Kellerfunde und Glückshormone.
Selbst mit einem ausgeklügelten Flaschen-Management-System gibt es im Keller eines Weinfreaks ein paar Weine oder in seltenen Fällen sogar ganze Weinkisten, die es nicht in die Datenbank geschafft haben. Ich nenne diese Flaschen Kellerleichen, denn im schlimmsten Fall sind diese Weine, weil sie aufgrund ihrer vergessenen Existenz zu lange gelagert wurden, über den optimalen Genusszeitpunkt hinweg. Im besten Fall aber findet man die Flaschen zu einem Zeitpunkt, der den Wein optimal dahstehen lässt und die vermeintliche Kellerleiche wird zu einem Getränk, das Glückshormone freisetzt.
So geschehen, dieses Wochenende, als ich beim Aufräumen des Kellers über einen 2010er Pommard 1er Cru Les Rugiens von der Domaine Jean-Marc Bouley, über einen 2012er Puligny-Montrachet 1er Cru Clos de la Mouchère von Henri Boillot sowie über eine ganze 12er Kiste Barolo Monprivato 2009 von Giuseppe Mascarello gestolpert bin. Schockiert, dass die Weine nicht in der Datenbank waren, erfreut, dass sie aufgrund ihres rund 10jährigen Alters vermutlich in einem schönen Trinkfenster angekommen sind, habe ich die drei Flaschen am Wochenende entkorkt und in geselliger Runde genossen. Wie erwartet war da keinerlei Reue mit im Spiel sondern einfach nur grosse Trinkfreude.
2010, Pommard 1er Cru Les Rugiens, Domaine Jean-Marc Bouley, Frankreich, Burgund, Pommard (100% Pinot Noir, 13.5% Alkohol) Reifes Rubinrot. Bereits entwickelte Nase, sehr Burgund, jedoch von dieser noblen, reifen Seite: Etwas Erdbeere, Sauerkirschen, Cassis, dazu Pilze, Waldboden, wunderbar verspielt, vielschichtig, sich mit Luft verändernd. Im Gaumen rund und ebenfalls auf dem Peak, abgeschmolzene Tannine, top Säure, was für eine Balance, was für ein stimmiges Pinot-Paket. Jetzt bis 2028 geniessen. 93 vvPunkte
2012, Puligny-Montrachet 1er Cru Clos de la Mouchère, Domaine Henri Boillot, Frankreich, Burgund, Puligny-Montrachet (100% Chardonnay, 13.5% Alkohol) Dunkles, gereiftes Goldgelb. Die Nase ist weit entwickelt, komplex, nussige Noten, reifer Apfel, Lavendelhonig, Kräuter, sogar Kokosnuss. Im Gaumen reichhaltig, opulent, cremige Textur, viel Schmelz, die Säure stützt die Frucht, harmonisch, langanhaltend, salzig im Finish, endet auf reife Zitrusfrüchte und Honig. Dieser 1er Cru ist auf den Punkt gereift, braucht keine Lagerung mehr. Mit viel Spass austrinken bis 2026. 93 vvPunkte
2009, Barolo Monprivato, Giuseppe Mascarello, Italien, Piemont, Barolo (100% Nebbiolo aus aus der begehrten Monopollage von Mascarello in Castiglione Falletto, wo kalkige Böden vorherschen. 14.5% Alkohol) Helles Rubinrot, dezente Orangetöne. Der Duft ist schlicht genial, feminin, hellfruchtig, florale Noten nach Veilchen und getrockneten Rosen, ein Barolo-Parfüm sondergleichen, eine Droge, direkt nach dem Entkorken voll da, entwickelt sich dieser Duft mit Luft zu einem wahren Gedicht, grandios. Im Gaumen elegant, feingliedrig, trotz der Hitze dieses Jahrgangs wirkt der Wein frisch und leichtfüssig, das Terroir spricht Bände, das Tannin ist von höchster Güte, die Säuer stimmt, grosse Harmonie, sehr gute Länge, würziges Finale nach Lebkuchengewürzen und wiederum roten Kirschen. Das ist schon ziemlich grosses Barolo-Kino. Der Wein hat Reserven für 10 Jahre aber hey, sowas muss man echt nicht lagern sondern einfach geniessen! 95 vvPunkte
Die Weine findet man allenfalls noch via Wine-Searcher.com
Die Beschreibungen machen ja richtig neidisch. Schön, wenn man drei Weine unerwartet antrifft, die dann alle im optimalen Trinkfenster liegen.
Ich habe noch Monprivato 1982/1985/1990 etc. im Keller, Bisher noch jede geöffnete Flasche ein Genuss, teilweise sogar Hochgenuss.
Absolut, hatte kürzlich einen 81er, ebenfalls wunderbar…