Castello di Querceto: Symbiose aus Tradition und Modernität

Castello di Querceto (c) Castello di Querceto

Querceto (Bosco di querce) bedeutet Eichenwald. Passend dazu steht das Castello di Querceto mitten in einem sehr waldigen Tal in der Nähe von Greve in Chianti. Bei unserer Ankunft an einem sonnigen Sonntag Nachmittag herrscht eine grosse, fast mystische Stille. Einzig ein paar weisse Pfauen brechen ab und an mit intensiven Lauten die Ruhe.

Alessandro François – Besitzer und Präsident von Castello di Querceto – empfängt uns an diesem Sonntag. Er zeigt uns das Zimmer im dazugehörenden Agriturismo, unweit vom Hauptgebäude, in Mitten von Sangiovese Reben gelegen, wo wir für eine Nacht residieren dürfen. Müde von der Reise und mit einer anständigen Portion Hunger im Bauch verabreden wir uns für den Montag Morgen, 9h zur Degustation.

Ein weisser Pfau begrüsst uns auch am Montag Morgen auf Castello di Querceto (c) vvWine.ch

Alessandro François erzählt: das traditionsreiche Weingut gehört zu den mittelgrossen Betrieben der Region und ist seit vielen Generationen im Besitz der Familie François. Heute führen nicht weniger als sieben verschiedenen Familienmitglieder den Betrieb.

Castello di Querceto verfügt über 200 Hektar Land, ein Grossteil davon ist allerdings Wald. Stolze 60 Hektar sind aber mit Reben bepflanzt, wobei die Sorte Sangiovese die ganz grosse Mehrheit ausmacht und auf unterschiedlichsten Parzellen spannende Terroir-Weine ergibt. Auf einem kleinen Teil des Anwesens wachsen zudem internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Syrah und Petit Verdot, die zu verschiedenen Anteilen in IGT resp. Super Tuscan-Weine einfliessen. Schliesslich gedeihen auf rund 6 Hektar des Landes Olivenbäume, welche zur Olivenölproduktion genutzt werden.

Qualität wird auf Castello di Querceto seit Generationen gross geschrieben. Der Grossvater von Alessandro François war seinerzeit im Jahre 1924 eines der 33 Gründungsmitglieder des Consorzio welches vor knapp 100 Jahren den Qualitätsweinbau im Chianti Classico begründet hat. Als kleine Randbemerkung ist zu erwähnen, dass seine „Nonna“ (= Grossmutter) die Consorzio-Dokumente unterschreiben musste, da sie offizielle Eigentümerin von Castello di Querceto war. Ihre Unterschrift ist neben 32 Unterschriften von Männern die einzige weibliche auf dem Consorzio-Dokument…

Die ganze Produktepalette von Castello di Querceto, (c) vvWine.ch

Doch zurück zum Wein. Ich wurde im Frühling 2016 auf Castello di Querceto aufmerksam, als ich einige Weine im Rahmen der Gran Selezione Präsentation in Zürich verkosten konnte (Notizen dazu findet man hier). Der klassische Stil der Weine sprach mich an und so nutzen wir unseren kurzen Abstecher in die Toskana für einen Besuch.

Alessandro François präsentiert uns an diesem Morgen einen spannenden Querschnitt durch die Produktion seines Weingutes. Nachfolgend meine Momentaufnahmen…

2014, Castello di Querceto, Chianti Classico: mittleres Bordeauxrot, schöner Glanz. Die Nase kühl, floral, mit Noten von Veilchen, sehr feinduftig und mit schöner Komplexität. Am Gaumen mit roter Frucht beginnend, wieder frisch, eher leichter Körper, feine Gerbstoffe, angenehme Säure. Dieser Wein ist sehr sortentypisch, knackig und ist ein idealer, unkomplizierter aber nicht weniger qualitativer Essbegleiter. Ein sehr schöner Chianti, jetzt bis 2023, 17 vvPunkte, (88/100)

2013, Castello di Querceto, Chianti Classico Riserva: mittleres Bordeauxrot, leicht aufgehellter Rand. In der Nase tief, feinduftig, floral und sehr komplex – offener als kürzlich der 2012er – da sind wieder Noten von Veilchen, Rauch, auch ein Hauch Schwarztee, das Holz wahrnehmbar aber nicht zu dominant. Am Gaumen weich beginnend, dann rasch straff werdend, sehr schöne Balance, dunkle rund rote Beerenfrucht, feine Gerbstoffe, die Säure perfekt integriert, der Wein hat Charakter und ist frisch und saftig, im Abgang mit wunderbarer Länge, endet auf Blutorangen. Jetzt bis 2026, 18 vvPunkte, (90/100)

