Weingut Abril: aufstrebender Betrieb am Kaiserstuhl.
Weine vom Weingut Abril, Kaiserstuhl (c) vvWine.ch |
Ja, es war ein Fehler. Ein grosser Fehler sogar. Eine Fahrt in Richtung Europapark, am Freitag nach Auffahrt. Wir hätten es wissen müssen, das kann nur schief laufen. Und doch versuchten wir es, wollten das Vorhersehbare nicht wahrhaben. Der Verkehr kollabierte, nichts ging mehr. Also machten wir rechts umkehrt und planten statt wilde Bahnen und schreiende Kinder ein gemütliches Mittagessen im Restaurant zum Kaiserstuhl in Niederrotweil am Kaiserstuhl.
Doch manchmal lohnt es sich, Fehler zu machen. Es blieb uns etwas Zeit zwischen der Europapark-Kehrtwende und dem geplanten Mittagessen und so bogen wir kurz vor Niederrotweil spontan links ab, um noch ein paar Schritte durch die wunderschönen Rebanlagen des Kaiserstuhls zu machen. Diese liegen auf wunderschönen Terrassenlagen welche teils über Vulkan-, teils Lössböden verfügen und so ein Terroir bilden, das sowohl fruchtbetonte als auch mineralische Weine hervorbringen kann.
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Die Reben gehörten zum Weingut Abril, von welchem ich bisher noch nie etwas gehört hatte. Das Weingut, welches für seine moderne, sehr gut in die Landschaft integrierte Architektur schon einen Architekturpreis gewonnen hat, wird seit kurzem von einem jungen, dreiköpfigen Führungsteam geleitet. Weingutsleiterin ist die gelernte Sommelière Eva-Maria Köpfer, welche uns freundlich begrüsste. Unterstütz wird sie vom Aussenbetriebsleiter Sebastian Faber sowie vom Kellermeister Daniel Hank.
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Das Weingut Abril arbeitet biologisch und ist Ecovin-Zertifiziert. Im Fokus stehen die Burgunder-Rebsorten die bereits heute sehr sortentypische Weine hervorbringen und zukünftig noch mehr vom Terroir geprägt werden sollen, so das erklärte Ziel des ambitiösen Dreiergespanns.
Weingutsleiterin vom Weingut Abril: die gelernte Sommelière Eva-Maria Köpfer (c) vvWine.ch |
Die Weine vom Weingut Abril sind – marketing-technisch sehr clever – in drei Klassen unterteilt. Die erste Qualitäts-Stufe nennt sich „Frucht“ und – wie es der Name sagt, handelt es sich dabei um fruchtbetonte, jung zugängliche und äusserst preiswerte Weine, die nicht lange lagern müssen. Die zweite Stufe nennt sich „Stein“. Stein-Weine sind deutlich mehr vom Terroir geprägt, zeigen mehr Tiefe und Komplexität, sind in ihrer Jugend möglicherweise etwas verschlossener, wollen entdeckt werden. Die oberste Stufe nennt sich „Zeit“. Auch hier ist der Name Programm: es sind Weine zum Weglegen, im Keller vergessen, Lagerweine, welche heute noch stark vom Holz geprägt sind und erst in einigen Jahren ihre wahre Schönheit zeigen werden.
Die Weinpalette des rund 20 Hektar grossen Weingutes mit rund 140 Tsd. Flaschen Jahresproduktion ist relativ gross. Aktuell sind knapp 30 verschiedene Weine, dazu Brände und sogar ein natives Olivenöl erhältlich, welches allerdings als einziges Produkt nicht aus Baden sondern aus Sizilien stammt. Aus Zeitgründen präsentierte uns Eva-Maria Köpfer einen von ihr zusammengestellten Querschnitt durchs Programm.
Die nachfolgenden Verkostungsnotizen sind wie immer Momentaufnahmen welche im modernen, sehr grosszügig gestalteten Verkostungsraum entstanden sind.
