Jamais Gamay?
Gewisse Weinfreunde wollten schon gar nicht teilnehmen an diesem Abend. Thema war nämlich Gamay. Diese recht genügsame und ertragsreiche Sorte macht den Löwenanteil der Weinproduktion im Beaujolais aus. Den Namen hat die Gamay-Traube aber vom gleichnamigen Ort Gamay an der renommierten Côte d’Or im Burgund. Dort enstand die Sorte vermutlich als spontane Kreuzung aus Pinot und Gouais Blanc.
Im Jahr 1395 wurde Ihr Anbau im Burgund allerdings verboten und die Gamay-Traube damit ins südlich gelegene Beaujolais verdrängt, wo sie auf den granithaltigen Böden die besten Resultate erzielte. Im Beaujolais wird das Traubengut meist mittels sogenannter «Macération-carbonique» vergoren. Das heisst: Die Trauben werden in einen geschlossenen Tank gefüllt und durch den Druck der oben gelegenen Traubenschichten wird die Gärung lanciert. Diese beginnt vom Inneren der Trauben heraus und das freigesetzte Kohlendioxid hüllt sich um die Trauben. Damit wird den Beeren viel Farbstoff aber relativ wenig Tannin entzogen. Der so entstandene Wein besticht durch eine leuchtende Farbe sowie viel Frucht.
Ein harter Kern von Weinfreunden stellte sich vor einigen Wochen der Aufgabe und verkostete an diesem Abend gut zehn Gamay-Weine. Die Auswahl war dabei zufällig, denn im Mittelpunkt stand der unkomplizierte Genuss, nicht die akademische Analyse. Dennoch nachfolgend meine kurzen Momentaufnahmen zu den verkosteten Weinen.
2016, Gamay Roman, Sélection des meilleures Parchets, Louis Pierre, Waadt, Schweiz. Der blind servierte Piraten-Gamay, welcher Philipp in seinem geliebten Denner erworben hat: Billige Nase, etwas Cassis, kitschig, künstlich. Im Gaumen null Struktur, eindimensionale Aromatik, wenig Länge. Ein richtig schwacher Wein, ohne jeglichen Charakter, aber auch ohne Fehler. 16 vvPunkte (82/100).
2016, Corcelette Morgon Vielles Vignes, Daniel Boulard, Beaujolais, Frankreich(13%). Leuchtendes Rubin. Intensive Nase, Brombeerbrause, krautig, würzig. Im Gaumen straff, fruchtig, frisch, mit guter Struktur, sehr schön integrierten Tanninen, nicht zu herb, sehr knackige Säure. Endet mittellang, steinig-kühl. Ausgewogen, mit Trinkfluss. Gelungen. 17.5 vvPunkte (88/100).
2015, Cote de Brouilly Chateau Thivin Cuvée la Chapelle, Beaujolais, Frankreich (14%). Sehr dunkles Rubin, hohe Viskosität. Verhaltene Nase, wirkt zurückhaltend, dunkelfruchtig, zeigt eine gewisse Tiefe, ist aber noch ziemlich verschlossen. Im Gaumen dicht, kraftvoll, reife, fast schon üppige Frucht, zeigt für einen Gamay sehr viel Druck aber auch etwas wenig Finesse – mehr Power als eleganz – endet angenehm lang, etwas brennend. Ein kräftiger Vertreter, leider nicht top ausgweogen. 17 vvPunkte (85/100).
2012, Moulin a Vent Les Vielles Vignes, Thibault Liger-Belair, Beaujolais, Frankreich (13%). Helle Farbe. In der Nase viel Holz, dahinter eine schöne Würze, rote und dunkle Beeren, Rauch. Im Gaumen straff, mittlerer Körper, die Gerbstoffe markieren, wirken leicht trocknend, das Holz überlagert auch hier die Frucht, die Säure wirkt jedoch gut eingebunden. Im Abgang kurz, leicht trocknend. Schade, etwas weniger Holz und der Spass wäre wohl grösser. 17 vvPunkte (85/100).
