Barolo 1990: Eine Horizontale.

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1990 war ein sehr gelungener Jahrgang im Piemont (wie übrigens fast überall in Europa, wie zum Beispiel in Bordeaux, im Burgund und auch der Schweiz). Die Weine boten schon in Ihrer Jugend viel Trinkspass und waren etwas offener, zugänglicher als die eher klassischen, strukturierten 1989er. Doch galt der Jahrgang 1990 schon rasch als einer der Besten seit dem grossartigen 1945er.

Barolo 1990 im Ochsen in Zug (c) vvWine.ch

Kürzlich durfte ich einer wunderbaren Verkostung beiwohnen, welche im Ochsen in Zug stattgefunden hat. Ursprung der Probe war, so erzählte der Organisator einleitend, ein Sommerferien-Aufenthalt in Losone im Jahr 1995. Gleich nach der Schweiz-Italienischen Grenze bei Ponte Tresa gab es damals eine Weinhandlung, die eine ganze Reihe von frisch gefüllten 1990er Barolo Weine verkaufte. Es versteht sich von selbst, dass die Preise seinerzeit noch mehr als anständig waren und es erstaunt entsprechend nicht, dass die kleine Reisegruppe sich den Wagen mit allen möglichen 1990er-Etiketten füllte.

Die enorme Preisentwicklung war am Verkostungsabend dann auch eines der heiss diskutierten Themen, denn der kumulierte Marktwert der Weine, die vom Gastgeber an diesem Abend geöffnet wurden, lassen einem fast den Atem stocken. Zu Recht, oder Unrecht? Dies sollten diese wertvollen Flaschen an diesem Abend unter Beweis stellen.

Sämtliche Korken der 1990er in sehr gutem Zustand (c) vvWine.ch

Verkostet wurde mit Ausnahme des Apéro-Champagners sowie dem Avinierungs- (ein Ciabot Mentin Ginestra 1990 von Clerico) respektive Tischwein (ein 1998er Cannubi Bioschis aus der Magnum) blind und in Dreierserien. Meine Bewertungen sind wie immer Momentaufnahmen.

Zum Einstieg ein Top-Champagner und vier Weissweine.

1999, Salon Cuvée «S» Le Mesnil Blanc de Blancs, Le Mesnil-sur-Oger, Frankreich. Feine, komplexe Nase nach reifem Apfel, Kümmel, dezent Brioche, dazu Kräuter, Guave, herrlich verspielt, wird mit etwas Wärme immer intensiver. Im Gaumen cremig, feine Textur, sehr druckvoll, vollmundig aber gleichzeitig hochelegant, feinste Perlage und top eingebundene Säure. Im Abgang von sehr guter Länge, zeigt eine beeindruckende Harmonie. Jetzt bis 2030+, 19.5 vvPunkte (96/100)

Topfit und mit Reserven für weitere 2 Dekaten: 1999 Champagne Salon «S» (c) vvWine.ch

2009, St. Saphorin «Les Blassinges», P.L. Leyvraz, Chexbres/VD, Schweiz. Offene, feinduftige, auch leicht laktisch anmutende Nase, zeigt weisse Blüten, reifen Apfel und eine wunderbare Mineralik (das kann nur ein herrlicher Chasselas sein, dachte ich mir sofort). Im Gaumen mit feiner Cremigkeit, eher üppig, mit Rubensfigur und einer milden Säure ausgestattet, gereift aber weit weg von müde hält sich der Wein im Abgang angenehm lange. Sehr ausgewogen. Jetzt bis 2025+, 17.5 vvPunkte (89/100).

2011, Meursault, Coche-Dury, Meursault, Frankreich. Leider Kork, keine Bewertung.

Schöne Selektion, leider ein Coche-Dury mit Kork (c) vvWine.ch

2012 Meursalut 1er Cru «Clos des Bouchères Monopole», Domaine Roulot, Meursault, Frankreich. Sehr feinduftige Nase, zeigt eine dezente Petrolnote, eine reife aber nicht überreife Frucht, deutliche Zitrusdüfte, dazu getrocknete Salbeikräuter, etwas Curry, wunderbar komplex. Im Gaumen ungemein feingliedrig, leicht und verspielt, da bin ich Gedanklich bei einem zarten Riesling, wunderbar zugänglich und mit schöner Reife, breitet sich aus, zeigt mehr und mehr Schmelz, bleibt dabei aber gradlinig und dank einem herrlichen Säurenerv sehr frisch. Hochelegant und mit sehr harmonischem Abgang, endet auf weissen Pfirsich und etwas Apfel. Jetzt bis 2025+ geniessen. 19 vvPunkte (94/100)

