Schweizer Pinot Noir 2015: eine Horizontale.

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Ein im Jahr 2015 geborenes Kind hat Glück. Zumindest dann, wenn Vater, Mutter, Paten oder sonst jemand – natürlich mit entsprechend oenologischem Weitblick – ein paar schöne Rotweinflaschen zur Seite gelegt hat, um diese dereinst, zum Beispiel zum 18. oder 20. Geburtstag und in gegebenem Rahmen, an gedeckter Tafel entkorken zu können.

Mindestens ein solch glückliches Kind kenne ich. Ihr Name ist Salome und sie ist nicht Tochter des Herodias sondern der ganze Stolz von Barbara Graf und Thomas Magyari. Thomas, seines Zeichens Weinfreak, Sommelier und Versicherungsberater, hat eine nicht unbedeutende Anzahl Pinot-Noir Weine für seine Salome zur Seite gelegt und lud, ganz sicher aus rein vorsorglicher Neugier, zum 2015er-Pinot-Noir-Umtrunk. Am Start standen mehrheitlich Weine aus der Schweiz. Diese wurden rund zwei Stunden vor der Verkostung geöffnet, mit Alu-Folie zugedeckt und numeriert, so dass die Degu-Teilnehmer quasi an einem «Blind-Buffet» ohne Vorurteile probieren konnten.

Blind-Buffet: 2015er Pinot Noir ohne Vorurteile (c) vvWine.ch

Der Anlass war mehr Genuss als Arbeit, so dass meine Notizen kurz und knapp ausgefallen sind. Im Kontext der vielen wunderschönen Weine, die wir probieren durften, möchte ich die Notizen meinen Lesern dennoch nicht vorenthalten.

Der Auftakt machte ein Schaumwein von Donatsch. Der Cremant zeigte sich zugänglich. Intensive Nase nach Hefe, Apfel, dann auch leicht käsige Noten und feuchtes Holz. Im Gaumen straff, dicht und kraftvoll, reife Frucht, sehr schöne Säure, dazu süsslicher Schmelz. Im Abgang etwas behäbig und mit Zuckerschwänzchen. 17.5 vvPunkte (88/100).

Ein weiteres Highlight: Graf Zeppelin von der Domaine Grillette aus Neuchâtel (c) vvWine.ch

2015, Kloster Sion Reserve, Weingut zum Sternen, Aargau, Schweiz. Offene Nase, relativ holzbetont, rotfruchtig, rauchig. Im Auftakt kraftvoll und füllig, reife Frucht, feines Tannin, dazu auch einige Holztannine, warm anmutend, deutliche Barrique-Note, Speck, Vanille dahinter Erdbeeren, Kirschen. Sehr gute Qualität, etwas breit in der Stilistik. 18 vvPunkte (90/100).

2015, No3, Schlossgut Bachtobel, Thurgau, Schweiz. Rauchige Nase, sehr holzbetont, dunkelfruchtig, Pflaumen, Kirschen, würzige Noten, Räucherspeck. Im Auftakt straff, gut strukturiert, dicht aber nicht schwer, sehr feines Tannin, das Holz wunderbar eingebunden, zeigt Muskeln und eine saftige, dunkle Frucht, endet sehr lang und ungemein saftig. 18.5 vvPunkte (92/100)

2015, Grimbart Pinot Noir, Herterwein, AOC Zürich, Schweiz. Oxidierte Nase, portig, dunkelfruchtig. Am Gaumen süss, fast schon klebrig, unausgewogen, keinerlei Sortentypizität. Ein sehr schwacher Wein. Flaschenfehler? Keine Bewertung.

