für sehr hohe Weinbewertungen. Das mag die einen oder anderen manchmal etwas verunsichern, doch liest man die Weinbeschriebe etwas genauer durch, merkt man rasch, was wirklich spannend sein könnte. Mein lieber Freund Marcio, der früher hier auf vvWine mitgeschrieben hat, ist bei Gerstl neu für die Beschriebe einiger Weinregionen zuständig. Da Marcio meinen persönlichen Geschmack gut kennt, hat er mir ein paar Tropfen empfohlen, die ich unbedingt probieren müsse. Die nachfolgenden Weine halten klar, was versprochen wird, ohne dass man die Diskussion über Höchstnoten führen muss, denn schlussendlich trinkt man ja Wein und keine Punkte. Stilistisch liegen diese Weine voll und ganz auf meiner Linie, denn sie sind trocken, frisch und sehr ausgewogen. Und auch der dazwischengeschmuggelte Wein des Jahres, ein Pinot aus der Herrschaft vom Weingut Schlegel, kann sich in seiner Preisklasse durchaus sehen lassen.

Ein Charmeur: Lupus 2018 (c) vvWine.ch

2018, Lupus. Georg Schlegel, Malans, Graubünden, Schweiz (100% Pinot Noir, aus verschiedenen Lagen des Weinguts, u.a. Pradafant – einer der ältesten Lagen mit Ertrag von nur 600-700 g/m2. Die Maische wird in 700 l-Bottichen vergoren und von Hand gestossen. Ausbau während 12 Monaten, 60% im grossen Holzfass (500 l), 40% im Stahltank). Mittlers Rubinrot. Sehr sortentypische Nase ohne Holzdominanz, neben reifen Kirschen und einem Mix von Walderdbeeren und Himbeeren nehme ich Kräuter wahr. Der Gaumen ist weich und zugänglich, reife aber dennoch knackige Frucht, leicht cremige Textur, die Gerbstoffe sind gut integriert und fein gewoben, eine moderate Säure stützt und trägt die delikate Frucht in einen mittellangen Abgang, wo er auf rote Johannisbeeren und Blutorangen endet. Dieser Wein wirkt trotz warmem Jahr leichtfüssig, frisch und sehr charmant. Macht ab sofort Spass, hat aber auch genügend Struktur und Fleisch am Knochen, um die weitere fünf Jahre im Keller reifen zu können. Jetzt bis 2026+, 88/100 vvPunkte.

Alma de Contaro, Bobal (c) vvWine.ch

2018, Bobal, Alma de Cántaro, Ribera del Duero, Spanien (Aus der fast verschwundenen Rebsorte Bobal). Dunkles Purpur. Die Nase ist wie ein Mix aus einem jungen, kräftigen Beaujolais und einem pfeffrigen Syrah-Wein von dr Nordrhone, zeigt Brombeerebrause, Heidelbeeren, schwarze Kirsche und Oliven, dazu ein Hauch von Reduktion, die jedoch rasch verschwindet, ein schöner, spannender Duft. Im Gaumen ist der Wein weich, rund und zugänglich, die reife Frucht wirkt super rein und knackig, das ist wie ein Biss in ein Brombeermarmelade-Brot mit feiner Butter, nicht üppig oder fett, einfach nur sensationell fruchtig, das feine Tannin und eine gute Säure verleihen Charakter und Struktur, irgendwie wie ein Wolf im Schafspelz, vordergründig harmos, jedoch mit Charakter und Biss. Im Abgang mit süsslichen Gewürzen. Sehr ungewohnt jedoch trinkanimierend und lebhaft. Ein Grillwein 2.0 würd ich sagen. Jetzt bis 2026 geniessen, 90/100 vvPunkte.

Charaktervoll und qualitativ sehr gut: Die Pateiro-Weine auf Basis von Loureira und Treixadura (c) vvWine.ch

2018, Pateiro Anfora T, (Assemblage aus Loureira und Treixadura, die auf kargen Granitböden gedeihen. Ausgebaut in der Amphore). Kräftiges Gelb. Kühle, kräuterige Nase, reife Zitrusfrüchte, Grapefruit, Ananas, Kaktusfrucht, mit mehr Luft Meeralgen, spannend. Im Gaumen kräftig, rund und voluminös, cremige Textur, frischer Säurenerv, erinnert mich etwas an einen Etna Bianco, vereint südliche Wärme und kühles Terroir, baut am mittleren Gaumen mächtig Druck auf und hallt lange nach, im Finish salzig und mit etwas Salbeikräutern. Ein Wein, der sich mit Luft wunderschön entwickelt – dekantieren empfohlen. 90/100 vvPunkte.