2011, Gutedel Alte Reben Jaspis 10 hoch 4, Ziereisen, Baden, Deutschland. Tiefe, noble Nase, leicht rauchig, mit reduktiver Note, steinig kühl aber dennoch mit einer reifen Frucht, verspielt, komplex, eigensinnig. Im Gaumen dicht, fleischig, ausgewogen und rund, wirkt vollmundig aber nicht schwer, die fantastische Säurestruktur harmoniert mit der Cremigkeit, das vibriert, zeigt Druck und eine sehr gute Länge im Abgang. Stilistisch voll auf meiner Linie. Jetzt bis 2028+, 18.5 vvPunkte (93/100)

Die verkosteten Weine in Reih und Glied (c) vvWine.ch

Die Barolo-Weine aus dem Jahr 1990.

1990, Barolo Ciabot Mentin Ginestra, Domenico Clerico, Monforte d’Alba, Piemont, Italien. Reifes Granat, etwas Trübstoff. Offene, etwas warm anmutende Nase, rauchig, Teer, verbranntes Holz, dahinter reife Kirschfrucht. Im Gaumen straff, zeigt noch Gerbstoff, eine schön eingebundene Säure, gut strukturiert, rotfruchtig und mit feiner Würze im Abgang, endet mittellang. Trinken bis 2025. 17.5 vvPunkte (89/100)

1990, Barolo Arborina, Elio Altare, La Morra, Piemont, Italien. Kräftiges Rubin-Granat, aufgehellter Rand. Intensive Nase, sehr tief, ungemein feinduftig mit Veilchennoten, Kräutern, reifer, roter Kirschfrucht, auch Süssholz, Lakritze, ein Top-Duft ist das. Im Gaumen rein und klar, mit feiner Textur, gut integriertem, noch immer leicht markierendem Tannin und sehr schöner Säurestruktur, mittlerer Körper, wunderbare Würze im sehr lang im Abgang. Ein Top-Barolo, der noch immer gute Reserven hat. Jetzt bis 2030+ geniessen. 19 vvPunkte (95/100)

(v.l.n.r) Arborina von Altare, Cannubi von Scavino und Bricco Fiasco von Azelia (c) vvWine.ch

1990, Barolo Cannubi, Paolo Scavino, Castiglione Falletto, Piemont, Italien. Bräunliches Granat, sehr reife Farbe. Auch in der Nase sehr reif, wirkt warm, fast etwas kompottartig, zeigt Noten von Kaffee, Tabak, Leder, Pilzen, Kräutern, Kohle. Im Gaumen fleischig, sehr strukturiert, zeigt noch markantes aber auch etwas gar trocknendes Tannin, endet mittellang und wieder leicht trocknend. Schön gereift und mit Komplexität, leider nicht so harmonisch. Austrinken. 18 vvPunkte (90/100)

1990, Barolo Bricco Fiasco, Azelia, Castiglione Falletto, Piemont, Italien. Helles Granat, orangenfarbener Rand. Die Nase ist zum Eintauchen, reife Kirschfrucht, Gewürze, getrocknete Kräuter, Veilchen, Rosen. Im Gaumen weich, zugänglich, rund und mit viel Charme, zeigt noch deutlich Tannin, dieses ist von sehr guter Qualität, die Säure wirkt eher mild, ist bereits gut integriert, der Wein hat viel Charakter, ist präzis, authentisch und durchaus elegant. Braucht etwas zu essen, hat Reserven. Jetzt bis 2028+. 19 vvPunkte (94/100)

Clerico 1990 zum Avinieren, daneben die Erste Serie (c) vvWine.ch

1990, Barolo Riserva Bricco Boschis Vigna San Giuseppe, Cavallotto, Castiglione Falletto, Piemont, Italien. Reife, weit entwickelte Nase, Waldboden, Trüffel, auch deutlich Maggiwürze, Liebstöckel, Bouillon, für Altweinliebhaber durchaus spannend, denn da hat es einiges an Komplexität. Im Gaumen weich, sehr reif, mit abgeschmolzenem, leicht trocknendem Tannin, wirkt etwas gezehrt und nicht 100% harmonisch. Im Abgang jedoch angenehm lang, endet wieder auf Liebstöckel. Zenit überschritten, austrinken.17.5 vvPunkte (89/100)

1990, Barolo Le Vigne, Luciano Sandone, Castiglione Falletto, Piemont, Italien. Mitteres Granat, wirkt noch verhältnismässig jugendlich. Schöne Nase, ungemein tief, nobel, komplex, floral, feinwürzig, verspielt, zeigt rauchige Noten, getrocknete Veilchen, ein wahrer Schnüffelwein. Im Gaumen seidenweich, rund, fast schon kuschelig zugänglich, charmant, mit feinsten Gerbstoffen und einer vibrierenden Säure, was für eine feine Textur, das ist schon ganz hervorragende Qualität, Noblesse, Balance und eine wunderbare Länge. Hat noch Potential. Jetzt bis 2028+ 19 vvPunkte (96/100)