Pinot Noir 2015 mit viel Tiefgang (c) vvWine.ch

2015, Pinot Noir, Weingut Pircher, Eglisau, Zürich, Schweiz. Tiefe Nase, Kräuter, rote und dunkle Beeren, kühl anmutend. Im Auftakt frisch, sehr saftig, strukturiert, klar und rein, sehr reife aber nicht überreife Frucht, präzises Tannin, sehr gut eingebundene Säure, das ist ausgewogen und stimmig, das Holz perfekt integriert. Im Abgang angenehm lang, stilistisch auf meiner Linie. 18.5+ vvPunkte (92+/100)

2015, Pinot Noir Passion, Weingut Donatsch, Malans, Graubünden, Schweiz. Angenehm tiefe Nase, kühl anmutend, dezent würzig, Sauerkirsche. Im Auftakt schlank, mittlerer Körper, dezent krautig anmutend, feines Tannin, ausgesprochen frisch und sehr elegant, das Holz sehr gut dosiert, die Säure stimmt. Nicht gross aber wunderbar ausgewogen. 18 vvPunkte (90/100)

2015, Pinot noir Réserve Graf Zeppelin, Domaine Grillette, Neuchâtel, Schweiz. Tiefe, deutliche Kalk-Nase, was für ein Terroir-Duft, das muss Neuchâtel sein, dunkle Kirsche, etwas kühler Rauch. Sehr fruchtbetonter Auftakt, ungemein rein und klar, saftige Frucht, feinste Gerbstoffe, top Säure, strukturiert, mit Körper und Kraft aber gleichzeitig viel Eleganz. Das macht Spass, kann reifen. 18.5+ vvPunkte (93+/100)

Die Bündner-Fraktion hat ihre Qualität bewiesen (c) vvWine.ch

2015, Pinot Noir Eichenholz, Weingut Eichenholz Irene Grünenfelder, Jenins, Graubünden, Schweiz. Offene Nase, wirkt leicht parfümiert, florale Noten, Kirschen, etwas Rauch, verspielt und komplex. Im Auftakt frisch und saftig, mittlerer Körper, nicht sonderlich konzentriert aber ungemein frisch und mit schön integriertem Holz, sehr gute Säue, lebhaft und ausgewogen, im Abgang mit schöner Länge. 18 vvPunkte (90/100)

2015, Pilgrim, Weingut Möhr-Niggli, Maienfeld, Graubünden, Schweiz. Sehr rauchig, speckig und aromatisch mit dunklen und roten Beeren, wirkt noch etwas verhalten, zeigt eine sehr gute Tiefe. Im Auftakt weich, sehr schöne Frucht, präzise Gerbstoffe, strukturiert und mit einer guten Balance von knackiger Frucht und wohl dosiertem Holz, die Säure ist wunderbar eingebunden, verleiht Frische, dazu kommen würzige Noten. Im Abgang sehr lang und mit herrlicher Retroaromatik. Gefällt mir sehr gut. 18.5 vvPunkte (92/100)

2015, Monolith, Weingut zur Sonne, Francisca und Christian Obrecht, Malans, Graubünden, Schweiz. Offene Nase, deutlich Cassis, die Barrique-Noten noch etwas sehr prominent, doch das dürfte sich einbinden. Im Auftakt weich und zugänglich, mittlerer Körper, wirkt etwas mollig aber nicht behäbig, reife Frucht, sehr feine Gerbstoffe, das Holz ist am Gaumen top eingebunden, die Säure ist markant, hält den Wein frisch. Im Abgang sehr langanhaltend. Gefällt mir sehr gut, kann reifen. 18.5 vvPunkte (92/100)

An diesem wunderschönen Frühherbst-Abend stand der Genuss im Mittelpunkt, daher sind meine Notizen sehr kurz geraten (c) vvWine.ch

2015, Pinot Noir, Studach, Malans, Graubünden, Schweiz. Tiefe Nase, nobel, kräuterig, steinig, komplex, sehr kühl anmutend. Im Gaumen zugänglich, frisch, sehr schöne Frucht, eher leichter Körper, wirkt schlank, dann zeigt der Wein seine Zähne, markante, feine Gerbstoffe, das Holz ist perfekt eingebunden, hallt würzig, rotfruchtig nach. Gefällt mir ausgesprochen gut in seiner fast etwas bescheidenen aber eleganten Art. Dieser Wein hat ungemein viel Trinkfluss. 18 vvPunkte (90/100)