2018, Pateiro Anfora Barrica, Ribeiro DOP (100% Treixadura, eine Sorte, die hauptsächlich in Portugal angebaut wird, im spanischen Nordwesten aber ebefnalls exzellente Resultate liefert). Kräftiges Gelb. Die Nase muted etwas wärmer an, Ananasaromen paaren sich mit Vanillepuder und Zimt, dahinter zeigt sich mit etwas Luft weisse Birne und Quittengelee. Im Gaumen saftig und frisch, das Holz ist perfekt verpackt, auch dieser Wein zeigt Kraft und Druck, bleibt jedoch wunderbar frisch und lebhaft, wirkt filigraner als die Nase vermuten lässt und hallt im Abgang etwas länger nach als der Amphora, endet auf exotische Früchte. Nicht besser, aber anders. 90/100 vvPunkte.

Vadio und Grande Vadio

Vadio Espumante Branco, Bairrada DOC (Cuvée aus Baga, Bical und Cercial. Die Reserve-Weine reifen im Solera-Verfahren und sind über 10 Jahre alt. Ausbau 18 Monate auf der Hefe.) Dunkles Goldgelb, feine Perlage. Intensive, reiffruchtige Nase exotische Früchte, Gewürze, Salbeibutter und geröstete Mandeln. Im Gaumen kräftig und opulent, ein Mund voll Schaumwein, dezente Süsse, diese ist aber gut verpackt und harmoniert mit dem schönen Säurenerv, die Perlage ist intensiv und fein, dazu kommt eine ausladende Cremigkeit, am mittlere Gaumen baut der Wein aus, wirkt sehr lebendig und hallt im Abgang lange nach. Im Retrofinale mit viel Würze und nussigen Aromen. Eher Essbegleiter als Apérowein. Sehr gute Qualität. Jetzt bis 2024 geniessen. 88/100 vvPunkte.

2017, Vadio Tinto, Vadio Wines, Bairrada DOC, Portugal (100% Baga aus einer kleinen Appellation, rund 200 Km nördlich von Lissabon, lediglich 13% Alkohol). Kräuterige, kühle Nase, dunkle Kirschen, Brombeeren, reife Himbeeren, steinig, kühl. Im Gaumen ungemein saftig, fruchtbetont, wirkt leichtfüssig, fast schon wie ein Pinot aber mit wärmeren Fruchttönen, auch im Mund sehr frisch und saftig, steinig, strukturiert und im Abgang von mittlerer Länge. Ein Grillwein mit Schwung und Niveau. Jetzt bis 2026, 88/100 vvPunkte.

2015, Grande Vadio Tinto, Vadio Wines, Bairrada DOC, Portugal (Auch dieser Wein zu 100% aus der Sorte Baga gekeltert, die Trauben stammen von den höher gelegenen Rebbergen, nur 13% Alkohol, Ausbau im 500 Liter Fass). Dunklere Farbe, noch immer schöner Glanz. Vielschichtigere, komplexere Nase, dunkle Beeren, Cassis, Pflaumen dominieren, etwas weniger Kräuterig, dafür mehr Tabak, dazu weisser Pfeffer und eine steinig kühle Note. Im Gaumen mit viel Struktur und Druck, gradlinig, saftig, herrliche Kirschfrucht, frische Säure, das Tannin markiert, stützt die Frucht, mich erinnert der Wein fast etwas an einen Nordrhone-Syrah, hochelegant und mit pfeffrigem Abgang. Klasse! Bis 2030+ geniessen, 91/100 vvPunkte.

Eindrückliche Frische: Die Weine von Michelini i Mufatto (c) vvWine.ch

2019, En el Camino, Michelini i Mufatto, Bierzo, Spanien (90% Mencia und 10% diverse Sorten, 12.5% Alkohol. Von verschiedenen Parzellen auf Lehm- und Schieferböden; Ausbau 10 Monate in Tonkrug-Tinajas und Eichenfässern). Reduktive Nase, braucht etwas Luft, um sich zu öffnen, zeigt dann eine herrlich klare Himbeerfrucht, dazu würzige Noten und Veilchen, erinnert fast etwas an einen schönen Beaujolais. Der Gaumen ist ungemein knackig und frisch, das ist wie ein Biss in einen Beerenkorb, die Gerbstoffe sind fein gewoben, dominieren die Frucht nicht, verleihen dem Wein zusammen mit einer saftigen Säure eine sehr gute Struktur, das Fruchtbündel ist ungemein saftig und hat einen grandiosen Zug. Im Abgang ausgewogen, fruchtig, mit nur 12.5% Alkohol bekömmlich ohne Ende. Ich sag nur: Der Grillsommer darf kommen und dieser Wein gehört definitiv dazu. Ausgezeichnetes Preis/Leistungsverhältnis. Jetzt (belüften) bis 2028, 89/100 vvPunkte.