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2015, Weingut Abril, Müller Thurgau, Linie Frucht, Baden, Kaiserstuhl: Helles Gelb, strahlender Glanz. Offene, feinduftige Nase, Holunderblüten, grüner Apfel, weisse Früchte, dezent Muskatnuss, gute Komplexität. Am Gaumen weich im Auftakt, sehr feine Frucht, die Säure verspielt, stützt den Wein sehr gut, dazu eine feine Würze. Im Abgang elegant, trocken und mit schöner Länge, endet auf eine ganz dezente Bitternote. Ein sehr stimmiger, saftig-frischer Müller Thurgau. Jetzt bis 2019, 17 vvPunkte, (86/100)
2015, Weingut Abril, Auxerois, Linie Frucht, Baden, Kaiserstuhl: Helles Gelb, schöner Glanz. Anfangs eher dezente Nase, zeigt etwas Grapefruit, exotische Früchte, Anflüge von getrockneten Gräsern, dazu auch florale Noten, gute Komplexität. Am Gaumen straffer Auftakt, da ist eine sehr knackige Frucht, äusserst gradlinig, frisch und mit sehr guter Säure, das ist wunderbar knackig und verspielt. Der Wein endet saftig und frisch, bietet sehr guten Trinkspass. Perfekt für die Gastonomie. Jetzt bis 2020, 17.5 vvPunkte, (88/100)
2015, Weingut Abril, Weisser Burgunder, Linie Frucht, Baden, Kaiserstuhl: sehr helles Gelb, fast transparenter Rand. Die nase floral, feinduftig, mit Anflügen von Limetten, Lindenblüten, verspielt und mit guter Komplexität. Der Gaumen ist gradlinig und frisch, die Frucht ist sehr zart, die Säure ungemein saftig, wieder mit Aromen von Limetten sowie grünem Apfel, präzis und mit einer feinen Salzigkeit am mittleren Gaumen. Das ist ein sehr delikates Produkt, endet angenehm lang mit einer Zitronennote. Jetzt bis 2020. Ideal zu einem dezent gewürzten Kabeljaurücken. 17.5 vvPunkte, (88/100)
2015, Weingut Abril, Blauer Sylvaner, Linie Frucht, Baden, Kaiserstuhl: sehr helles Gelb. Die Nase mit feinen Wiesenblüten, auch Kastanienblüten und ein Hauch Kräuter, angenehm tief, gute Komplexität. Am Gaumen weich im Auftakt, da ist eine angenehme Krautigkeit im Spiel, dazu viele Holunderaromen, weisse Johannisbeeren, frisch, saftig und mit angenehm langem Abgang. Eine Spezialität, welche es am Kaiserstuhl nur beim Weingut Abril gibt. Spannend, vor allem auch für die Gastronomie. Jetzt bis 2021, 17.5 vvPunkte, (89/100)
2015, Weingut Abril, Rosé, Linie Frucht, Baden, Kaiserstuhl: helles Lachsrosa. Die Nase tief und sehr Pinot Noir, das ist nicht einer dieser pinken, kitschigen Terrassen-Rosés, nein, hier sind wuderbare Düfte von Himbeeren, Hagebutte, Johannisbeeren sowie fein-florale, an getrocknete Rosen erinnernde Noten, sehr gute Komplexität. Am Gaumen weich und zugänglich, man merkt das warme Jahr, hier ist einiges an Fleisch am Knochen, eine cremige Fruchtsüsse wird von einer guten Säure in Schach gehalten, präzis, klar, frisch und am Mittleren Gaumen mit einer dezenten Bitternote. Das ist ein sensationeller Rosé, und für Euro 8.50 ein uneingeschränkter Kauftipp. Jetzt bis 2018 – und ja: Rosé macht nicht nur im Sommer Spass… 17.5 vvPunkte, (89/100)
2015, Weingut Abril, Scheurebe, Baden, Kaiserstuhl: helles Gelb, leicht prickelnd. Die Nase explosiv, sehr aromatisch, hier zeigt sich die Aromasorte, da ist ein Duft der mich an einen Sauvigon-Blanc erinnert, Katzenpipi, grasige Noten, gute Komplexität. Am Gaumen sehr fruchtbetont, hier sind einiges an Gletscherzältli, eine knackige Frucht sowie eine feine Würze. Harmonisch, mit guter Komplexität und einem kurzen aber stimmigen Abgang. Jetzt bis 2018, 17 vvPunkte, (86/100)
2013, Abril, Enselberg Weisser Burgunder, Linie Stein, Baden, Kaiserstuhl: mittleres Gelb, sehr schöner Glanz. Expressive Nase, sehr duftig, floral, Zitronengras, dezent Anflüge von Holz, wunderbar würzig, verspielt und sehr komplex. Am Gaumen weich beginnend, das Holz ist sehr präsent, hier tanzen Birnen mit Zitronen auf einem Holzparkett, einiges an Kraft und Cremigkeit sind hier im Spiel, doch ist der wein auch ungemein saftig und frisch, auf jeden Fall nie schwer. Mit etwas weniger Holz wäre dieser Wein noch schöner. Jetzt bis 2021, 17.5 vvPunkte, (89/100)