1990, Barolo Bric del Fiasc, Paolo Scavino, Castiglione Falletto, Piemont, Italien. Helles Rubin. Verhaltene Nase, feinduftig, dezent Caramel (Niedelzältli), laktische Töne. Im Gaumen präzis, strukturiert, dicht aber nicht schwer, mittlerer Körper, zeigt eine sehr knackige Frucht, fein gewobene Gerbstoffe, diese tragen die reife, rote Kirschfrucht, der Wein ist top ausgewogen, feingliedrig, lebendig und im Abgang ausgesprochen lang. Ein Hit. 19 vvPunkte (95/100)

Serie 2 mit Top Le Vigne und Bric del Fiasc (c) vvWine.ch

1990, Barolo Cannubi Boschis, Luciano Sandone, Castiglione Falletto, Piemont, Italien. Mitteres Granat sehr schöne, noch jugendliche farbe aber leider – Kork! Keine Bewertung.

1990, Barolo Colonnello, Poderi Aldo Conterno, Monforte d’Alba, Piemont, Italien. Helles Orange-Braun, wirkt sehr reif. Offene, reife Nase, wirkt verhalten, anfangs nicht sehr expressiv, viele getrocknete Blumen, dazu aber auch Bouillon, Pilze, Sherry, wirkt müde – öffnet sich dann aber mit Luft, zeigt Tee, komplex, definitiv alt aber nicht uninteressant. Im Gaumen weich, zugänglich, abgeschmolzenes Tannin, eine gute Säure verleiht noch etwas Struktur, aromatisch mit reifer Pflaume und eingelegten Kirschen, im Abgang mit sehr schöner Länge und einer feinen, malzigen Note. Ein Wein der vor 5-10 Jahren sicher noch besser war, leider etwas über den Zenit aber für Altweinliebhaber durchaus schön zu trinken. 18 vvPunkte (90/100)

1990, Barolo Cascina Francia, Giacomo Conterno, Serralunga d’Alba, Piemont, Italien. Mittleres Granatrot, oranger Rand. In der Nase angenehm, sehr reif, zeigt Weihnachtsgebäck, frisch geraffeltes Süssholz, reife Kirschen, florale Noten, sehr komplex. Im Gaumen weich, feine Textur, noch immer gut strukturiert, mit seidenweichen Gerbstoffen, einer top Säure und noch mit etwas Frucht. Im Abgang mit sehr guter Länge, endet auf Blutorangen. Gefällt mir stilistisch sehr, sehr gut. Trinken bis 2024. 18.5 vvPunkte (93/100)

Sandrone leider mit Kork, die beiden Conterno-Weine weit entwickelt (c) vvWine.ch

1990, Barolo Riserva Granbussia, Poderi Aldo Conterno, Monforte d’Alba, Piemont, Italien. Mittlers Granat, oranger Rand. Verhaltene Nase, nobel, klar, rein, dezent rauchig, dazu Kräuter, reife Kirsche, Leder, Tee, zum Eintauchen. Im Gaumen reichhaltig, vollmundig, warm aber nicht verbrannt, sehr gute Struktur, reifes, noch immer markantes Tannin, dieses aber ohne jegliche Trockenheit, straff, dicht, zeigt enorm viel Druck am mittleren Gaumen und im Abgang eine wunderbare Länge. Hat noch immer gute Reserven. Jetzt bis 2030+ 19 vvPunkte (96/100)

1990, Barolo Riserva Monfortino, Giacomo Conterno, Serralunga d’Alba, Piemont, Italien. Leuchtendes Granat, heller Rand, zeigt noch Glanz, wirkt sehr jugendlich. Eine Nase zum Eintauchen, was für ein herrlicher Duft, da sind getrocknete Kräuter, Schwarztee, Teer, Leder, Veilchen, Gewürze, grossartige Komplexität. Im Gaumen präzis, klar, rein und noch topfit, zeigt enorm viel Druck, eine knackige, sehr konzentrierte Frucht, wirkt noch enorm lebendig, energiegeladen, ist top strukturiert mit markantem, feinmaschigem und perfekt reifem Tannin, baut immer mehr aus, bleibt trotz der Kraft hochelegant. Im Abgang frisch, fast nicht enden wollend, endet auf Würze und Kirschfrucht. Hervorragend, vertikal, präzis und für mich klar WOTN! 19.5 vvPunkte (98/100)