2015, Le Mouton Noir, Delphine & Sébastien Boisseau, Beaujolais, Frankreich (13.5%, Macon-Bray). Mittleres Rubin. In der Nase Geranien, wirkt etwas dreckig, reduktiv, hat diesen stinker, den man mögen muss, braucht Zeit. Im Gaumen schlank, frisch, weiche Textur, sehr feines, nicht zu dominantes Tannin, die Säure stimmig, eine rote Kirschfrucht paart sich mit etwas Brombeere, sehr schöne Länge und wunderbare Ausgewogenheit. Unbedingt dekantieren, die Nase entwickelt sich mit mehr Luft ins Positive. 17.5 vvPunkte (89/100).
2014, Morgon, Georges Descombes, Beaujolais, Frankreich (12.5%). Helles Rubin. In der Nase floral, Rosen, Veilchen, auch leicht seifig, würzig, kühl, steinig, ein Hit. Im Gaumen weich, zugänglich, dezent krautig, sehr lebendig, leichtfüssig, tänzerisch frisch, gut struturiert, mehr Finesse als Kraft, dafür so wunderbar ausgewogen und im Abgang von guter Länge. Ein stimmiges Gesamtpaket das ganz einfach so Spass macht. Stilistisch voll auf meiner Linie. 17.5 vvPunkte (89/100).
2014, Bouilly, Georges Descombes, Beaujolais, Frankreich (12.5%). Helles Rubin. In der Nase verhaltener, zeigt mehr dunkle Beeren als der Morgon, einiges an Würzigkeit, dazu auch mineralische Töne, baut aus im Glas. Der Gaumen ist straff, etwas konzentrierter, dennoch weich in der Textur, das Tannin umgarnt die Zunge, die Säure nervt, hält das druckvolle Fruchtbündel frisch und begleitet die Aromen in einen angenehm langen Abgang. Endet würzig wie er in der Nase begonnen hat. 17.5 vvPunkte (89/100).
2017, Parcelle 982 Sélection Nature, Grand Cru, Domaine de la Ville, Waadt, Schweiz (13.4%). Verhaltene Nase, anfangs etwas reduktiv, dunkelfruchtig, mit mehr Luft zeigt der Wein Kräuternoten. Im Gaumen weich, zeigt Schmelz und eine gewisse Fülle, viel reife Frucht, mit Druck, Substanz und viel Charakter, die Gerbstoffe sind fein gewoben, verleihen der Frucht ein enges Korsett. Endet angenehm langanhaltend. Ein schöner Gamay. 17.5 vvPunkte (88/100).
NV, Aux Amis d’une Tranche, Philippe Jambon, Beaujolais, Frankreich (13%). Helles Rubin. In der Nase reduktiv, sehr spezieller Duft, fleischig, rotfruchtig, auch Noten von Lavendel, komplex. Im Gaumen zugänglich, rund im Auftakt, dann wackelt der wein ein wenig, die Säure markiert, die Frucht wirkt reif, fast etwas überreif, eine gute Gerbstoffstruktur stützt. Im Abgang von guter Länge, endet auf dry-aged Meat. Der Name ist Programm. Eigenständig, gewinnt mit Luft stark. 17.5+ vvPunkte (88+/100).
2014, Fleurie au bon Grès, Michel Guignier, Beaujolais, Frankreich (10.7%). Helles Rubin. In der Nase sehr nicht sonderlich komplex, zeigt steinige noten, rote Früchte. Im Gaumen schlank, fast schon karg, hat sehr wenig Körper und für diese mangelnde Fülle etwas gar herbes, teils auch leicht grünes Tannin. Krautig und eher kurz im Abgang. Macht sicher keine Kopfschmerzen, die Freude hält sich hier allerdings auch in Grenzen. 16.5 vvPunkte (84/100).
L’Epaisseur du Moment Présent, Romain des Grotte, Beaujolais, Frankreich. Helles Rubin. In der Nase deutlich flüchtige Säure, Essiggurken, rote Früchte, Johannisbeeren. Im Gaumen schlank, straff, fast schon kitschige Johannisbeerfrucht, dazu aber auch markantes, nicht ganz reifes Tannin. Wirkt unaugewogen und endet auf eine fleischige Note (dry-aged) sowie Heu. Gut gemeint aber leider nicht gut gemacht. Fehlerhafte Flasche? 15.5 vvPunkte (79/100).
Es bleibt mir, Philipp für die Gastfreundschaft und seine Kochkünste zu danken. Es hat Spass gemacht, wenn auch nicht alle Weine restlos überzeugen konnten. Gerne aber wieder und sicherlich heisst es für mich auch dann NICHT Jamais Gamay.
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