2012, Castello di Querceto, Il Picchio (Chianti Classico, Gran Selezione): dichtes Bordeauxrot, am Rand etwas aufgehellt. Die Nase ist tief und angenehm komplex, da sind Aromen dunklen Kirschen, dann auch Leder, Teer und ein Anflug von Schwarztee, sehr schöne Komplexität. Der Gaumen beginnt weich, dann wird der Wein kraftvoll und straff, da sind Massen an dunklen Beeren, auch getrocknete Blumen, Gräser, sehr feine Gerbstoffe, solide Struktur, hier ist viel Schmelz und eine feine Mineralik, die mitschwingt, sehr frisch und äusserst elegant. Der Wein gefällt mir noch besser als bei der Gran Selezione-Verkostung vor einigen Wochen in Zürich. Jetzt bis 2030, 18+ vvPunkte, (91+/100)

2010, Castello di Querceto La Corte (Chianti Classico, Gran Selezione): rubinrot, schöner Glanz. In der Nase sehr floral, verspielt und mit einer wunderbaren Tiefe, da sind rote Früchte, Brombeeren, auch erdige Aromen, sehr schöne Komplexit. Am Gaumen fleischig und kraftvoll im Auftakt, das ist dichter als Il Picchio, mit deutlich mehr Konzentration, kraftvoll, mit sehr feinen, reifen Gebstoffen, der Wein braucht Zeit sich zu entwickeln, verändert sich ständig, Im Abgang langanhaltend, endet finessenreich und stimmig auf florale Noten. Jetzt bis 2030, 18.5+ vvPunkte, (92+/100)

Alessandro François bereitet die Muster von Castello di Querceto für die Verkostung von vvWine vor, (c) vvWine.ch

2009, Castello di Querceto, Il Querciolaia (IGT Colli della Toscana Centrale, 65% Sangiovese, 35% Cabernet Sauvignon): dichtes Bordeauxrot, schöner Glanz. Die nase ist offen, zugänglich sehr duftig, intensive Noten von Rauch und Waldbeeren, dazu Leder, Tee, sehr komplex. Am Gaumen weich beginnend, dann zeigt der Wein die Zähne, da ist einiges an Struktur im Spiel, deutlich Gerbstoff, sehr schöne, satte Frucht, die Säure hält den Wein gleichzeitig frisch, da ist keinerlei Klebrigkeit, trotz viel Dichte sehr präzis und ungemein saftig mit einer sensationellen Tanninqualität und einem feinwürzigen, sehr langen Abgang. Jetzt (dekantieren) bis 2032+, 19 vvPunkte, (94/100)

2010, Castello di Querceto, Cignale, (IGT Colli della Toscana Centrale, Cabernet Sauvignon 90%, Merlot 10%). Sehr dichtes Bordeauxrot, jugendlicher Glanz. In der Nase leicht krautig anmutend, dann schöner Duft nach wilden Beeren sowie schwarzen Johannisbeeren, wunderbar würzig und mit sehr guter Komplexität. Sehr straff im Auftakt, da ist eine grosse Dichte, sehr präzis und gradlinig mit Massen an Gerbstoffen, die Säure ist frisch, dank relativ hoher Lage (die Reben sind auf ca. 500 Meter über Meer) keinerlei Überreife. Das ist ein sehr gut strukturierter Wein mit einer unglaublich knackigen Frucht, wunderbar ausgewogen, da passt alles zusammen. Der Wein braucht noch sicherlich 5 Jahre Reife, dürfte dann sein ideals Genussfenster erreicht haben und dieses lange halten. 2020-2035+, 19 vvPunkte, (94/100)

2009, Castello di Querceto,  Il sole di Alessandro,  (IGT Colli della Toscana Centrale, Cabernet Sauvignon 100%): sehr dichtes Bordeauxrot, schöner Glanz. Die Nase gleich nach dem Öffnen wunderbar zugänglich und doch mit viel Tiefe, da sind Aromen von Eukalyptus, Leder, schwarzen Johannisbeeren und schwarzen Oliven. Am Gaumen weich, fast harmlos beginnend, wunderbar reife, dunkelbeerige Frucht, wieder Aromen von Eukalyptus, dann breitet sich der Wein aus, zeigt viel Schmelz und eine grosse Dichte ohne jegliche Plumpheit, da ist sehr viel Struktur im Spiel, präzise, feinst gewobene Gerbstoffe, das Holz und die Säure perfekt eingebunden. Im Abgang von sehr guter Länge. Ein sehr maskuliner Wein, der es mit Top Cabernets dieser Welt aufnehmen kann. Braucht Reife, hat grosse Reserven. 2019-2033+, 19 vvPunkte, (94/100)