2013, Abril, Enselberg, Reserve Charonnay, Linie Zeit, Baden, Kaiserstuhl: mittleres Gelb, sehr schöner Glanz. Kräftige Nase, deutlich vom Barrique geprägt, dezent Vanille dazu ein ganzer Korb von exotischen Früchten, Zitrone sowie ein Hauch Banane, sehr schöne Komplxität. Am Gaumen kraftvoll und mit viel Druck, der Wein ist sehr saftig, mit reifer aber doch frischer Frucht, das Holz hier am Gaumen besser integriert, hier passt alles zusammen. Sehr schöne Säurestruktur, und mit einem würzigen, sehr langen Abgang. Ein sehr guter Chardonnay der noch etwas reifen darf. 2017-bis 2022, 18 vvPunkte, (91/100)
2013, Abril, Magmatit Spätburgunder, Linie Stein, Baden, Kaiserstuhl: mittlers Rubin, leicht aufgehellter Rand. Die Nase kräftig und sehr würzig mit Aronem von getrocknetem Oregano und Zitronenthymian, dazu Rauch, Leder, und reife, rotfruchtige Aromen die an Sauerkirschen erinnern, dazu aber auch Anflüge von dunkler Frucht. Am Gaumen weich und mit viel Kraft, da ist eine wunderbare Pinot-Frucht, gradlinig und frisch, mit saftiger Säure und feinem Tannin. Das Holz (relativ neue, grosse Holzfässer) ist wahrnehmbar aber sehr gut integriert. Das ist schon ein grossartiger Pinot, der es mit manchem Herrschäftler aufnehmen kann. Jetzt bis 2024, 18 vvPunkte, (91/100)
2012, Abril, Enselberg, Reserve Pinot Noir, Linie Zeit, Baden, Kaiserstuhl: kräftiges Rubin, schöner Glanz. Die Nase offen, sehr duftig und intensiv, hier sind einiges an Röstnoten vom Barrique wahrzunehmen, da ist aber auch eine sehr schöne Tiefe, mit dunklen Beeren, Kirschen, Rauch und Vanille-Aromen, dazu Weihnachtsgewürze, Leder, sehr gute Komplexität. Am Gaumen kraftvoll und mit viel Druck beginnend, das Holz ist hier etwas weniger präsent als in der Nase doch nach wie vor sehr markant, da ist aber auch eine sehr saftige Frucht und eine spannende Würze.. Der Wein hat einiges an Struktur und feine, reife Gerbstoffe, die Säure ist sehr gut integriert, keinerlei Alkoholüberhang. Ein eher breitschultriger Spitzen-Pinot für Leute, die mit Barrique-Weinen umgehen können. Für meinen Gusto am oberen Limit was Extraktion und Holzeinsatz angeht. Doch davon möchte ich trotzdem was im Keller haben um zu verfolgen, was die Zeit bring. Der Wein hat definitiv Reserven. Jetzt bis 2026, 18.5 vvPunkte, (92/100)
Für mich ist klar: dies ist ein Weingut, das es zu beobachten gilt, denn hier sind drei sehr talentierte Jungwinzer am Hebel, welche mit viel Energie, Motivation und Passion ein Vorzeige-Weingut dieser wunderbaren Region schaffen möchten.
Dass man dabei manchmal etwas zu viel will, zeigen die Lagerweine der Linie Zeit. Vor allem der Spätburgunder ist mir – das kommt im Verkostungstext deutlich heraus – zu holzlastig. Eva-Maria Köpfer’s Erklärung dafür ist ebenso einleuchtend wie ehrlich: „Der Kellermeister hatte in diesem Fall schlicht keine Wahl, denn es gab nach dem Neubau der Kelleranlagen nur neue Fässer“. Ich bin mir aber sicher, dass mit den nächsten Jahrgängen der Holzeinsatz präziser werden wird, denn das erklärte Ziel von Eva-Maria Köpfer ist klar: „Wir wollen die Einzigartigkeit unserer hervorragenden Reblagen noch mehr in unsere Weine transportieren“.
Die französischen Burgunder-Weine sind dafür perfekte Vorbilder. Holz soll einen Wein nie dominieren sondern lediglich stützen. Wenn auf dem Weingut Abril in den nächsten Jahren mit neuen und gebrauchten Fässern gespielt werden kann, steht auch finessenreichen, terroirgeprägten „Zeit-Weinen“ nichts mehr im Wege. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch, bei welchem ich plane, die Fassmuster 2015 sowie weitere Weinperlen zu verkosten.
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