Fu** Dry January

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Es ist wieder Januar und für so manche Menschen sind das traurige Zeiten, da sie beschliessen, diesen Monat keinen Alkohol zu trinken, damit sie sich beweisen können, dass sie keine Alkoholiker sind. Als wäre der Januar nicht traurig genug! Man nennt das «Dry January».

Den Dry January gibt es übrigens seit 2013, ins Leben gerufen von einer Wohltätigkeitsorganisation aus England, welche die Menschen dazu motivieren will, nach den Festtagen etwas die Leber zu schonen. Es gibt sogar eine App dazu, welche mit Motivationssprüchen helfen soll, das Ziel zu erreichen. Soweit so gut.

Dann gibt es noch den «Sober October». Der wurde ursprünglich von der britischen Macmillan Cancer Support im Jahr 2014 ins Leben gerufen. Später wurde das Konzept von anderen Organisationen und Gruppen weltweit übernommen. Das Ziel ist es, Spenden für wohltätige Zwecke (besonders Krebsforschung) zu sammeln und gleichzeitig eine Alkoholkarenz als Herausforderung anzunehmen. Soweit so gut.

Wer spenden will, kann das hier tun: https://www.gosober.org.uk/

Jetzt verstehen Sie mich nicht falsch, Verzicht zu üben wäre in unserer Gesellschaft ganz generell besonders gefragt, denn weniger ist oft viel mehr. Und natürlich will ich hier den Alkohol nicht verharmlosen. Wir alle wissen, dass er in Unmengen getrunken mässig gut für die Gesundheit ist. Moderates Trinken ist also THE KEY, aber was heisst das denn genau? Ein moderater Alkoholkonsum laut EU wäre 1,46 Liter Wein, 3,5 Liter Bier oder 4,4 dl Schnaps pro Woche, und man sollte mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche einhalten. Soweit so gut.

Ich muss zugeben, ich schaffe das oft nicht. Bei mir ist das situativ definitiv mehr, dafür gönne ich meinem Körper mit wöchentlich drei bis vier alkoholfreien Tagen brav eine Schonzeit. Ich sehe das auch nicht so tragisch, bin ich doch leicht schwerer als der Durchschnittseuropäer mit seinen 85 kg. Daher bin ich etwas grosszügiger in der Interpretation des Moderaten. Steht mir bestimmt zu. Soweit so gut.

Ich bin ja der Meinung, dass jeder machen kann was er will. Auch nichts trinken ist vollkommen in Ordnung. 10h Fitness pro Tag? Laktose und glutenfrei? Vegan, ohne Salz? Mir absolut schnuppe und ist vollkommen in Ordnung für mich, solange ich dort nicht zum Essen eingeladen bin. Denn jeder kann machen was er will. Aber hört doch auf den anderen euren Willen aufzuzwingen. Ich lauf ja auch nicht durch die Gegend und will jedem Alkohol mit einer Schnabeltasse einflössen. Ist ähnlich wie an Gott zu glauben. Das kann jeder tun, der sich gerne mit imaginären Menschen unterhält, aber er soll doch das einfach für sich behalten. Das alles interessiert nämlich absolut kein Menschen – im Fall. Soweit so gut.

Aber Fresse halten ist jetzt leider nicht jedermanns Stärke und im Zeitalter von X und Reels darf auch jeder eine Meinung haben, die er der breiten Masse kundtut. Und wir armen Säue haben nicht mal die Chance dem auszuweichen und müssen uns den Brunz anhören. Denn es ist so, dass das es einigen Menschen auf dem Planeten nicht reicht selbst nichts zu trinken. Die Abstinenzler-Fraktion wird immer grösser und fanatischer. Jedes Glas ist des Teufels, Alkohol ist Gift, wer trinkt, stirbt quasi sofort – nur Zyankali ist tödlicher. Dr. Vivek Murthy, Chef-Gesundheitsberater der USA, meinte, man müsse das Bewusstsein für die gesundheitlichen Gefahren von Alkohol schärfen und präventive Massnahmen fördern. Wir können uns also darauf gefasst machen, in Zukunft Fettlebern und anderweitig schöne Bilder auf der Weinflasche zu sehen. Soweit gar nicht gut.