2015, Pinot Noir „Unique“, Weingut Donatsch, Malans, Graubünden, Schweiz. Verhaltene Nase, wirkt kühl und krautig, öffnet sich mit Luft immer mehr, wird wärmer, sehr schön eingebundenes Holz, sehr gute Komplexität. Im Auftakt weich und zugänglich fruchtbetont, wirkt einerseits warm und rund, dann aber auch etwas gar gemacht, mittlerer Körper, sehr gute Struktur. Im Abgang von sehr guter Länge. Da kommt vielleicht noch mehr. 18+ vvPunkte (91+/100)

2015, Pinot Noir, Gantenbein, Fläsch, Graubünden, Schweiz. Sehr holzbetonte Nase, ich tippe auf Gantenbein, rotfruchtig, Kräuter, Würze, Sauerkirschen, verführerisch, modern anmutend. Im Auftakt weich, zugänglich, mittlerer Körper, sehr feine Gerbstoffe, feine Textur, das Holz auch hier markant aber besser eingebunden als die Nase vermuten lässt, noch jung, und etwas verhalten, wirkt fast etwas harmlos. Kann mit Reife noch zulegen. 18+ vvPunkte (91+/100)

Der New-World Wine war leicht zu erkennen (c) vvWine.ch

2015, Pinot noir, Hamilton Russell Vineyards, Südafrika. Sehr New World in der Nase, viel Minze, dunkle Kirsche, medizinale Noten, zeigt Komplexität aber wenig Pinot Noir Typizität. Im Gaumen füllig, dicht mit warmer Frucht, markante, feine Tannine, sehr gut strukturiert, im Stil warm anmutend, aber in sich ausgewogen. Nicht mein Stil, technisch jedoch sehr gut. 18.5 vvPunkte (92/100)

2015, Pinot Noir Alte Rebe, Weingut Huber, Malterdingen, Baden, Deutschland. Offene Nase, erinnert an einen Deutschen Pinot Noir, strahlt etwas Kühles aus, zeigt würzige Noten, Stein und Kirschen. Im Gaumen straff, saftig und frisch, sehr schöne Frucht, dazu viel Würze, klar wie ein Bergbach und doch mit einer gewissen Fülle. Nicht super-komplex aber sehr ausgewogen. Endet kurz aber stimmig. 17.5 vvPunkte (89/100).

2015, Emotion, Weingut Keller Weinbau Waltalingen, Zürich, Schweiz. Cassis, Cassis, Cassis, süsser Gaumen, füllig, wenig Struktur. Enttäuschend. Keine Benotung.

Einige meiner Highlights: Pinot Noir „B“ Rosenau, Alte Rebe von Broger und Chlosterberg vom Winzerkeller Strasser (c) vvWine.ch

2015, Pinot Noir, Pilgersberg, Zum goldenen Ring, Kai Müller, Rheinhessen, Deutschland. Sehr speziell anmutende Nase, krautig, kühl, viel Sauerkirsche, dazu dezent würzig, spannend, verspielt. Im Gaumen saftig und frisch, sehr knackig, elegant und gut strukturiert, gefällt mir ausgesprochen gut, endet langanhaltend und saftig. 18 vvPunkte (91/100)

2015, Pinot Noir „B“ Rosenau ,Weingut Ottiger, Kastanienbaum, Luzern, Schweiz. Sehr schöne Nase, tief, rauchig, wunderbar eingebundenes Holz, darüber Kräuter, dazu Waldbeeren, rote Beeren, Kirschen, sehr komplex. Im Gaumen vollmundig, strukturiert, dicht aber nicht schwer, fein gewobene Tannine, sehr schöne Säure, ausgewogen, präzis und mit herrlichem Finish, endet frisch und würzig. Ein herrlicher Pinot. 18.5 vvPunkte (93/100)