2009, Castello di Querceto, QueRceto Romantic (IGT Colli della Toscana Centrale, Petit Verdot 50%, Merlot 30%; Syrah 20%): sehr dunkles Bordeauxrot, strahlender Glanz. Die Nase direkt nach dem Öffnen noch leicht reduktiv, mit Luft eine grossartige Tiefe zeigend, das ist hochkomplex, dunkelfruchtig, mit Noten von Leder, Teer, dunkler Schokolade, Eukalyptus, Minze, weissem Pfeffer, Gewürzen, hervorragend, einnehmend, sehr komplex, braucht Zeit und Luft, verändert sich ständig. Am Gaumen einfach wow, was für eine hohe Dichte bei gleichzeitig grossartiger Frische und Saftigkeit, dunkle Früchte tanzen mit ein paar roten Beeren, dazu eine feine Würze, sensationelle Stuktur, äusserst präzis und zweifelsohne top vinifiziert. Das ist ein grosser Wein, der nach einem guten Stück Fleisch schreit. Bis in den Abgang ein richtiger Kraftprotz mit bestechender Frische und sensationeller Länge. 2018-2038+, 19 vvPunkte, (96/100)

Beim Nachfolgenden Rundgang durch die Kelleranlagen von Castello di Querceto werde ich mir wieder einmal bewusst, was 60 Hektar Reben plus Lohnkelterung bedeutet: hier stehen modernste Kelleranlagen, computergesteuerte und temperaturkontrollierte Chromstahl-Tanks, modernste Abfüllanlagen und, und, und…

Temperaturkontrollierte Inox-Tanks auf Castello di Querceto, (c) vvWine.ch

 

Modernste Abfüllanlage auf Castello di Querceto, (c) vvWine.ch

Die Räumlichkeiten sind verwinkelt, wollen nicht enden und immer wieder stösst man auf Wein, sei es in Form von kleinen Vinsanto-Fässern welche dekorativ im Sitzungszimmer hinter Glas ein schmuckes Bild abgeben, sei es im Lager wo sich tausende Flaschen in Kartons verpackt stapeln und darauf warten, exportiert zu werden (unter anderem sind auch die USA ist ein wichtiger Absatzmarkt für Castello di Querceto).

Im Sitzungszimmer lagern dekorativ die Vin Santo Fässer von Castello di Querceto, (c) vvWine.ch

Alessandro führt uns in die Tiefen des Barrique-Kellers und bis aufs Dach der Anlage, von wo aus man einen wunderbaren Ausblick auf das waldige Tal mit seinen unterschiedlichsten Rebhängen hat, welche fast ausschliesslich zu Castello di Querceto gehören.

Barrique-Keller von Castello di Querceto, Chianti Classico, (c) vvWine.ch

 

Ausblick vom Dach vom Castello di Querceto in Richtung der Weinberge, (c) vvWine.ch

Der Rundgang endet schliesslich in der historieschen Kellerei und im Raritätenkeller, wo sich die alten Jahrgänge bis zurück zum Jahrgang 1904 befinden. Vom 1904er sind zwar nur noch wenige Flaschen vorhanden, doch diese bieten – das müssen wir Alessandro so glauben – nach wie vor Trinkgenuss.

Raritätenkeller / Gutsreserve von Castello di Querceto, Chianti Classico, (c) vvWine.ch

Der Bogen schliesst sich und wir beginnen zu verstehen, dass sich Tradition und Moderne nicht zwingend gegensätzlich verhalten. Trotz modernster Produktionsmethoden schwingt in jeder Flasche von Castello di Querceto zu mindest ein Hauch des Chianti Classico aus dem Jahr 1904 mit.

1904 Castello di Querceto, Chianti Classico, (c) vvWine.ch

Die Weine werden in der Schweiz über die Firma Schenk vertrieben. In Deutschland sind sie bei Thomas Weinregal.de erhältlich.

Impressum: Adrian van Velsen, Alte Spinnerei 1, CH-5210 Windisch, Telefon +41 44 350 01 44. Adrian@vvWine.ch
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  1. […] das toskanische Weingut Castello di Querceto haben wir vor rund zwei Jahren schon einmal berichtet. Adrian van Velsen hat das Gut in Greve in Chianti besucht und einige Weine direkt auf dem Weingut […]

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