2018, A Merced, Michelini i Mufatto, Bierzo, Spanien (100% Mencia, 12% Alkohol) Mittleres Rubin. In der Nase direkt nach dem Öffnen zugänglich und feinduftig, viel Würze, Kräuter, Lakritze, rauchige Noten, dahinter einem Mix aus roten Kirschen, Himbeeren und Blaubeere. Im Gaumen mit weicher Textur und einer reifen Frucht, diese wird von einem markanten, leicht flockigen Tanningerüst getragen wird, die Säure wirkt stimmig und verleiht Trinkfluss, zieht den Wein in einen langen, eleganten und wieder würzigen Abgang. Kein Blockbuster, sondern ein leichtfüssiger, charmanter Wein der ab sofort trinkreif ist und dennoch gut reifen wird. Jetzt bis 2026+, 89/100 vvPunkte.

2018, El Rapolao, Michelini i Mufatto, Bierzo, Spanien (100% Mencia, 13% Alkohol. Von alten Reben in einer Einzellage mit Schieferböden. Ausbau während 10 Monaten in gebrauchten Holzfässern. Nur 900 Flaschen produziert). Mittleres Rubinrot, schöner Glanz. Die Nase ist ein Mix aus dunklen und roten Beeren, wobei dieser Wein die „dunkelste Frucht“ aller verkosteten Weine zeigt, Brombeeren, schwarze Kirschen, Heidelbeeren, viele Kräuter, Lavendelöl. Im Gaumen druckvoll, gradlinig, straff, mittlerer Körper, kräftiges Tannin, die Frucht wirkt knackig, die Säure hält frisch, ungemein lebhaft, frisch und sehr elegant schlängelt sich der Wein durch den Gaumen, hier Treffen Frucht und Stein aufeinander, duellieren sich und harmonieren dennoch ausgesprochen gut. Im Abgang hallt der Wein sehr lange nach, zeigt neben dunklen Beeren etwas Süssholz und eine merklich salzige Note. Wenn der Encrucijada der eher rotfruchtige Rousseau ist, trinkt sich dieser Wein wie ein kerniger, maskuliner Clos de Vougeot. Jetzt bis 2035+, 91/100 vvPunkte.

2018, Encrucijada, Michelini i Mufatto, Bierzo, Spanien (90% Mencia, 10% Palomino, 12% Alkohol. Von alten Reben die auf roten Schieferböden gedeihen, Ausbau während 10 Monaten im grossen Holzfass). Leuchtendes Rubin, sehr hell. Die Nase ist eine kleine Droge, frisch und feinwürzig, floral und deutlich rotfruchtig geprägt, Sauerkirschen, Himbeeren, Granatapfel, pfeffrige Noten, unglaublich verführerisch. Im Gaumen leichtfüssig, frisch und saftig, was für ein tänzerischer Wein, lebhaft, voller Energie, kontrolliert und präzis, mit feinsten Gerbstoffen, einer umwerfenden Säure (wer würde hier an Spanien denken?) und einer Balance, die seinesgleichen sucht. Im Abgang von sehr guter Länge, endet rotfruchtig und mit top Würze. Dieser Wein ist von A-Z ausgewogen und sehr finessenreich. Weil er so feingliedrig ist und nur 12% Alkohol hat, könnte er in Blindverkostungen glatt übersehen werden. Für Liebhaber von femininen Weinen mit viel Finesse ein MUSS. Dieser Wein ist wie ein Schluck Rousseau, einfach aus Spanien. Jetzt bis 2033+, 93/100 vvPunkte.

2018, Post Crucifixion, Michelini i Mufatto, Bierzo, Spanien (90% Mencia, 10% Palomino, Merenzao, Godello, Brancello, 12% Alkohol. Die Trauben stammen aus einer steilen Parzelle mit Kalkböden; vergoren mit den Stielen, Ausbau in 500-Liter-Fässern). Helles Rubin. Die Nase, eine Wucht, erinnert an eine Symbiose aus Pinot, Nebbiolo und Nerollo Mascalese, viele Kräuter, exotische Gewürze, Kirschen, Johannisbeeren, Süssholz, ätherische Öle, Blutorangen, unglaublich verführerisch. Im Auftakt frisch und saftig, ein zartes Gewächs, feminin, schlank, jedoch mit top Struktur bei welcher die feinen, reifen Gerbstoffe mit der top integrierten Säure harmonieren, der Spannungsbogen dieses Weins ist faszinierend, irgendwie schwingt die Wärme mit, doch gleichzeitig wähnt man sich im Chambolle-Musigny, grosse Balance, Länge, Charakter und Ausdrucksstärke. Einer der faszinierendsten Weine, die ich aus Spanien trinken durfte. Aber Achtung: Das ist kein Alto PS Spanien, sondern das das pure Gegenteil… Jetzt bis 2033+, 93/100 vvPunkte.

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