Was ich aber gut fände, wäre, wenn man Jugendlichen den Zugang zu Alkohol verwehren würde. Wussten Sie, dass Eltern oder andere Erziehungsberechtigte in Deutschland ein 14-jähriges Kind mit in den Spunten nehmen und ihm Wein, Bier oder Sekt zu trinken geben dürfen? Hier in der Schweiz ist es mit 16 nicht viel besser. Das ist einfach unnötig. 18, oder 20, das reicht völlig. (Sie sehen, manchmal bin ich doch ein vernünftiger Mensch). Soweit so gut.

Besonders in den sozialen Medien wird die Abstinenz hochgejubelt und der Alkohol mit Rohrreiniger gleichgestellt – giftig und absolut tödlich. Tod dem Alkohol, Tod dem Genuss und Tod dem freien Leben, dem Spass, dem savoir vivre! Hier ist eine Lawine losgetreten worden, welche echt üble Dimensionen angenommen hat. Und sogar die ARD startet eine Serie, die Wein als toxisch, also als giftig beschreibt. Hier wird nicht mehr diskutiert, hier wird gepredigt mit dem Ziel, den Alkoholkonsum stark einzuschränken. Ich wette, dass wir in ein paar Jahren wieder in eine Prohibition schlitteln, denn das, was hier in Bewegung ist, wird nach dem Dry January nicht verschwinden, so viel steht fest. Denn es herrscht Krieg! Jawoll, Sie haben richtig gelesen, wir befinden uns im Krieg gegen die Vorherrschaft des freien Willens, gegen das Recht, sich bei einem Glas Riesling selbst zu therapieren. Aufgedrückt von Gesundheitsaposteln und langweiligen Abstinenzlern und TikTok-Experten, denen nichts woke genug sein kann, die alle mindestens 9h schlafen, sich vegan ernähren und ihren Eigenurin gurgeln. Ich rege mich ja so auf, das können Sie mir glauben. Etwa genauso wie über die Koch-Reels, wo jeder Trottel Knoblauch in den Ofen schiebt, mit Olivenöl in der Alufolie und Chiliflocken weich gart und in irgendeine Sauce drückt, meist mit Peperoni und Tomaten und einem scheiss Billig-Frischkäse, und dann irgendeine Pasta runterhebt. Wenn ich sowas nochmals sehen muss, muss ich kotzen. Da könnte ich jedem den ganzen Tag eine reinhauen. Soweit, na ja.

Was bleibt also? Die nüchterne Wahrheit: Das Leben ohne Wein ist wie Risotto ohne Parmesan – langweilig, fade und absolut sinnlos. Und während die Abstinenzbewegung ihre Kreuzzüge führt, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Glas zu heben und auf das Leben, den Genuss und den gesunden Menschenverstand anzustossen, solange es uns noch erlaubt ist.

In diesem Sinne: Prost! Und nein, ich brauche keine App, um mein Glas zu leeren – das bekomme ich ganz ohne Motivationsspruch hin.

Ach ja, jetzt wo ich meiner aufgestauten Wut freien lauf gelassen habe, wünsche ich Ihne ein gutes und erfolgreiches neues Jahr mit viel Spass im Glas. Und wenn Sie einen Abstinenzler predigen hören, bleiben Sie freundlich, aber ignorieren Sie ihn konsequent. Er hat es nicht verdient, dass man ihn beachtet!

1 Antwort
  1. Hans Rudolf Zimmermann
    Hans Rudolf Zimmermann says:

    Lieber Philipp
    Du sprichst mir aus vollem Herzen und vor allem ist es „Sauguet“ geschrieben. Unser Bauernhof trifft es doppelt, da er gleich doppelt gemoppelt wird, produzieren wir neben Wein auch noch Fleisch. Das ganze ging mir so auf den „Sack“, dass ich die Webseite mit entsprechendem Kommentar offline genommen habe – und siehe da, die Reaktion ist voll eingefahren – von Leuten denen das auch so nervig Leid ist.
    Vielen Dank für Deinen Einsatz für „das normale Leben*

    PS. Ich glaube die kommende eidgenössische Abstimmung kommt von der selben Personensorte, daher habe ich entsprechend Abgestimmt.

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