1990, Barolo Riserva Falletto di Serralunga, Bruno Giacosa, Serralunga d’Alba, Piemont, Italien. Sehr reife Farbe, oranger Rand. Auch in der Nase weit entwickelt, da ist viel Maggikraut, Bouillon, Waldboden, Pilze, Leder, Laub, Tee, ungemein komplex, jedoch über den Zenit. Im Gaumen weich im Auftakt, da ist ein sehr schöner Schmelz, wirkt auch hier deutlich gereift, etwas gar gezehrt, hat aber dennoch viel Charme und ist trotz einer gewissen Rubensfülle nicht plump, sondern sehr elegant. Baut mit Luft und Wärme aus, wirkt fast etwas hitzig und endet sehr, sehr lang auf verkohltes Holz und eine reife Frucht. Wäre vor 5-10 Jahren vermutlich schöner gewesen, dennoch ein hervorragender Wein. Austrinken. 19 vvPunkte (94/100)

Ein Top-Trio mit WOTN Monfortino (c) vvWine.ch

1998, Barolo Cannubi Boschis, Luciano Sandone, Castiglione Falletto, Piemont, Italien (Tischwein, aus der Magnum) Leuchtendes Granat, Sehr schöner Glanz. In der Nase reichhaltig, komplex, mit reifer, dunkler Frucht, vielen Gewürzen, auch einer kühlen, mineralischen Note. Im Gaumen straff, dicht, konzentriert, sehr saftig mit noch deutlich Gerbstoff, diese sind von sehr guter Qualität, zeigt mit mehr Wärme eine leicht alkoholische Note, endet würzig und angenehm lang. Jetzt bis 2030+, 18.5 vvPunkte (93/100).

Zum Abschluss, zwei Süssweine.

2005, Riesling Beerenauslese, Wolfer Goldgrube, Vollenweider, Traben-Trarbach, Mosel, Deutschland. Helles Gelb, schöner Glanz. In der Nase Honig, Rosinen, Nüsse, Kräuter, etwas Curry, sehr komplex. Im Auftakt süss, zeigt Cremigkeit, die Säure kontert, verleiht Struktur und Frische, der Wein ist trotz grosser Süsse nicht klebrig sondern ausgewogen. Endet ausgesprochen lang auf Studentenfutter – Nüsse, Mandeln, Dörraprikosen. Herrlich zum Käse. Jetzt bis 2040+, 19 vvPunkte (94/100)

1998, Trittenheimer Apotheke Riesling Trockenbeerenauslese 13, Grans-Fassian, Leiwen, Mosel, Deutschland. Dunkles Gelb, schöner Glanz. In der Nase leider fehlerhaft, dumpf, Kork. Keine Bewertung.

Passend zur Käseplatte: Wolfer Goldgrube Beerenauslese 2005 (c) vvWine.ch

Es bleibt mir an dieser Stelle nocheinmal Danke zu sagen. Danke an die grosszügigen Organisatoren der Probe, Monika und Peter. Danke an Matthias Hegglin für den äusserst feinen Apéro-Champagner von Salon und Danke ans ganze Team des Ochsen in Zug, die uns kulinarisch verwöhnt haben und die Weine perfekt temperiert und ohne jegliche Verwirrungen ins Glas schenkten.

4 Kommentare
  1. Walter Meier
    Walter Meier says:

    Da ist ja dem wie immer äusserst grosszügigen Gastgeber Peter B. erneut ein super Anlass gelungen, auch wenn etwas Kork Pech mit im Spiel war. Aber speziell Peter kann das sicher verschmerzen, war das ja nicht sein einziger Coche-Dury in seinem Keller… Auch der Sieger der Degustation scheint mir mit Monfortino nicht überraschend, überrascht hat mich einzig, dass der Riserva von Bruno Giacosa schon über den Zenit war, trinke ich doch ab und zu Riservas von Giacosa, Barbaresco und Barolo aus den Jahren 1982 und 1985, welche noch absolut auf dem Punkt sind. Dass dann Matthias auch noch einen Salon als Apéro offerierte war natürlich noch das Pünktchen auf dem i, und für mich noch schmerzlicher, infolge Ferien diesen Anlass zu verpassen.

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    • adrian.vanvelsen
      adrian.vanvelsen says:

      Ja, das mit den Korken war natürlich ärgerlich und der Giacosa war wirklich verhältnismässig müde (wenn auch mit Genuss zu trinken). Herzlich, Adrian

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    • adrian.vanvelsen
      adrian.vanvelsen says:

      Ja Ralph, das dachte ich mir auch, aber irgendwo muss man natürlich einen Strich ziehen 🙂 Weinfreundliche Grüsse, Adrian

      Antworten

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