Zwei schöne Zufälle.

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Die Primeur-Wochen in Bordeaux, während denen ich rund 600 Fassmuster des Jahrgangs 2019 hätte verkosten sollen, wurden aufgrund der Corona-Krise abgesagt respektive auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich hatte mich eigentlich bereits damit abgefunden, diesen Frühling keine 2019er probieren zu können, als mich mein Weinkollege Alex Ulrich per eMail kontaktierte. Alex war vorgestern bei Gerstl im Laden, als – Zufall No. 1 – Max Gerstl und sein Team gerade knapp 30 Fassmuster des Jahrgangs 2019 verkosteten, die Ihnen aus Bordeaux zugesandt wurden. Zwei dieser Muster gefielen Alex besonders gut und er offerierte mir, diese für eine gemeinsame Verkostung mitzubringen. Eines dieser beiden Muster war – Zufall No. 2 – Château Fonroque, wohlvertanden eines meiner Lieblingsweingüter im Saint-Emilion, über das ich schon mehrmals berichtet habe. Die Chance, den 2019er von Fonroque verkosten zu können, wollte ich mir trotz Corona nicht entgehen lassen.

Château Fonroque: Seit Jahren mit hoher, qualitativer Konstanz und seit einigen Jahren schlicht umwerfend gut (c) vvWine.ch

Das unscheinbare Château Fonroque liegt rund 1.5 Km ausserhalb des Städchen Saint-Emilion, etwas versteckt hinter ein paar verwunschenen Baumkuppen. Es verfügt über Reben, die teils auf dem Plateau und teils an den Hängen von Saint-Emilion liegen. Drei unterschiedliche Bodenarten prägen das Terroir: Ton-Kalkstein, Kalk sowie sandig-lehmige Tone. Alain Moueix, der ehemalige Besitzer von Fonroque, leitet noch immer die Geschicke des Gutes, das seit 2006 Bio-zertifiziert ist und seit 2008 sogar der Vereinigung Biodyvin angehört. Château Fonroque war damit der erste biodynamisch zertifizierte Grand-Cru-Classé von Saint-Emilion.

Was Alain Moueix und sein Team über die letzten Jahre auf Fonroque erschaffen haben, ist eindrücklich. Mit hoher Konstanz produziert das Gut Jahr für Jahr rund 50 Tausend Flaschen dieses qualitativ ausgezeichneten Weins. Fonroque ist ein Saint-Emilion mit Kraft, Vertikalität und viel Eleganz. Gerade die letzten Jahrgänge sind schlicht umwerfend gut gelungen. Doch auch all meine Begegnungen mit ältere Weinen überzeugten mich immer wieder aufs Neue.

Alex und ich traffen uns also aufgrund von «Social Distancing» für einmal nicht bei mir zu Hause, sondern im Freien, auf einer Aussichts-Kanzel in Windisch. Die zwei Meter Abstand konnten wir so problemlos einhalten und der per WhatsApp zugeschaltete Alain Moueix erzählte uns per VideoChat etwas über den Jahrgang 2019.

Einmal mehr top gelungen: Château Fonroque 2019 (c) vvWine.ch

Das Jahr begann nach einem kalten Januar relativ früh und die Reben entwickelten sich während einem eher kühlen und feuchten Frühling rasch. Einzig die zweite Aprilhälfte sowie der Juni waren wärmer und trockener. Dann kam der Umschwung schlagartig. Der Sommer war heiss und sehr trocken, was bei gewissen Weingütern in Saint-Emilion zu Trockenstress führte. Die biodynamisch kultivierten Reben von Alain allerdings, konnten die sommerliche Hitze gut weggestecken, was die Trauben im Spätsommer und September ausgeglichenen ausreifen liess. Alain betonte, dass der Lesezeitpunkt 2019 besonders wichtig gewesen sei, da die Gefahr bestand, überreife Trauben in den Keller zu bringen, was den Weinen Finesse und Eleganz gekostet hätte. So entschied sich Alain, die Lese auf Fonroque sehr früh, nähmlich vom 18. bis zum 30. September 2019, durchzuführen. Entstanden ist ein eindrücklicher Wein, bei dem Kraft und Finesse perfekt vereint sind.

2019, Château Fonroque, Saint-Emilion, Bordeaux, Frankreich (86% Merlot, 14% Cabernet Franc, verkostet am 27.3.2020 in Windisch). Dunkles Purpur. In der Nase intensiv duftend, reife Brombeeren, Holunder, dazu Pfefferminze, frische Kräuter, Rosenblüten, ungemein tiefgründig, vielschichtig und trotz reifer Frucht sehr frisch anmutend. Der Gaumen ist vollmundig, zeigt Opulenz, die ausladende, üppige Frucht wird von einer sehr guten Struktur getragen, feinmaschiges, seidenweiches Tannin und genau die richtige Dosis Säure verleihen Rafinesse, trotz viel Fülle wirkt der Wein hochelegant und perfekt ausgewogen. Endet im Abgang ausgesprochen lang, auf dunkle Beeren und einen Tick Würzigkeit. Ein Fonroque mit Druck und Power doch wie immer auch mit sehr viel Finesse. Einmal mehr, hervorragend gelungen, Bravo! Ein Must-Buy! 2025-2045+, 19 vvPunkte (94-95/100).

Ich brachte den letzten Schluck des 2019er-Fassmusters meiner besseren Hälfte mit nach Hause und ihr Gesicht beim Schnuppern lässt keine Zweifel aufkommen… Liebe Leserinnen und Leser: Gönnt euch diesen zauberhaften Fonroque!

Himmlisch gut: Château Fonroque 2019 (c) vvWine.ch

PS: Nach der «Primeur-Verkostung» öffnete ich mit Alex noch einen Fonroque 2010. Der Wein zeigte sich bereits sehr zugänglich mit einer offenen, würzigen, rotfruchtig geprägten Nase mit einer reifen, roten Kirschfrucht, dazu eingemachten Pflaumen, Gräsern und auch Weihnachtsgewürzen. Im Gaumen kräftig, warm anmutend und dennoch sehr elegant, zeigt der 2010er anfangs einen schönen Schmelz sowie eine feine Cremigkeit, wird dann am mittleren Gaumen immer schlanker, frischer und endet langanaltend und sehr würzig. Jetzt bis 2030+, 18 vvPunkte (91/100).

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