2015, Pinot Noir Alte Rebe, Weingut Broger, Ottoberg, Thurgau, Schweiz. Intensive Nase, deutlich Holz, Tabak, auch reife Beeren, Stroh, tief und komplex. Im Gaumen dicht und vollmundig, sehr füllig aber nicht schwer, die Gerbstoffe seidenweich, fein gewoben, eine dezente Süsse schwingt mit, der Wein ist sehr gut strukturiert und endet ausgesprochen lang. Das kann, muss etwas reifen, kann dann sogar noch zulegen. 18.5+ vvPunkte (93+/100)

Herrliche Abendstimmung während der Verkostung (c) vvWine.ch

2015, Pinot Noir Unter der Linde, Weingut zur Linde, Linn, Aargau, Schweiz. Rauchig und tief, sehr reife, dunkle Frucht dazu würzige Noten, Veilchen, das Holz markant aber sehr sauber. Im Gaumen füllig und wuchtig, sehr feine Gerbstoffe, gut eingebundene Säure, das Holz markant aber top eingebunden, strukturiert, ausgewogen, der Wein zeigt viel Kirschfrucht, dazu Waldbeeren, zieht sich im langen Abgang wunderbar hin, endet auf Blutorangen. 18.5+ vvPunkte (93+/100)

2015, Pinot Noir Chlosterberg, Winzerkeller Strasser, Uhwiesen, Zürich, Schweiz. Was für eine schöne Nase, tief, rauchig, klar,burgundisch anmutend, ungemein frisch, mit Kirschen, Johannisbeeren, Orangen, Kräutern. Im Auftakt dicht und sehr strukturiert, das ist saftig, zeigt enorm viel Energie, die Tannine sind markant, fein gewoben, eine knackige Säure stützt das Fruchtpaket, das Holz ist kaum wahrnehmbar, perfekt verwoben. Im Abgang von sehr guter Länge, endet dunkelfruchtig und zeigt enorm viel Trinkfluss. Ein Hit, wird mit mehr reife sein volles Potential ausspielen. 19 vvPukte (94/100).

2015, Spätburgunder, Shelter Winery, Baden, Deutschland. Würzige Nase, feinduftig, verspielt. Kirschen, Blutorangen auch Erdbeeren. Im Auftakt klar und rein, sehr weich, frisch und würzig, mit mittlerem Körper und einer guten Struktur. Im Abgang von schöner Länge, endet auf eine dezente Bitternote. Ein Wein mit Charakter und viel Trinkfluss. 18 vvPunkte (90/100).

Pinot Noir aus der Schweiz ist nicht nur Graubünden (c) vvWine.ch

Nach dieser wunderschönen 2015er-Runde und nach insgesamt mehreren Hundert anderen verkosteten Rotweinen aus dem Jahr 2015 wage ich zu behaupten, dass im Jahr 2015 in den allermeisten Gegenden Europas wunderschöne Weine entstanden sind. Diese bieten nicht nur in ihrer Jugend viel Trinkspass, sondern haben alles, um ein oder zwei Jahrzehnte gemächlich vor sich hinzureifen. Egal ob in Bordeaux oder im Burgund, im Piemont oder in der Toskana, in Deutschland oder Österreich oder eben auch in der Schweiz: die Tannin-Qualitäten sind mehrheitlich sehr gut bis ausgezeichnet und viele Winzer haben es trotz reichlich Sonne geschafft, zu tiefe Säurewerte in ihren 2015er-Weinen zu verhindern.

Der Gastgeber Thomas Magyari mit einer eindrücklichen 2015er-Horizontalen (c) vvWine.ch

Es ist noch nicht zu spät. Noch immer sind diverse 2015er-Weine auf dem Markt erhältlich. Das will jetzt nicht heissen, dass alle heute noch erhältlichen Pinots für 10 bis 20 Jahre Lagerung geeignet sind, aber ich bin sicher, jeder wird noch einen schönen Schweizer Pinot auftreiben können, idealerweise sogar in einer Magnum-Flasche.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Barbara Graf und Thomas Magyari für diesen gelungenen Wein-Event!

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